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Traumatische ErinnerungenDrei Jahre nach der Flut ist Hephata-Haus in Schleiden fast fertig

Lesezeit 6 Minuten
Noch ist das Gebäude eingerüstet und noch nicht verputzt, wie auf dem Foto zu sehen ist.

Das neu gebaute Haus der Stiftung Hephata im Schlossauel in Schleiden soll im August bezugsfertig sein.

Die Bewohner freuen sich auf den Einzug in Schleiden, doch das Trauma des Hochwassers bleibt in den Erinnerungen lebendig.

Immer weiter schreitet das Bauprojekt der Hephata Wohnen gGmbH im Schlossauel in Schleiden voran. Im August sollen hier sechs Bewohner in den Komplex einziehen, in dem Menschen mit Behinderung und teilweise auch einer psychischen Erkrankung im ambulant betreuten Wohnen leben werden. Damit geht eine weitere der durch die Flut verursachten Baustellen ihrem Ende entgegen. Denn das Haus, in dem vorher drei Bewohner ihre Unterkunft hatten, musste nach der Flut abgerissen werden.

Die drei Männer stehen in einem Raum an der Terrassentür. Unten fließt die Olef vorbei.

Wohnen mit Blick auf die Olef, aber nur in sicherer Höhe: David Christen (v.l.), Mario De Marco und Teamleiter Volker Groell.

„Wir haben alles versucht, um es zu retten“, sagt Architektin Susanne Tillmann. Sie kennt die Verhältnisse vor Ort bestens, denn sie hat auch das Haus geplant und gebaut, das die evangelische Stiftung Hephata im Burggarten betreibt. Die beiden Gebäude, die mit ihren Rückseiten einem gemeinsamen Garten zugewandt sind, wurden beide bei der Flut beschädigt.

Doch während der Neubau im Burggarten erfolgreich getrocknet und gerettet werden konnte, gab es in dem Altbau aus den 1950er-Jahren, der am Olefufer im Schlossauel stand, ein massives Problem. „Im Keller stand ein riesiger Öltank, der in der Flut geplatzt ist“, berichtet Tillmann. Die Rückstände aus dieser Verschmutzung seien trotz aller Versuche nicht zu beseitigen gewesen, sodass das Haus schließlich abgerissen werden musste.

Bewohner erlebten Flutkatastrophe mit all ihren Schrecken

Drei Wohneinheiten gab es in dem Altbau, der rund 350 Quadratmeter groß war. Eine ähnliche Größe hat auch der Neubau, in dem allerdings sechs Wohneinheiten und sogar ein Büro untergebracht werden. „Wir konnten besser aufteilen“, so Tillmann.

Erstmals besuchten jetzt die zukünftigen Bewohner ihre neue Unterkunft, um festzulegen, wer wo einziehen wird. Für zwei von ihnen stand allerdings schon vorher fest, dass sie nur in die oberste Etage einziehen werden. Mario De Marco und David Christen haben in der Flut traumatische Erlebnisse gehabt. De Marco, der vor einiger Zeit in der Wohngruppe lebte, wohnte im Juli 2021 bei seiner Mutter in Malsbenden, während Christen, der in Schleiden sein Zimmer hatte, seine Mutter in Ahrweiler besuchte.

Das Bild zeigt das zweigeschossige Gebäude mit einer Außentreppe.

Saniert werden konnte nach der Flut das Gebäude der Wohngruppe im Burggarten in Schleiden.

„Ich war in Ferien bei meiner Mutter, eine Woche in Berlin und eine in Ahrweiler“, erzählt Christen. Eigentlich habe er am 14. Juli nachmittags wieder mit dem Zug nach Schleiden zurückkehren wollen, doch das habe sich schwierig gestaltet.

„Zwar hieß es am Bahnhof, alle Züge würden ausfallen, doch dann kam einer, mit dem wir bis Bonn gekommen sind“, berichtet er. Dort war erst einmal Endstation, in Richtung Euskirchen sei kein Zug gefahren, weil ein Stellwerk überflutet war. Auch der Versuch, mit Volker Groell, Teamleiter der Schleidener Wohngruppe, und seinem Betreuer nach Schleiden zu kommen, sei fehlgeschlagen. Er musste in Rheinbach den Versuch aufgeben, mit dem Auto nach Bonn zu kommen.

Ich habe sie auf dem Rücken durch das Wasser, das mittlerweile im Haus war, auf den Speicher getragen.
Mario De Marco, der seine schwer erkrankte Mutter vor dem hereinströmenden Wasser in Sicherheit brachte

Mit einem Taxi fuhr Christen wieder zu seiner Mutter nach Ahrweiler, wo er abends eintraf. Hier musste er miterleben, wie das Wasser immer weiter stieg, sein Zimmer, das im Keller lag und seine Comicsammlung beherbergte, überflutete, und schließlich das Erdgeschoss des Hauses seiner Mutter.

