Bärbel Höhn und Volker Hoffmann gelten als „Eltern“ des Nationalparks. Nun erzählen die beiden von seinen Anfängen.
Gründung vor 20 Jahren„Eltern des Nationalparks“ – Zwei Norddeutsche prägten die Eifel
Wenn Volker Hoffmann spricht, hat man plötzlich den Geruch von Salzwasser in der Nase und das Kreischen von Möwen in den Ohren. Dabei ist Hoffmann im Wilden Kermeter unterwegs, die Nordsee mehr als 300 Kilometer weit entfernt, und statt Möwen ruft ein Kleiber von den Baumwipfeln. Hoffmann ist in Norddeutschland aufgewachsen.
Den Plattdeutsch-Einschlag hat er nicht verloren, obwohl er schon seit 35 Jahren in der Eifel lebt. Er hängt an seiner Heimat. Aber: „Ich bin genauso gerne in der Eifel. Ich liebe die Eifel.“ Wie groß diese Liebe ist, das hat Hoffmann vor mehr als 20 Jahren unter Beweis gestellt. Mit der Idee, einen Nationalpark zu gründen.
Vater des Nationalparks Eifel wird der 84-Jährige deshalb auch genannt. Diesen Titel will er aber nicht für sich allein beanspruchen. Ohne Wolfgang Krüger von Marwick (damals bei der Bezirksregierung), Thomas Griese (Staatssekretär a. D.), Thomas Neiß (NRW-Umweltministerium), Wolfgang Clement (NRW-Ministerpräsident von 1998 bis 2002), Norbert Bös (Rechtsanwalt) und Heiko Schumacher (erster Geschäftsführer des Nationalpark-Fördervereins) sowie die damaligen Bürgermeister, Verbände und biologische Stationen der umliegenden Kommunen und Kreise würde es den Nationalpark Eifel in seiner heutigen Form nicht geben, sagt er.
Und dann gab es da noch eine wichtige Frau. Die Mutter des Nationalparks, wenn man so will. Obwohl auch sie mit diesem Titel ihre Probleme hat. Bärbel Höhn war von 1995 bis 2005 Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen. Der Nationalpark Eifel sei eines ihrer Lebensprojekte gewesen, sagt die 71-jährige Grünen-Politikerin heute: „Das war ein Projekt, das hat geleuchtet.“
Ende der 1990er-Jahre war die Idee vom Nationalpark bloß Spinnerei
Beim gemeinsamen Spaziergang durch die Buchenwälder erinnern sich die beiden an die Anfänge. Zum ersten Mal rumgesponnen habe er mit der Idee Ende der 1990er-Jahre, sagt Hoffmann. Damals habe der Kreis Euskirchen FFH-Gebiete nachmelden müssen, und beim Blick auf die Karten begannen sie zu träumen: „Wenn das Militär nicht wäre, wäre das ein schönes Gebiet für einen Nationalpark.“ Doch mehr als eine Spinnerei sei das damals nicht gewesen, sagt Hoffmann.
Dann kam das Narzissenfest im Jahr 2000. Hoffmann war mit Krüger von Marwick von der Bezirksregierung verabredet. Und, ohne dass sie vorher darüber gesprochen hätten, habe dieser ihm genau das vorgeschlagen: einen Nationalpark gründen, auf dem Übungsgelände des belgischen Militärs rund um Vogelsang. Ab da wurde die Idee konkreter. Vor allem, als die Belgier 2001 den Abzug ihrer Soldaten ankündigten.
Staatssekretär der Grünen sprach sich zunächst gegen Nationalpark aus
Dann habe es eine Versammlung in Nettersheim gegeben, erinnert sich Hoffmann weiter. Da habe Staatssekretär Griese zum Thema Nationalpark gesagt: „Nicht mit uns. Nicht mit den Grünen.“ Daraufhin habe er den Saal ziemlich wütend verlassen. Bei der darauffolgenden Landesdelegierten-Konferenz der Grünen war dann auch Bärbel Höhn dabei. „Sie kam rein und drohte mir mit dem Finger“, erzählt Hoffmann. Das habe er bis heute nicht vergessen. Sie sei sauer gewesen, weil sie von dem Streit um die Idee des Nationalparks Eifel bei der Versammlung in Nettersheim aus der Zeitung erfahren habe.
