Corona-AuswirkungJunge Bäume auf der Oleftalbahn – Umsiedlung in Stadtwald
- Das Projekt, an neue Pflänzchen zu gelangen, begann eher ungewöhnlich – mit einem flotten Spruch des für Schleiden zuständigen Försters Markus Wunsch.
- Statt den Bewuchs, der zwischen den Schottersteinen des Gleisbettes wächst, zu vernichten, werden die Pflanzen nun herausgezogen und auf Flächen im Schleidener Stadtwald gepflanzt.
- Das Gleisbett wird blank und die Pflanzen bekommen eine neue Heimat, wo sie gebraucht werden – eine klassische Win-Win-Situation.
Schleiden – Es ist der Stoff, aus dem zur Zeit die Träume der Förster gemacht sind. Junge Robinien, Feld- oder Bergahörner, Eichen oder Eschen in Mengen – alles, was aktuell heiß begehrt ist, um den Wald für den Klimawandel und die allseits erwartete Trockenzeit fit zu machen. Doch angesichts der europaweit explodierten Nachfrage nach diesen Baumsorten, haben die Baumschulen, die die Forstbetriebe mit Setzlingen versorgen, Lieferschwierigkeiten.
Aufforstungskonzept entwickelt
„Klimawandel bedeutet nicht Waldsterben, sondern Anpassung“, macht Revierförster Markus Wunsch deutlich. Dabei spielen klimaresistente Bäume eine entscheidende Rolle. Durch die Sogwirkung ihrer Wurzeln sei der Wasserspiegel unter bewaldeten Flächen höher als auf Freiflächen.
Auch wenn die Waldschäden in Schleiden massiv seien, machten sie aufgrund der klimatischen Bedingungen nur einen Bruchteil dessen aus, was zum Beispiel im Bereich Rheinbach oder Euskirchen zu verzeichnen sei. Die Stadt Schleiden und Revierförster Wunsch vom Landesbetrieb haben gemeinsam ein Aufforstungskonzept entwickelt, das allerdings erst im nächsten Jahr zum Tragen kommen soll.
„Wir konzentrieren uns erst darauf aufzuräumen und das tote Holz und die geschädigten Bäume aus dem Wald zu bekommen“, so Wunsch. Es mache keinen Sinn, jetzt Pflanzungen anzulegen, wenn anschließend in der benachbarten Fläche Bäume gefällt werden müssten und der Weg versperrt sei. Nächstes Jahr werde die Stadt Geld für die Aufforstung bereitstellen, dann sei auch klar, wieviel benötigt würde. „Die Wälder werden sich in den nächsten Jahren massiv verändern“, ist Wunsch sicher. (sev)
Ein Projekt, an die Pflänzchen zu gelangen, begann eher ungewöhnlich – mit einem flotten Spruch des für Schleiden zuständigen Försters Markus Wunsch. Als er vor zwei Wochen mit Wolfgang Heller von der Bahn- und Businitiative BuBI, die die Oleftalbahn betreibt, die Bahnstrecke abging, um Verkehrssicherungsmaßnahmen abzusprechen, entdeckte er kleine Robinien. „Ich sagte: Ich klau mir nachher ein paar“, erinnert sich Wunsch. „Und ich antwortete: Die kannst Du alle haben“, ergänzt Heller.
Neue Heimat für junge Pflanzen
Aus diesem kurzen Dialog hat sich innerhalb kürzester Zeit ein faszinierendes Projekt entwickelt. Denn statt den Bewuchs, der zwischen den Schottersteinen des Gleisbettes wächst, zu vernichten, werden die Pflanzen nun herausgezogen und auf Flächen im Schleidener Stadtwald gepflanzt, auf denen Borkenkäfer und Trockenschäden den Baumbestand arg zugesetzt haben. Das Gleisbett wird blank und die Pflanzen bekommen eine neue Heimat, wo sie gebraucht werden – eine klassische Win-Win-Situation. Aus dem, was aus dem Gleisbett entfernt wird, soll der Stadtwald von morgen wachsen. Wildlingswerbung nennen das die Forstleute.
