Corona und FlutBehindertensportverein Schleiden kämpft ums Überleben
Kreis Euskirchen/Schleiden – „Wir kämpfen um unser Überleben“, sagt Karl Vermöhlen, Arzt und Geschäftsführer der Behindertensportgemeinschaft (BSG) Schleiden. Der Verein steckt seit geraumer Zeit in einem Dilemma. Zuerst fielen die Kursangebote den Beschränkungen der Corona-Pandemie zum Opfer, dann kam die Flut und zerstörte mit dem Hallenbad in Kall die sportliche Heimat für die Wassergymnastikkurse.
Seitdem suchen Vermöhlen, Monika Wegener als Vorsitzende und Vermöhlens Frau Sigrid als ihre Stellvertreterin nach Wegen, wie sich ihre betagten Mitglieder – das Durchschnittsalter liegt bei etwa 80 Jahren – sportlich betätigen können.
Durch die Flut zerstörtes Hallenbad in Kall fehlt
Die BSG hat nach Angaben des Geschäftsführers rund 60 Mitglieder aus den Gemeinden Hellenthal und Kall sowie den Städten Schleiden und Mechernich. In früheren Zeiten seien es bis zu 120 gewesen. Der Verein bietet seinen Mitgliedern Schwimmen, Wassergymnastik und Bosseln an.
Das Bossel-Team nimmt nach Angaben des Vorstands auch an Meisterschaften teil. Zudem steht noch Rehasport auf dem Programm, der für Mitglieder und Nichtmitglieder im Kaller Hallenbad angeboten worden ist – bis die Flut kam. Aktuell trifft sich lediglich die Bosselgruppe noch in der Realschulturnhalle in Schleiden.
Das Vereinsleben der BSG ruhte in der Corona-Zeit
„Auch das sonstige Vereinsleben ruhte in den vergangenen zwei Jahren. Das ist aber gerade für unsere älteren Mitglieder sehr wichtig“, betont Karl Vermöhlen. Wegener ergänzt: „Der Wegfall der sozialen Kontakte ist für viele Mitglieder ein großes Problem.“ Über viele Jahre hinweg habe sich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. „Viele haben angerufen, weil sie traurig sind, dass keine Veranstaltungen mehr stattfinden konnten“, sagt Sigrid Vermöhlen.
Man biete Menschen mit Handicap ein geschütztes Umfeld. „Wer Mitglied werden will, muss mindestens eine 20-prozentige Behinderung haben“, erläutert ihr Mann. Das gelte jedoch nicht für deren Partner.
Vermöhlen: „Sport ist für die Senioren sehr wichtig“
„Sport ist für die Senioren sehr wichtig. Die Gefahr zu stürzen und sich dabei einen Oberschenkelhalsbruch zuzuziehen, sinkt bei ein bis zwei Trainingseinheiten pro Woche um bis zu 60 Prozent“, sagt der Geschäftsführer. Das sei auch gesamtgesellschaftlich von Bedeutung, denn mehr als 50 Prozent der älteren Menschen, die einen Oberschenkelhalsbruch erleiden, landen in einem Pflegeheim, so Vermöhlen weiter.
Neben der Sturzprävention durch das Training von Kraft, Koordination und Ausdauer der Senioren gehe es auch um die Behandlung von chronischen Leiden. „Neue Herausforderungen ergeben sich durch neue Krankheiten wie Long Covid oder Traumatisierungen durch Flut und Corona“, erläutert Karl Vermöhlen.
Verein benötigt zertifizierte Übungsleiter und einen Arzt
Um Rehasport anbieten zu können, brauche man zertifizierte Übungsleiter und Schwimmmeister sowie einen Arzt. „Die sonstige Infrastruktur war im Kaller Hallenbad vorhanden“, so Karl Vermöhlen. Doch derzeit gebe es in dem Bereich einen „totalen Engpass“. Deshalb hofft die Behindertensportgemeinschaft, dass das Bad in Kall bald wieder zur Verfügung steht. „Aber der Wiederaufbau wird sich über Jahre hinziehen. Bis dahin sterben uns die Mitglieder weg“, warnt Vermöhlen.
Kurzfristig will er nun im Gymnasium Steinfeld nachfragen, ob man das dortige Schwimmbad nutzen könne. Andere Bäder seien entweder zu weit entfernt, durch andere Vereine oder Anbieter belegt oder ungeeignet, weil das Wasser nicht warm genug sei. „Wir brauchen für unsere älteren Mitglieder mindestens 27 Grad“, führt Karl Vermöhlen aus, der hofft, dass schnellstmöglich mit dem bereits beschlossenen Wiederaufbau des Bades in Kall begonnen wird.
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Bis dahin werde man versuchen, die Mitglieder mit Veranstaltungen und Ausflügen bei der Stange zu halten. „Weil wir lange Zeit keine Angebote durchführen konnten, haben wir die Mitgliederbeiträge ausgesetzt. Deshalb haben wir seit zwei Jahren keine Einnahmen“, sagt Karl Vermöhlen. Die Ausgaben für Verbände oder den Kreissportbund würden aber weiter laufen.
Man werde zudem versuchen, mit neuen Angeboten unter freiem Himmel jüngere Menschen zu erreichen. „Sonst besteht die Gefahr, dass dieser alte und angesichts der absehbaren demografischen Entwicklung wichtige Verein aufgelöst werden muss“, so Vermöhlen.