Beim „Vogelslam“ warfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen spannenden Blick auf die Gesellschaft. Das Finale endete remis.
Junge AutorenPolitisch, nachdenklich, komisch – Poetry-Slammer kamen in Vogelsang gut an
Schiedlich-friedlich trennten sich die Kombattanten. Denn wer beim „Vogelslam“ im Panoramasaal in Schleiden-Vogelsang tatsächlich das eine oder andere Quäntchen besser war, konnten und wollten die rund 70 Zuhörer der Veranstaltung nicht entscheiden. Per Applaus hätten sie eigentlich deutlich machen sollen, welchen Vortrag sie gelungener fanden.
Doch genau diese abschließende Beifallsbekundung führte dazu, dass die Moderatoren von der Aachener Poetry-Slam-Vereinigung „satznachvorn“, Oskar Malinowski und Lukas Knoben, ein Unentschieden ausriefen. Und so teilten sich die beiden Finalteilnehmerinnen, Jouhaina Lahchaichi und Jeanette Kasper-Feld, schwesterlich die Siegesprämie: eine Flasche Sekt, ein Vogelsang-Begleitheft sowie eine Vogelsang-Tasse und eine Postkarte.
Schon in der Vorschlussrunde ging es in Vogelsang sehr knapp zu
Doch schon davor hatte die sechsköpfige Jury, die die Moderatoren aus dem Publikum ausgewählt hatte, fast für eine Pattsituation gesorgt. Denn nach der zweiten Runde hatten Kasper-Feld und Fatima Talalina gleich viele Punkte erreicht. Die Entscheidung in Vogelsang brachten dann die Streichresultate, die nun noch zu dem Ergebnis addiert wurden und mit einem winzigen Pünktchen Vorsprung der Krefelderin Kasper-Feld in die Schlussrunde beförderten.
Diese knappen Entscheidungen demonstrierten die Ausgeglichenheit der vier jungen Autorinnen und Autoren. Auch Lennart Heins, der quasi als eine Art Quotenmann das Quartett komplettierte, wusste mit seinen Texten die Jury und das Publikum zu überzeugen. Auffallend dabei war, dass es allen vier gelang, ihre eigene Lebenssituation so darzustellen, dass damit ein spannender Blick auf die Gesellschaft gelang.
Widmeten sich noch vor einigen Jahren die Texte, die bei Poetry-Slams zu hören waren, vor allem der möglichst pointenreichen Verarbeitung von Alltagssituationen – ein Trend, der mittlerweile auch in der Kabarett- und Comedyszene angekommen ist – so steht nun in erster Linie die gesellschaftliche Relevanz im Fokus.
„Man merkt den Zeitgeist“, bestätigte Malinowski. „Die Texte sind politischer denn je“, beschrieb es Knoben. Vor zehn Jahren noch seien die lustigen Texte dominierend gewesen. Doch gerade bei den jüngeren Autoren sei das Bedürfnis spürbar, das eigene Ich nach außen zu tragen.
Fatima Talahini führte das Publikum immer wieder aufs Glatteis
Wie Fatima Talahini, die sich mit ihrer nationalen Identität auseinandersetzt. Wie könnte die sein, wenn der Vater Syrer ist, die Mutter aus Polen, aber deutscher Herkunft, und man selbst in Dortmund aufgewachsen ist? Gekonnt führte Talahini die Zuhörer immer wieder aufs Glatteis, überraschte und versöhnte am Ende auch wieder.
Ganz anders Kasper-Feld, die sich der Themenauswahl anschloss und verkündete: „Ich bin so deutsch.“ Zuerst durchaus komisch, entwarf sie einen deutschen Nationalcharakter, dem sie entspreche – um dann die Heiterkeit im Saal brutal abzutöten. „Ich bin so deutsch, dass Familientreffen noch bei der Vorspeise zum AfD-Parteitag werden“, las sie und schloss: „Ich bin so deutsch, wenigstens werde ich nicht abgeschoben.“
Jouhaina Lahchaichi setzte sich mit dem Rassismus in der Schule auseinander
Heins widmete sich seiner schwulen Identität, seinem Verhältnis zur Sexualität und seiner Umgebung, während Lahchaichi sich mit dem Rassismus auseinandersetzte, dem sie als Kopftuchträgerin in der Schule ausgeliefert war. Beim Publikum kamen die nachdenklichen Texte gut an.
Während Malinowski und Knoben sich außer der Moderation auch um die Auswahl der Slammer gekümmert hatten, war die Organisation der Veranstaltung die Abschlussarbeit von Sarah Lang in ihrer Ausbildung zur Kauffrau für Tourismus und Freizeit.
Die Slams haben fast schon Tradition in Vogelsang, denn schließlich waren es die FSJler von Vogelsang IP, die das Projekt vor Jahren aus der Taufe hoben. Und auch in der Slammerszene ist die Veranstaltung immer noch beliebt. „Es ist der Slam mit der besten Aussicht“, sagte Malinowski, der sich 2013 selbst in die Siegerliste des Vogelslam eingetragen hatte.