Viele wohnungslose Menschen sind bei hohen Temperaturen besonders gefährdet. Die Caritas in Euskirchen rückt zur Unterstützung aus.
„Eine geile Aktion!“Wie sich die Caritas in Euskirchen im Sommer um Wohnungslose kümmert
Bei 34 Grad liegt ein Mann mit hochrotem Kopf auf einer abschüssigen Rasenfläche und rührt sich nicht. Markus Niederstein nähert sich ihm, spricht ihn mehrfach mit seinem Vornamen an. Erst auf eine vorsichtige Berührung reagiert der Mann. Niederstein hilft ihm, sich aufzusetzen.
Doch kurze Zeit später kippt er nach vorne, sichtlich geschwächt von der Hitze. Ein anderer Mann kommt zur Hilfe. Zu zweit bringen sie den Angeschlagenen zu einer Parkbank, Niederstein versorgt ihn mit einem Tetra Pak Wasser und einem Wassereis.
Diese Szene im Park am Disternicher Torwall, auch bekannt als „Hundepark“, ist kein Einzelfall. Martin Niederstein ist Sozialpädagoge bei der Caritas in Euskirchen, die beiden anderen Männer sind Wohnungslose. Gerade für diese Gruppe können Hitze im Sommer und Kälte im Winter lebensgefährlich sein.
Bei heißen Sommertagen in Euskirchen: Caritas-Teams bringen Abkühlung
„Seit 2022 gibt es die Hitzehilfe oder Sommernothilfe über das Land NRW“, so Maria Surges-Brilon, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Caritas Euskirchen: „Die Winterhilfe gibt es deutlich länger.“ Surges-Brilon sieht den Hilfsbedarf im Sommer auch in einem Zusammenhang mit den nachweislich steigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels.
Während Niederstein und seine Kollegin von der Wohnungslosenhilfe der Caritas, Sozialarbeiterin Rebecca Kempf, im Winter warme Kleidung, Schlafsäcke und heiße Getränke verteilen, sind es bei hohen Temperaturen Wasser, Eis, Sonnencreme und spezielle, kühlende Handtücher. All dies haben die beiden in einen Bollerwagen gepackt.
Sie und ihre Kollegen sind im Sommer zusätzlich zu den regulären Runden in der Stadt unterwegs, um nach den Wohnungslosen zu schauen. In der Regel machen sie sich nach mittags auf den Weg, da einige Wohnungslose bis zum Mittag in den Räumen der Hilfseinrichtung bleiben, bis es auch dort zu warm wird.
Ihre Hilfsmittel sind klein und handlich. Im Lauf der etwa zweistündigen Runde durch die Innenstadt finden einige der Handtücher, die durch das Befeuchten mit Wasser ihre kühlende Wirkung entfalten, ihren Weg auf die Schultern von Menschen, die mit der zusätzlichen körperlichen Belastung aufgrund der Hitze kämpfen.
Wohnungslose suchen in Parks Schutz vor der Hitze in der Stadt
Die erste Station liegt am „Hundepark“. Kempf und Niederstein gehen Orte ab, an denen sich die Wohnungslosen häufig aufhalten. „Gerade bei diesen Temperaturen sind Parks bei Wohnungslosen beliebt“, erläutert Kempf. Das Wetter ist drückend heiß, ein sommerliches Gewitter bahnt sich an. Neben dem zunächst regungslosen Mann sucht eine Gruppe wohnungsloser Menschen hier nach Schatten.
Unter ihnen ist eine Frau mit gerötetem Kopf. Sie trinkt ein Bier. Niederstein sagt ihr, dass sie vorsichtig sein solle, reicht ihr Wasser und Wassereis. Eine andere Frau kommt zum Bollerwagen, deckt sich für sich und ihren Freund ein. Kurze Zeit später tauscht ein Mann seine leere Bierflasche gegen Wasser und kommt mit Niederstein ins Gespräch über seine Schlafsituation – es sei schlicht zu warm.
Die Hilfsaktion findet in der Gruppe Anklang – vor allem das Gratis-Wasser. „Wenn nichts da ist, ist nichts da, dann muss ich Pfandflaschen sammeln, um etwas Flüssiges zu haben“, merkt ein Mann im blauen Shirt an. Ein 47-Jähriger kommentiert: „Das ist eine geile Aktion! Das haben sie letztes Jahr auch schon gemacht. Die anderen freuen sich und trinken mal etwas anderes als Bier.“ Niederstein spricht den hohen Alkoholkonsum an und verweist auf die Zusatzbelastung bei Hitze. Er schafft es, dabei nicht belehrend zu wirken.
Caritas: Psychische Probleme bei Wohnungslosen nehmen zu
Auf dem Weg zum nächsten Halt am Bahnhof sagt er zu dem Mann, dem er im Park auf die Beine geholfen hat: „Uns geht es nicht anders als ihm, wir haben es nur anders im Griff.“
Dass die Hilfe in der Art angenommen werde, liege daran, dass die Wohnungslosen Kempf und Niederstein schon durch die Tagesstätte kennen. Die Straße sei ihr Wohnzimmer, in dem das Caritas-Team zu Besuch sei. Allerdings: Sowohl auf der Straße als auch in den Fachberatungen wird ausschließlich in Zweier-Teams gearbeitet. Als Grund gibt Niederstein die Zunahme psychischer Probleme bei Wohnungslosen in den letzten Jahren an: Die Betroffenen seien dadurch oft schlechter einschätzbar.
Ein Mann hilft spontan beim Verteilen des Wassers
Kaum am Bahnhof angekommen, nähert sich ein Mann in einem schwarzen, kurzärmeligen Hemd und begrüßt Kempf und Niederstein mit Handschlag. Nachdem die beiden ihm bei der Vermittlung einer Wohnung geholfen haben, bringe er ihnen gelegentlich Essen vorbei. Sie kommen erneut mit verschiedenen Menschen ins Gespräch. Fragen nach, ob ein Mann seine Schwester mittlerweile angerufen habe. Scherzen über den Zuckergehalt des Eises. Hören sich diverse Klagen an. Gleichzeitig stoßen der Mann im schwarzen Hemd und eine Wohnungslose mit ihren frisch ausgegebenen Tetra Paks an.
Die nächste Station ist der Park am ehemaligen City-Forum. Kurzzeitig regnet es, ein Donnern ist zu hören. Heiß ist es trotzdem. Der Mann im schwarzen Hemd hat sich spontan angeschlossen und packt bei der Verteilung der Hilfsmittel mit an. Teilweise machen die Menschen erst ablehnende Gesten, aber kaum jemand lehnt ein kühlendes Getränk ab. Bevor es zu dem letzten Halt am Viehplätzchen weitergeht, verabschiedet sich der Mann und kündigt an, bald wieder Essen vorbeizubringen.
Handliche Sachspenden sind hilfreich
Am Viehplätzchen angelangt, nehmen vier Personen noch etwas Wasser an. Der Platz ist weniger gut besucht als erwartet. Am Ende der Runde hat sich der Wagen deutlich geleert, das letzte Wassereis ist flüssig. Zurück in den Räumen der Wohnungslosenhilfe verstauen Kempf und Niederstein die übrig gebliebenen Sachen für ihre nächste Runde.
Die hohen Temperaturen, betont Surges-Brilon, sind eine Gefahr für die ungeschützten Wohnungslosen. Neben den öffentlichen Mitteln können Spenden, zum Beispiel in Form von handlichen Hygieneprodukten, Sonnenschutzcremes und Fächern direkt bei der Wohnungslosenhilfe (Kommerner Straße 21 in Euskirchen) abgegeben werden.