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Landrat hilft in Gemünder Pflegeheim aus„Pfleger“ Rosenke hat viel gelernt

Lesezeit 6 Minuten

„Die Verletzungen hatte sie schon vorher“, scherzt Landrat Günter Rosenke, während er Erika Schütze an die frische Luft schiebt. Pflegedienstleiter Arno Brauckmann (li.) ist voll des Lobes.

  1. Günter Rosenke sagt, die Pflege habe für ihn oberste Priorität.
  2. Um noch besser ins Thema einzusteigen, arbeitete er einen Tag in einem Gemünder Alten- und Pflegeheim.
  3. Unser Autor hat ihn dabei begleitet.

Schleiden-Gemünd – Erika Schütze genießt die Sonne. Einige der Frauen, die neben der 81-Jährigen vor dem Haupteingang des Evangelischen Alten- und Pflegeheimes in Gemünd sitzen, scheinen etwas erstaunt. Ist das etwa ein neuer Pfleger, der Erika Schütze im Rollstuhl nach draußen geschoben hat? Manche erkennen den vermeintlich Neuen, andere lesen auf dem Namenschild am weißen Hemd, um wen es sich handelt: Günter Rosenke.

Pünktlich um 7.50 Uhr hatte der Landrat an diesem Freitagmorgen seinen Dienst als Hospitant angetreten. „Er löst sein Versprechen ein“, freut sich Malte Duisberg, der Geschäftsführer der Stiftung Evangelisches Alten- und Pflegeheim Gemünd (EVA). Das hatte Rosenke ihm beim Neujahrsempfang im Kreishaus gegeben, den Rosenke dem Thema Zukunft der Pflege im Kreis Euskirchen gewidmet hatte.

Vorerst keine Investitionsförderung für Pflegeschule

Aus Düsseldorf habe er keine gute Kunde erhalten, berichtet Landrat Günter Rosenke: Eine Investitionsförderung für die Errichtung einer Pflegeschule im Kreis sei zurzeit nicht zu erwarten. Die Mittel flössen in die Schließungen oder in die Fusionen im Krankenhausbereich.

Dennoch bleibt der Landrat dabei: Der Kreis brauche eine Pflegeschule, um junge Menschen für diesen Beruf zu gewinnen: „Sie müssen heute bis nach Düren fahren. Das kann aus dem Süden des Kreises mit dem Öffentlichen Personennahverkehr einige Stunden dauern.“

2040, so Rosenke mit Blick in die Pflegebedarfsplanung des Kreises, würden doppelt so viele Pflegekräfte gebraucht wie heute. 508 Azubis würden derzeit im Kreis in der Pflege ausgebildet, 2025 müssten es rund 1000 sein, um den Bedarf zu decken. „Das ist quasi übermorgen, mahnt der Landrat.

Ein kleiner Erfolg sei immerhin zu verbuchen: Das Kreiskrankenhaus Mechernich investiere zwei Millionen Euro, um die Pflegeausbildung zu erweitern. Auch das Deutsche Rote Kreuz habe weitere Anstrengungen angekündigt. (sch)

„Wir haben nichts verändert heute“, stellt Duisberg gleich klar: „Der Landrat soll einen ganz normalen Alltag erleben.“ So bringt „Pfleger Günter“ den Bewohnern erst mal das Frühstück. Zum Mund geführt habe er den Pflegebedürftigen das Essen nicht, berichtet der Landrat hinterher: „Ich habe aber einem älteren Herrn hin und wieder den Mund und das Kinn abgeputzt.“ Kein Problem für den Hospitanten. „Das kenne ich von meinen Enkeln“, erzählt Rosenke.

Wichtig sei es, so sein Eindruck, den Menschen nicht nur das Essen zu bringen. „Sie wollen auch unterhalten werden“, sagt er. Hier kann der Landrat, zu dessen Kerngeschäft es bekanntlich gehört, den Kontakt zu den Bürgern zu halten, natürlich seine Stärken ausspielen. „Das macht er toll“, lobt denn auch Pflegedienstleiter Arno Brauckmann seinen Kurzzeit-Mitarbeiter: „Er kann sehr gut mit alten Menschen umgehen“. Rosenke hört’s gerne. „Ich bin ja selbst einer“, reagiert der 68-Jährige lachend auf das Lob.

Diskussion über Trump und die Welt

Wenig später in der Zeitungsrunde diskutiert Rosenke mit den älteren Menschen über die Artikel der Tagespresse, über Trump und die Welt. Erstaunlich, wie ältere Menschen mit all ihrer Erfahrung die Politik wahrnähmen, merkt Rosenke an. Einer habe Vergleiche mit Bismarck angestellt, den der Bewohner ja auch nur noch aus dem Schulunterricht kennen könne. „Ich habe viel gelernt“, bilanziert der Landrat.