So genau könne sie sich daran nicht erinnern, sagt Höhn. Aber ausschließen, dass es so war, will sie auch nicht. Inhaltlich seien alle Grünen für einen Nationalpark gewesen, auch Griese, beteuert sie. Doch manch einer habe sich um Wählerstimmen gesorgt. „Das eigentliche Problem war, dass jeder Nationalpark in Deutschland gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt wurde“, berichtet Höhn: „Deshalb waren wir zögerlich.“
Ein Förderverein mit mehr als 1000 Mitgliedern wurde gegründet
Doch in der Eifel habe es im Vergleich zu anderen Nationalpark-Gründungen einen entscheidenden Vorteil gegeben: Das Gebiet, um das es ging, wurde bereits jahrzehntelang nicht von der Bevölkerung genutzt. Im Gegenteil: Während die Belgier da waren, war es Sperrgebiet. Man habe also niemandem etwas weggenommen, so Höhn: „Dann haben wir uns sehr viel überlegt, wie wir die Bevölkerung mit ins Boot holen können. “
Ein Förderverein wurde gegründet. Mit mehr als 1000 Mitgliedern. „Das war der Knackpunkt“, sagt Hoffmann heute:„Der hat das nach außen getragen.“ Obwohl die erste Sitzung des Vereins ziemlich chaotische verlaufen sei und auch nicht jeder in der Eifel von Anfang an überzeugt gewesen sei. „Es haben alle mitgezogen nachher“, sagt Hoffmann. Mit so viel Rückhalt in der Bevölkerung sei in Westdeutschland zuvor kein Nationalpark gegründet worden, beteuert Höhn: „Da sind wir stolz, dass wir das geschafft haben.“
Die schönste Erinnerung an die Zeit damals sei für sie daher das von vielen Menschen aus der Region geknüpfte 110 Kilometer lange Geschenkband, welches am Tag der Eröffnung (11. Januar 2004) einmal um den Nationalpark herumgelegt wurde. „Das ist meine schlimmste Erinnerung“, sagt Hoffmann und muss lachen: „Meine Frau und ich haben die ganzen Feiertage nur Geschenkband aufgewickelt.“ Keine besonders schöne Aufgabe, auch wenn das Symbol natürlich toll gewesen sei. „Für mich das Schönste war der 1. Januar 2004“, sagt Hoffmann. Der Tag, ab dem es den Nationalpark offiziell gab. Mit etwa 30 Leuten habe er in diesen Tag im Hotel Friedrichs hinein gefeiert und den Nationalpark mit Feuerwerk begrüßt.
„Das ist für mich mein Lebensprojekt gewesen“, so der 84-Jährige. Entsprechend viel Zeit, Geld und Nerven hat er zusammen mit seiner Frau dort hineingesteckt. Urlaub haben sie damals keinen gemacht. „Der ganze Nationalpark hat uns weit über 20.000 Euro gekostet, privat“, berichtet er. Hat sich das im Rückblick für ihn gelohnt? „Das Große und Ganze muss man sehen. Und das hat sich gelohnt!“
Der Nationalpark hat seinen „Vater“ privat mehr als 20.000 Euro gekostet
Im Kleinen und Halben gibt es dann schon Entwicklungen, die ihn stören. Die breiten Wege zum Beispiel. Wenn es nach ihm ginge, sollte die Natur noch mehr Raum bekommen. Für ihr Wandergefühl seien die Wege hier tatsächlich auch zu breit, pflichtet ihm Höhn bei. Doch das liege ja auch daran, dass die Wege am Wilden Kermeter so angelegt seien, dass sie auch mit Rollstuhl und Kinderwagen zu bewältigen seien. An anderen Stellen im Nationalpark gebe es auch kleinere, verschlungenere Pfade.
Die beiden sind nicht mehr oft im Nationalpark unterwegs. Höhn, weil sie im Ruhrgebiet wohnt, und Hoffmann, weil es ihm Zuhause in Schmidtheim genauso gut gefällt. Wenn sie dann aber einmal hier unterwegs sind, dann fällt ihnen auf, wie sich der Wald entwickelt. „Schon schön, was daraus geworden ist“, sagt Höhn.
Auf dem Weg zurück zum Parkplatz kommen sie an einer Fläche voller umgestürzter Bäume vorbei. „Hier bin ich gespannt, was da raus kommt“, sagt Hoffmann. Nicht jeder Tourist habe ja Verständnis für diese vermeintliche „Unordnung“ im Nationalpark, stellt er etwas belustigt fest.
Zwischen Höhn und Hoffmann ist über die Gründung des Nationalparks eine echte Freundschaft entstanden. Dass auch Höhn in Norddeutschland geboren und aufgewachsen ist, ist dabei purer Zufall. Auch ihr ist die alte Heimat ein wenig in der Stimme anzuhören. So hat die Eifel ihren Nationalpark maßgeblich zwei Nordlichtern zu verdanken.
Die Hauptstadt?
Schon seit einige Zeit bezeichnet sich die Stadt Schleiden als Nationalparkhauptstadt. Diesen Titel hat sich selbst verliehen und nie von irgendeiner offiziellen Stelle erhalten. Nun aber bekommt sie dafür den Segen von einem der Nationalparkväter.
„Ich finde das vollkommen in Ordnung“, sagt Volker Hoffmann. Christoph Lorbach sei damals der erste Bürgermeister gewesen, mit dem er über die Idee, einen Nationalpark zu gründen, gesprochen habe. Und dieser habe ihn gleich unterstützt. Die Schleidener habe er zuerst überzeugen können. Der Titel Nationalparkhauptstadt stehe ihr zu. „Meines Erachtens sind sie das“, sagt Hoffmann.