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EhrenamtEuskirchenerin will den Ruhestand nicht wörtlich nehmen

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau in schwarzer Bluse und heller Hose lehnt an einer schwarz gekachelten Hauswand.

Vor dem neuen Vereinsstandort von Feder mitten in der Euskirchener City steht Marlies Rokitta-Liedmann.

Marlies Rokitta-Liedmann ist 70 Jahre alt und unter anderem Flüchtlingshelferin, Sprachpatin, Hospizhelferin und neues Sprachrohr von Feder.

Den lieben langen Tag nur herumsitzen und Kaffee trinken? „Nein, das ist überhaupt nicht meins!“, sagt Marlies Rokitta-Liedmann energisch und lacht. Wer der 70-Jährigen begegnet, spürt augenblicklich die übersprudelnde Energie, mit der sie ausgestattet ist. Die langjährige Dozentin der Fachhochschule für Rechtspflege in Bad Münstereifel hat früh beschlossen, ihren Ruhestand, in den sie 2019 eintrat, nicht wörtlich zu nehmen.

Erbrecht und Zwangsversteigerungen waren beruflich ihre Gebiete. „Ich habe immer an meine Studentinnen und Studenten appelliert, das Herz bei ihrer Arbeit nicht auszuschalten“, sagt Rokitta-Liedmann. Und genau dem fühlt sie sich selbst verpflichtet: „Ich bin einfach nur zufällig hier geboren worden und habe dadurch Privilegien, die andere Menschen nicht haben. Ich finde es deshalb nur richtig, sich ehrenamtlich einzubringen, etwas zurückzugeben.“

Ehemann verstarb vor seiner Pension

Ihre Zeit nach dem Berufsleben mit ihrem Ehemann zu verbringen, der ihr 30 Jahre zuvor in die Eifel gefolgt war, ist ihr leider nicht vergönnt. „Mein Mann hat seine eigene Pension nicht mehr erlebt, er ist vor ein paar Jahren gestorben“, erzählt sie. Marlies Rokitta-Liedmann zog daraufhin in eine Wohnung in der Euskirchener City, von der aus sie fußläufig alles und jeden erreichen kann – und „immer jemanden treffe, sobald ich vor die Tür gehe“.

Rokitta-Liedmann ist eine Macherin, die keine Scheu hat vor Ämtern und Behörden, die fließend Englisch und Französisch spricht und die deutsche Sprache liebt. Dass sie mit Begeisterung beim Sprachpatenprojekt Smile mitwirkt und darüber hinaus bei der Caritas Deutschkurse für Geflüchtete gibt, passt gut zu ihr. „Gerade habe ich einen neuen Deutschkurs begonnen“, sagt sie. Herausfordernd sei das, denn die Menschen könnten unterschiedlicher kaum sein: „Vom Akademiker bis zur Frau, die mit zehn Jahren zwangsverheiratet wurde und keinen Bildungshintergrund hat.“ Doch das spornt sie eher an: „Mir macht das eine Riesenfreude!“

Syrische Jungs durchs Abitur begleitet

Als der Jugendmigrationsdienst ihr vor einigen Jahren eine syrische Familie vermittelte, begleitete sie diese mit vollem Einsatz: „Die beiden Söhne haben mittlerweile Abitur gemacht, und auch das schwierige Asylverfahren ist gut zu Ende gebracht worden.“ Mit der Familie sei sie weiter freundschaftlich eng verbunden.

Während der Corona-Zeit hat sich Marlies Rokitta-Liedmann dann auch noch bei der Caritas zur Hospizhelferin ausbilden lassen und schwer Erkrankte auf ihrem letzten Weg begleitet: „Eine sehr spannende und intensive Arbeit.“ Dass sie zweite Vorsitzende des noch jungen Städtepartnerschaftsvereins Euskirchen ist, sei eher ein Zufall, so Rokitta-Liedmann: „Ich wollte nur zur Gründungsveranstaltung gehen.“

Euskirchenrin ist neue Sprecherin für das Forum Ehrenamt

Im April dann habe sie den Ehrenamtstag in Euskirchen besucht. Am Stand des Forums Ehrenamt (Feder) sei sie mit den beiden Vorsitzenden Harald Nöttel und Hildegard Schmadel ins Gespräch gekommen. „Ich hatte schon gelesen, dass der Verein jemanden für Presse und Öffentlichkeitsarbeit sucht“, erzählt Rokitta-Liedmann.

Der Vorstand zeigte sich sehr interessiert, auch wenn der Verein noch einige Monate warten musste, denn Rokitta-Liedmann hatte noch eine OP mit anschließender Reha hinter sich zu bringen. „Die Vorstellung, Sprachrohr eines Vereins zu sein, der das Ehrenamt fördert, hat mir auf Anhieb gut gefallen“, sagt sie. Seit August füllt sie den Posten aus. „Ich bin gerade noch dabei, die Bereiche und Projekte von Feder besser kennenzulernen.“

Langweilig wird es Marlies Rokitta-Liedmann ganz gewiss nicht. Es gibt für sie immer etwas zu tun. „Alles andere würde mich auch wahnsinnig machen. Ich finde, dass man Fähigkeiten und Talente, die man hat, sinnvoll einbringen sollte.“ Auch oder erst recht im Ruhestand.