AboAbonnieren

SelbsterfahrungBarfuß in ein neues Leben

Lesezeit 4 Minuten

Luzia Falkenberg-Lehner trägt niemals Schuhe. Ihre Fußsohlen sind mittlerweile fast so robust wie Schuhe. Selbst den Tritt in einen Reißzwecken haben sie überstanden.

Heimbach – Es war an einem kalten Sonntagmorgen, als Luzia Falkenberg-Lehner wie immer barfuß zum Bäcker ging.

Auf dem Weg dorthin hörte sie, wie sich ein älteres Ehepaar offensichtlich über sie unterhielt. "Oh nee, wat et doch für ärm Löck jet", sagte der Mann damals zu seiner Ehefrau. "Ich fand das so lustig", kommentiert Falkenberg-Lehner die morgendliche Begegnung.

Barfuß auch bei Frosttemperaturen

Was der gute Mann nicht wusste: Die 62-Jährige läuft immer mit nackten Füßen durch die Gegend. "Ja, auch bei Frosttemperaturen. Dann muss ich schon ein bisschen schneller gehen, damit ich nicht am Asphalt festfriere", erzählt sie im Gespräch mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Luzia Falkenberg-Lehner ist Pflegedienstleiterin im Pflegewohnheim Michels in Hergarten, und auch bei der Arbeit trägt sie keine Schuhe.

Alles zum Thema Bläck Fööss

"Ich besitze überhaupt keine", erklärt sie. Vor 25 Jahren war Luzia noch ein "richtiges Hausmütterchen" mit vier Kindern und Ehemann, von dem sie sich wenig später trennte. "Andere Frauen in meinem Alter haben damals Yoga-Kurse besucht oder afrikanische Trommel-Workshops gemacht, um wieder ins seelische Gleichgewicht zu kommen. Ich habe einfach meine Schuhe ausgezogen", so die Altenpflegerin.

Sie war schon vorher häufig "op bläck Fööss" unterwegs, was ihren Ex-Mann stets auf die Palme brachte. "Entweder du ziehst dir Schuhe an oder ich nehme dich nicht mit", soll er damals gesagt haben. "Für mich war das wie eine Befreiung. Ich habe mich quasi auf eigene Füße gestellt und alle Schuhe auf einen Schlag weggeworfen", so Falkenberg-Lehner.

"Kriegen Sie keine Blasenentzündung?"

Ihr jetziger Mann hat sie bereits als Barfuß-Läuferin kennen gelernt und entsprechend viel Verständnis. Aber natürlich sorgt jemand, der auf nackten Sohlen durch den Schnee läuft, für Aufsehen. "Ich habe schon den einen oder anderen Beinahe-Unfall verursacht", meint sie schelmisch. Weshalb sie häufig einen bodenlangen Mantel trägt, damit die fehlende Fußbekleidung nicht gleich auffällt.

Männer und Frauen reagieren im Übrigen ganz unterschiedlich auf Luzia Falkenberg-Lehner. Die Frauen fragen meistens: "Kriegen Sie keine Blasenentzündung?" Die Männer äußern sich dagegen überwiegend begeistert über die fehlenden Schuhe, so nach dem Motto: "Guck mal, Hilde, da könnten wir viel Geld sparen."

Mit kalten Füßen hat die Heimbacherin jedenfalls keine Probleme, mit Verletzungen auch nicht, denn die Hornhaut ist so hart und dick wie eine Schuhsohle. "Einmal habe ich mir einen Reißzwecken reingetreten. Den habe ich aber erst nach Tagen bemerkt. Der war schon ganz angerostet", erzählt sie.

Aber das Barfuß-Laufen hat, vom gesundheitlichen Gesichtspunkt einmal abgesehen, nicht nur Vorteile. Luzia Falkenberg-Lehner und ihr Mann werden zum Beispiel in Cafés und Restaurants mitunter nicht bedient, in manche Häuser werden sie gar nicht erst reingelassen. Probleme gab es bei Ikea und im Phantasialand, aber auch im Dali-Museum im spanischen Figueres.

"Wir sind damals extra 80 Kilometer bis dorthin gefahren, und die wollten mich partout nicht reinlassen. Mein Mann wollte mir Schuhe kaufen, aber das ging mir gegen den Strich", erinnert sich die Heimbacherin. In einem Türkei-Urlaub wurde die Barfuß-Frau sogar beschimpft. In einer Zülpicher Disko gewährte der Türsteher ihr erst den Zutritt, nachdem sie eine glühende Zigarette mit nacktem Fuß ausgetreten hatte.

"Leider fordert mich außer meinem Mann niemand zum Tanzen auf, aus Angst, mir auf die Füße zu treten", erzählt sie lachend. Um Letzteres im Alltag zu verhindern, hat sie ihre Fußnägel fast immer in schrillen Farben lackiert. Mittlerweile ist sie inihrer Familie nicht mehr die einzige, die auf Schuhwerk verzichtet. Sohn Sebastian, der ebenso wie eine ihrer Töchter im Hergartener Pflegeheim arbeitet, ist ebenfalls passionierter Barfuß-Läufer.

"Das ist schon was Feines, wenn man nach einem deftigen Regen im Sommer über die aufgeweichten Feldwege läuft", schwärmt Luzia Falkenberg-Lehner. Geht man davon aus, dass sich eine normale Frau etwa drei Paar Schuhe pro Jahr zu je 100 Euro gönnt, hat die 62-Jährige in den vergangenen 25 Jahren 7500 Euro gespart.

Wirklich negative Erfahrungen hat die Heimbacherin mit ihrer Passion nur selten gemacht: "Na klar, wenn im Winter Salz gestreut wird, merkt man das schon an den Füßen.

Das ist sehr unangenehm." Einmal machte sie Bekanntschaft mit einem Fußfetischisten, der ihr nicht ganz geheuer war. Ansonsten ist Luzia Falkenberg-Lehner rundum glücklich, auf bloßen Füßen durch die Welt zu laufen.