Eine neue Ausstellung in Vogelsang stellt sieben Schicksale von Holocaust-Opfern vor. Die Informationen wurden von Schleidener Gymnasiasten gesammelt.
Schicksalen auf der SpurAusstellung in Vogelsang zeigt Biografien von Holocaust-Opfern
Es sind bewegende und bedrückende Schicksale, die jetzt im „Raum der Stille“ am Eingang zum Besucherzentrum von Vogelsang IP vorgestellt werden. Dort sind sieben Informationstafeln mit Biografien von Menschen aus der Region zu sehen, die in der Zeit des Nationalsozialismus emigrierten oder ermordet wurden. Entstanden sind die Tafeln in einer Kooperation von Vogelsang IP mit dem Johannes-Sturmius-Gymnasium in Schleiden.
Die Schleidener Schule hatte mit dem Projektkurs „Stolpern – erinnern – nach vorne schauen“ einen Preis beim Service-Lern-Programm „sozialgenial“ gewonnen. „Daraus ist dann die Idee entstanden, Informationstafeln mit Biografien von Menschen aus der Region zu erstellen, die unter dem Holocaust gelitten haben“, erklärte Lehrerin Heike Schumacher, die mit ihrer Kollegin Angelika Schmitz das Projekt betreut hat.
Stolpersteine gaben den Anstoß für die Arbeit der Schleidener Schüler
Anstoß für die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler waren auch die Stolpersteine, die in zahlreichen Orten an Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden. Exemplarisch berichtete Schumacher aus dem Leben der Familie Kaufmann, die in Gemünd ein kleines Kaufhaus betrieb. Lazarus und Helene Kaufmann hatten drei Söhne, Erich, Richard und Oskar. Der Vater starb kurz vor dem Ersten Weltkrieg.
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Die drei Brüder besuchten alle die höhere Stadtschule in Schleiden, den Vorgänger des heutigen Johannes-Sturmius-Gymnasiums. „Erich hat danach in Aachen Abitur gemacht und anschließend in Köln Medizin studiert. Nach seinem Examen hat er in Grevenbroich eine Praxis eröffnet“, erzählte die Lehrerin. „Er muss aber schon 1936 mit seiner Frau nach Brasilien emigrieren“, erzählte die Lehrerin. Dort habe er eine neue Praxis eröffnet und sei unter dem Namen Eurico Kaufmann so bekannt geworden, dass sogar eine Straße nach ihm benannt worden sei.
Bruder Richard und seine Familie wurden in Auschwitz ermordet
Sein Bruder Richard floh mit Frau und Kind in die Niederlande. Die Familie wird aber verhaftet und nach Auschwitz deportiert und ermordet. Besser ergeht es Oskar, der in Dresden als Verkäufer arbeitete und ebenfalls nach Brasilien auswanderte. „Zu seinen Söhnen hatten wir 2015 Kontakt, als unsere Schule 150-jähriges Bestehen feierte“, so die Lehrerin.
Mutter Helene folgte ihren Söhnen nach Brasilien. „Sie hat nach dem Krieg Briefe an eine Freundin in Gemünd geschrieben, die später dem Geschichtsforum Schleiden übergeben wurden.“ Helene Kaufmann sei auch mehrere Male zu Besuch in Gemünd gewesen. „Von ihr stammt der Satz, ,vergeben kann man, aber nicht vergessen, auch wenn man 100 Jahre alt wird'“, berichtet Schumacher.
Hlynur Jakob Limbeck aus der neunten Klasse hat das Schicksal der Brüder Kaufmann in mehreren Zeichnungen festgehalten: „Es ist schwer, solche Schicksale bildlich umzusetzen. Ich denke dann auch viel über die Menschen nach.“ Für jede Zeichnung habe er mehrere Vorentwürfe gemacht.
Mit dem Schicksal von Julia Katz aus Kall hat sich Mia Bongard beschäftigt: „Dabei stellte sich heraus, dass die Frau früher die Nachbarin meiner Großmutter Margot war.“ Die Metzgerei Katz befand sich wenige Häuser neben der Apotheke, in der Margot Bongard aufgewachsen war. „Meine Oma hat mir erzählt, dass sie der Familie in der NS-Zeit Kleidung und Lebensmittel zugesteckt haben.“
Hellenthalerin überlebte mehrere Konzentrations- und Arbeitslager
Cédrik Morgenstern hat bei Vogelsang IP den Bundesfreiwilligendienst absolviert und sich mit Margot Heuman befasst. Über die Hellenthalerin, die mehrere Konzentrations- und Arbeitslager überlebte und schließlich in die USA auswanderte, wurde vor drei Jahren ein Theaterstück uraufgeführt. Die Inszenierung entstand auf der Grundlage von Interviews mit der Zeitzeugin, die Historikerin Anna Hájková führte. Heuman berichtet darin vom Erwachsenwerden als queere jüdische Frau in den Konzentrationslagern, aber auch vom Leben nach dem Krieg in den USA. Außerdem gibt es Tafeln mit Lebensdaten von Martin Löwenstein und Max Moses Wolff.
„Ich hatte Ende Januar in dieser Zeitung einen Artikel über ein Holocaust-Opfer in Euskirchen gelesen. Darunter stand, dass Schüler des Johannes-Sturmius-Gymnasiums einen Gedenkgottesdienst organisiert hatten“, erklärte Vogelsang IP-Geschäftsführer Thomas Kreyes. Daraufhin habe er mit der Schule Kontakt aufgenommen. Heraus kam, dass die Informationstafeln am Erinnerungsort von Vogelsang IP gezeigt werden. „Ich bin von mehreren Seiten angesprochen, dass sich Vogelsang als Gedenkort anbieten würde“, so Kreyes.
Beim Landschaftsverband Rheinland habe man einen Förderantrag für eine Digitalisierung des Projekts gestellt. „Die Ausstellung soll erweitert werden. Andere Schulen können sich daran gerne beteiligen.“ Irgendwann werde aber der Platz an den Wänden nicht mehr ausreichen: „Dann sollen die Biografien auf Bildschirmen präsentiert werden.“