Wunsch gelingt es dabei nur schwer, seine Begeisterung zu verbergen. Schließlich geht es nicht nur darum, dringend benötigtes Pflanzgut zu bekommen, sondern auch noch eines, das bereits Trockenheit kennt. „Die Pflanzen aus den Baumschulen sind an optimale Bedingungen gewöhnt“, erläutert er. Aber wenn sich eine Pflanze im Schotter entwickele, komme sie mit wenig Wasser aus. „Wie wenig Feuchtigkeit im Gleisbett ist, kann man daran sehen, dass hier immer noch die Schwellen von 1926 liegen“, ergänzt Heller.
Start unklar
Der Betrieb der Oleftalbahn zwischen Kall und Hellenthal ruht. „Bis auf Weiteres“, sagt BuBi-Vorsitzender Wolfgang Heller. Denn noch sei unklar, wann der historische Schienenbus im Herbst wieder seine Fahrten aufnehmen kann.
Der Grund sind die Abstandsregelungen aufgrund der Corona-Pandemie. Dadurch sei es zur Zeit nicht möglich, genug Fahrgäste in dem Fahrzeug zu transportieren, sodass der Betrieb – unter anderem ist Miete für den Schienenbus zu zahlen – wirtschaftlich möglich sei. (sev)
Üppige Vegetation dank Corona
Dabei bergen die trockenen Böden ein weiteres Problem. Jetzt, im Hochsommer, ist es kaum möglich, Jungbäume anzupflanzen. Für Uwe Kössler, im Revier für die Anpflanzungen zuständig, ist klar, dass die Bäume jetzt noch nicht in die Erde können. Deshalb bleiben die Jungbäume erst einmal in Wannen mit feuchter Erde, bevor sie in die Wälder kommen. „Auch wenn die Bäume trockenresistent sind, brauchen sie Wasser zum Anwachsen“, so Wunsch.
Dass die Vegetation sich auf der Bahnlinie so üppig entwickeln konnte, ist Corona zu verdanken. Denn seit Jahresanfang hatten die Triebe Zeit, sich zu entwickeln. Normalerweise werden sie zu Saisonbeginn im Frühjahr abgemäht und entsorgt. Nun hat das Eisenbahnbundesamt zugestimmt, dass die Förster die Pflanzen entnehmen dürfen und hat die Gleise zunächst gesperrt.
Ein langsamer, aber evolutionärer Prozess
„Wir stellen die Bäume der Stadt und dem Landesbetrieb unentgeltlich zur Verfügung“, so Heller. Dabei ist Wunsch nicht wählerisch. „Wir nehmen alles, was da steht“, sagt er, egal ob Birke, Buche, Eiche. Besonders leuchten seine Augen, als er mehrere kleine Feldahorne sieht: „Im letzten Jahr waren die europaweit ausverkauft.“ Auch die kleinen Fichten, die sich im Kiesbett angesiedelt haben, dürfen nicht fehlen. Denn Wunsch rät dazu, in diesen Zeiten die gesunden Fichten zu fördern und stehenzulassen: „Die Fichten, die grün sind, sind die, die wir brauchen.“ Die könnten die Fähigkeit entwickeln, mit trockenen Böden umzugehen, aber das sei ein langsamer, evolutionärer Prozess. „Die Fichte hat eine Zukunft, wenn wir ihre die Zeit geben“, sagt Wunsch.
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Das Projekt, Bäume aus dem Gleisbett in den Wald zu transferieren, muss nicht nur auf die 17 Kilometer der Oleftalbahn beschränkt bleiben. Die Idee könnte noch weitere Blüten treiben. „Überall, wo es Grünflächen gibt, können wir das Potenzial entwickeln“, sagt Wunsch. Ob Straßen- oder Wegesränder, allerorts könnte sich Pflanzgut verbergen, das die Förster lieber im Wald als auf der Müllkippe sehen würden. Es gebe so viele Bereiche, wo viel gemäht werde, was in die Wälder gebracht werden könnte. Daher wolle er auch Kontakt zum Landesbetrieb Straßen aufnehmen. „Wenn wir damit einen Trend setzen, ist das für alle gut“, sagt Wunsch.