Mahnender „Lost Place“Altes Dorf in der Eifel nach Räumung für immer verlassen

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Blick auf das alte Dorf in der Eifel, das seit Jahrzehnten verlassen ist.

Blick auf das alte Dorf in der Eifel, das seit Jahrzehnten verlassen ist.

Die Geschichte von Wollseifen in der Eifel reicht Jahrhunderte zurück. Doch die Bewohner mussten ihre Heimat für immer verlassen.

Wer heute in das Dorf Wollseifen in der Eifel kommt, der fühlt sich unmittelbar in eine dystopische Endzeitgeschichte versetzt. Schon von Weitem fällt auf, dass in den Häusern keine Fenster sind. Stattdessen klaffen tiefe, schwarze Löcher in den Gebäuden. Die Siedlung ist seit Jahrzehnten verlassen – und soll auch nie wieder bewohnt werden.

Drei Wochen erhielten die Bewohner nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, um das Dorf zu räumen. Innerhalb kürzester Zeit endete damit eine Siedlungsgeschichte, die Jahrhunderte zurückreicht.

Dorfbewohner führten bescheidenes Leben in Wollseifen

Erstmals urkundlich erwähnt wird das Dorf Wollseifen im 12. Jahrhundert. Auf der etwa 500 Meter hohen Anhöhe befand sich jedoch bereits im achten Jahrhundert eine Kapelle, die von den römischen Siedlungen im umliegenden Urfttal genutzt wurde.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein gingen die Dorfbewohner einem bescheidenen Leben von Ackerbau und Schafzucht nach. Einen leisen wirtschaftlichen Aufschwung erfuhr Wollseifen durch den Bau der Urftsperrmauer, vor allem aber zwischen 1914 und 1918 durch den Fremdenverkehr im Ersten Weltkrieg.

Das Leben in der Eifel muss hart gewesen sein. Trotz seiner kargen Verhältnisse war Wollseifen ein erfolgreicher Ort, einer der ersten in der Region, der über elektrischen Strom und eine Wasserleitung verfügte.

NS-Ordensburg Vogelsang besiegelt Schicksal von Wollseifen

1934 begannen in Sichtweite des Ortes die Bauarbeiten für die „NS-Ordensburg“ Vogelsang. So mancher mag das Projekt mit Hoffnung beobachtet haben, doch tatsächlich besiegelten die Ambitionen das Schicksal des bescheidenen Dorfes Wollseifen. Die hochtrabenden und von diffusen Ideologien geschwängerten Pläne des Nazi-Regimes sollten die Geschichte des kleinen Eifeldorfs für immer verändern.

Luftaufnahme von der riesigen Anlage Vogelsang.

Luftaufnahme von der riesigen Anlage Vogelsang.

Die Pläne für Vogelsang stammten vom Kölner Architekten Clemens Klotz, der auch die NS-Erholungsanlage „Kraft durch Freude“ auf Rügen entworfen hatte. Der Standort wurde mit Bedacht gewählt: Die Ordensburgen (neben Vogelsang gab es noch zwei weitere) sollten als Leuchtturmprojekte in Regionen dienen, in denen der Nationalsozialismus erst spät Fuß gefasst hatte.

Dorfbewohner müssen Wollseifen für immer verlassen

Die Ausmaße des Bauprojekts waren gigantisch. Auf der über 100 Hektar großen Anlage sollten durch Erziehung und Indoktrination die nach der Staatsideologie des Nationalsozialismus „neuen deutschen Menschen“ erschaffen werden.

Im Zweiten Weltkrieg stellte das Prestigeprojekt der Nazis einen Angriffspunkt der Alliierten dar. Und so wurde das kleine Eifeldorf mitten in die Front der erbitterten Kämpfe gezogen. Die Bewohner erlitten schwere Verluste und wurden schließlich vertrieben.

„Lost Place”

Eindrücke vom toten Dorf Wollseifen in der Eifel

Nach Kriegsende hofften die Wollseifener wie viele Menschen anderswo wieder in ihr Dorf zurückkehren zu können. Doch eine von der Militärregierung am 1. September 1946 erlassene Zwangsräumung ließen diese Hoffnungen zerplatzen. Rund 100 Familien mit insgesamt 500 Personen mussten ihre Heimat für immer verlassen.

Bis Ende 2005 wurde das Areal vom belgischen Militär als Übungsgelände genutzt. Davon zeugen auch heute noch Bauruinen im Dorf Wollseifen, die als Truppenübungsplatz zum Training des Häusernahkampfes errichtet wurden.

Doch obwohl der Truppenübungsplatz 2006 endgültig aufgegeben wurde und das Dorf wieder für jeden zugänglich gemacht wurde, kehrten die Bewohner nie wieder in ihre Heimat zurück. Stattdessen ist Wollseifen heute als Dorfwüstung (als „verlassener Ort“) ein wichtiger „Ort der Stille“ im Nationalpark Eifel und ein Symbol für Vertreibung geworden.

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