„Eigentlich hatten wir gedacht, es wird nicht so schlimm, und die Sachen in den Schränken nur ein Fach höher getan“, erinnert er sich. Als das Wasser dann in das Haus eingedrungen sei, hätten sie noch versucht, Sachen in den ersten Stock zu tragen. Doch das sei schließlich auch nicht mehr möglich gewesen.

Dann sei der Strom ausgefallen, noch einmal kurz wieder gekommen und dann endgültig weggewesen. Es habe begonnen, nach Heizöl zu riechen. Christen erinnert sich noch, wie das Licht des am mittlerweile überschwemmten Gartenhauses immer wieder anging und gespenstisch aus dem Wasser leuchtete. Kurz bevor das Wasser auch in den ersten Stock gekommen sei, habe es aufgehört zu steigen. „Schlafen konnte ich in der Nacht nicht, ich hatte Angst“, berichtet er.

In ihren Träumen tauchen immer wieder die Bilder der Flut auf

De Marco erging es in Malsbenden nicht besser. Schon am Nachmittag habe er gemerkt, dass die Urft begann, über die Ufer zu treten und zum reißenden Fluss wurde. „Doch selbst da habe ich nicht gedacht, dass es so schlimm werden würde“, sagte er. Trotzdem habe er damit begonnen, in dem einstöckigen Einfamilienhaus Sachen hochzustellen, während seine Mutter das Auto auf den Salzberg fahren wollte.

Auf dem Rückweg durch die mittlerweile durch die Straßen fließende Urft sei seine Mutter von der Strömung immer wieder weggespült worden, wobei sie, wie sich später herausstellte, zwei Schlaganfälle erlitten hatte. „Sie kam völlig durchnässt und mit letzter Kraft nach Hause. Sie wusste, was sie hatte“, so De Marco. Ihr zu helfen, sei nicht möglich gewesen, denn mittlerweile sei ein Rettungswagen nicht mehr durch die Wassermassen gekommen.

Im August soll das neue Gebäude in Schleiden bezogen werden können

„Ich habe sie auf dem Rücken durch das Wasser, das mittlerweile im Haus war, auf den Speicher getragen“, sagte er. Dann habe er noch seinen Hund hochgetragen und versucht, wichtige Dokumente zu retten. Bis zum Kinn habe ihm das Wasser mittlerweile gestanden, als jemand an das Fenster geklopft habe.

Es sei ein Nachbar gewesen, der sich am Fensterbrett festklammerte. „Als ich das Fenster öffnete, kamen erst einmal wieder 20 Zentimeter Wasser rein“, berichtet De Marco. Auch ihn habe er auf den Speicher geschleppt. Doch dort habe es das nächste Problem gegeben, denn der Nachbar sei zuckerkrank und müsse regelmäßig Insulin nehmen. „Ich habe es dann geschafft, zu seinem Haus zu gelangen, tatsächlich eine Insulinspritze zu holen und wieder zurückzukommen“, sagt er.

Die ganze Nacht habe er das Brüllen des Flusses gehört. Und das Krachen, als das Nachbarhaus halb eingerissen wurde. „Viele Stunden saßen wir auf dem Dachboden“, berichtet er. Für ihre Notdurft hätten sie Eimer benutzt. Der Nachbar, der die nächste Insulinspritze benötigte, habe irgendwann schon zu krampfen begonnen. Auch am Morgen sei noch keine Hilfe durchgekommen. Erst später seien sie mit einem Radlader aus dem Haus gerettet worden.

Der Wunsch nach dem Flut-Trauma: Keine Wohnung im Erdgeschoss

Seine Mutter sei dann in eine Spezialklinik gekommen. Ein halbes Jahr später habe er ihr noch einmal das Leben gerettet, als sie fast an einem Aneurysma gestorben sei, so De Marco. Die Erlebnisse der Hochwassernacht, die sie immer noch fast minutengenau berichten können, nehmen sie, wie fast alle der Flutbetroffenen, noch immer mit. Sie leiden an psychischen Langzeitfolgen. Immer wieder erleben sie die Ereignisse in Träumen.

Doch wenn auch die Olef aus den Fenstern des Neubaus zu sehen ist, da sie nur wenige Meter davon entfernt vorbeifließt, freuen sich beide, wieder nach Schleiden zu kommen und alleine wohnen zu können.

„Beide haben auch, wie viele Flutbetroffene, eine Odyssee durch verschiedene, kurzfristige Notwohnungen hinter sich“, betont Groell. Immer wieder hätten sie umziehen müssen, teilweise mit nichts als einer Tüte, in der der Rest ihrer Habe gewesen sei.

Aber eines ist klar: Wenn sie schon direkt am Olefufer wohnen werden, dann wenigstens so hoch, dass sie vor einer Überflutung geschützt wären. „Das war klar, das obere Stockwerk ist für uns“, sagt De Marco.