Natürlich auch über die Arbeit der Pflegekräfte – etwa beim Umlagern der Pflegebedürftigen: „Damit eine vergleichsweise kleine Pflegerin eine 70 Kilo oder schwerere Person, die wegen ihrer körperlichen Gebrechen nicht mehr mithelfen kann, rückenschonend im Bett platzieren kann, braucht es ganz spezielle Griffe.“ Respekt klingt mit, wenn der Landrat darüber spricht.

„Gut, wenn man weiß, wovon man spricht“

Das sei ihm alles nicht neu, fügt er an, das kenne er von der Pflege seiner Eltern und Schwiegereltern: „Doch vielen, gerade jüngeren Menschen ist das nicht so bekannt.“ Darum wolle er dazu beitragen, zum einem die aufopferungsvolle Arbeit der Pflegekräfte in den Fokus zu rücken, zum anderem für den Pflegeberuf zu werben.

Schließlich hatte der Landrat das Thema Pflege im Kreis Euskirchen ganz nach oben auf die Tagesordnung der Kreispolitik gesetzt, als er sich Ende des vergangenen Jahres in einem Interview mit dieser Zeitung für die Einrichtung einer Pflegeschule im Kreis stark machte. „Da ist es gut, wenn man weiß, wovon man spricht“, findet er.

1100 Euro im ersten Ausbildungsjahr

Am Schreibtisch im Kreishaus im Pflegebedarfsplan nachzulesen, dass es bis 2040 doppelt so viele Pflegekräfte zwischen Weilerswist und Losheim wie heute brauche, sei das eine; mit Pflegerinnen und Pflegern an deren Arbeitsplatz zu sprechen und ihnen hier und da mal unter die Arme zu greifen, das andere: „Es ist eine Bereicherung.“ Dabei habe er erneut festgestellt, dass es den Pflegekräften nicht zuvorderst um Geld gehe: „Bei mir hat sich keiner über schlechte Bezahlung beklagt.“ Viel seien die Arbeitsbedingungen Thema. Da stimmt Malte Duisberg ein: „Mir sagen unsere Pflegekräfte: ,Klar, 50 Euro mehr wären immer nett, doch viel wichtiger ist es mir, bei der Arbeit zwei Hände mehr zu haben.’“

Mit 1100 Euro im ersten Ausbildungsjahr, rund 2700 Euro brutto beim Einstieg und später mit bis zu 3500 Euro Lohn müsse sich die Branche etwa im Vergleich mit einigen Handwerksberufen keineswegs verstecken – sofern, wie bei EVA, nach Tarif bezahlt werde, sagt der Geschäftsführer. Das Problem sei der Personalschlüssel, den die Einrichtungen mit den Pflegekassen und dem Landschaftsverband aushandeln müssen.

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Demnach werde in der (höchsten) Pflegestufe fünf für zwei Bedürftige eine Pflege kraft finanziert, erläutert Pflegedienstleiter Brauckmann. In Stufe drei liege der Schlüssel bei eins zu drei, in der Pflegestufe eins bei eins zu acht. „Damit müssen wir einen Dreischicht-Dienst an 365 Tagen im Jahr abdecken“, stellt er klar – samt Urlaubszeiten, Krankheitsausfällen und dem Abbau der nicht wenigen Überstunden.

Umso mehr zeigt sich Rosenke von der Arbeit beeindruckt: „Die Bewohner haben mir erzählt, dass sie sich hier sehr wohlfühlen.“ Das sei in erster Linie das Verdienst der Mitarbeiter. Nicht wenige von ihnen hätten sich bewusst für die Altenpflege entschieden, obwohl in der Krankenpflege bis zu 300 Euro im Monat mehr zu verdienen seien.

Womit der Landrat eine weitere Baustelle im Pflegebereich anspricht: Ab kommendem Jahr wird die Pflegeausbildung generalisiert. Erst nach zwei Jahren genereller Ausbildung können sich die Azubis dann entscheiden, ob sie sich im dritten und letzten Lehrjahr auf die Alten-, die Kranken- oder die Kinderkrankenpflege spezialisieren oder sich weiterhin für alle Bereiche ausbilden lassen wollen. Duisberg sieht das nicht ohne Sorge: Was, wenn die Azubis verstärkt mit den Füßen in Richtung Krankenhäuser abstimmen? Ohne Lohnangleichung für die Altenpfleger gehe es nicht.

Rosenke nickt. Seine Hospitanz habe ihm abermals vor Augen geführt, wie schön und wie wichtig zugleich der Beruf sei: „Die Pfleger übernehmen Verantwortung – nicht für Maschinen, sondern für Menschen.“