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Hilft auch bei Eifeler PlattWie ein Euskirchener Pflegeheim Künstliche Intelligenz einsetzt

Lesezeit 4 Minuten
Jennifer Greuel sitzt bei einer Bewohnerin und hält das Handy vor sich, um die Daten und die Befindlichkeit der alten Dame zu dokumentieren.

KI im Senioren-Park: Jennifer Greuel, stellvertretende Wohnbereichsleiterin, spricht den Pflegebericht ins Handy.

Die Dokumentation nervt Pflegekräfte. Eine Euskirchener Einrichtung setzt dafür Künstliche Intelligenz ein. Zeit für eine erste Bilanz.

Anfangs seien einige Bewohner schon etwas irritiert gewesen, erzählt Ewa Nowroth-Beckers. „Immer diese jungen Menschen mit ihren Handys“, habe es geheißen. Inzwischen sei aber bekannt, dass die Pflegekräfte während der Arbeit keine Kinobesuche per WhatsApp mit Freunden verabreden, sondern ihrer Tätigkeit nachgehen – nur halt anders als bisher, ergänzt die Leiterin des Senioren-Parks carpe diem in Euskirchen.

Seit Anfang August hat die Künstliche Intelligenz (KI) hier verstärkt Einzug gehalten. Jennifer Greuel zeigt es an einem anonymisierten und fiktiven Beispiel. „Bewohnerin X ist heute zur Kurzzeitpflege eingezogen. Ihr Mann hat sie ins Zimmer gebracht. Medikation und Medikamentenplan hat er abgegeben“, spricht die stellvertretende Wohnbereichsleiterin ins Smartphone.

Euskirchener Pflegeeinrichtung setzt auf die moderne Technik

In der Realität sind solche Berichte natürlich ausführlicher. Umso schöner sei es, sagt Greuel, dass ihre Kollegen und sie nun entlastet würden. Bisher habe sie nach einer solchen Bewohner-Neuaufnahme oder bei der täglichen Dokumentation nach dem Aufsuchen der Bewohner erst mal ins Büro gehen müssen, um Daten über Blutdruck, Puls oder Herzfrequenz sowie Berichte über Stimmung, Trink- oder Schlafverhalten mühsam in den Computer zu tippen.

Nun schaut sie noch mal über den automatisch in Schriftform entstandenen Text auf dem Smartphone, nimmt, wenn nötig, hier und da noch eine kleine Änderung vor, drückt auf „Speichern“ – und geht zum nächsten Bewohner. Den Rest macht Kollegin KI.

Ich kann die Zeit für Gespräche mit den Bewohnern nutzen. Denn nur dabei erfahre ich etwas über deren Befindlichkeit.
Jennifer Greuel, Pflegekraft

Die sortiert sogar das Gesprochene in die entsprechenden Kategorien wie Allgemeinzustand/Befindlichkeit, Medikamente oder Einzug/Aufnahme. Wichtige Dinge würden automatisch fett geschrieben, damit nach Schichtwechsel auch die Kollegen wüssten, was zu tun sei. Denn alle zuständigen Kräfte sind miteinander vernetzt – inklusive der Betreuungskräfte, die mit den Bewohner das machen, was ihnen gut tut: Spazierengehen etwa, Gymnastik, Gesellschaftsspiele oder Singkreis.

Mit der KI sparen die Pflegekräfte in Euskirchen eine Menge Zeit

„Früher dauerte die Aufnahme eines neuen Bewohners etwa jeweils drei Stunden an den ersten sieben Tagen, heute lässt sich das in drei Stunden insgesamt erledigen“, erläutert Einrichtungsleiterin Nowroth-Beckers. Die KI sei auch in der Lage, Besonderheiten im aufgezeichneten Aufnahmegespräch zu erkennen: Sagt ein Pflegebedürftiger etwa, dass er in den letzten Wochen dank der Tabletten keine Schmerzen mehr im Knie habe, zieht die KI sinngemäß den Rückschluss: Herr X hatte Schmerzen. Bitte beim Schmerzmanagement darauf achten, immer wieder mal nachfragen, ob's wieder wehtut!

„Oder wenn ein Angehöriger oder Arzt wissen will, wie der Blutzucker heute Morgen war, können wir ihnen sofort auf dem Smartphone das komplette Diagramm der letzten sieben Tage zeigen“, nennt der stellvertretende Pflegedienstleiter Sepi Domagoj eine weiteren Vorzug.

Erleichterung für Mitarbeiter soll Fachkräftemangel bekämpfen

Wie bei allen Neuerungen habe es anfangs auch skeptische Stimmen unter den Pflegekräften gegeben, gesteht Nowroth-Beckers: „Die Nutzung ist auch freiwillig.“ Inzwischen habe sich aber die Skepsis fast vollständig gelegt.

Jennifer Greuel wundert das nicht. „Die Motivation ist definitiv gestiegen“, freut sie sich über diese Entlastung. Sie habe nun nicht mehr den Zeitdruck, noch an den Computer zu müssen: „Ich kann die Zeit für Gespräche mit den Bewohnern nutzen. Denn nur dabei erfahre ich etwas über deren Befindlichkeit.“

Das nutze den Bewohnern, weil sie zielgerichteter und umfangreicher betreut werden könnten, sowie den Pflegekräften, sagt Greuel. Sie habe vor 14 Jahren den Beruf schließlich nicht ergriffen, weil sie unbedingt die Hälfte der Arbeitszeit am PC verbringen wollte, sondern wegen des helfenden Umgangs mit Menschen.

Wie bei WhatsApp: Sprechen ins Smartphone statt Tippen am PC

Das mache den Arbeitsplatz attraktiver, so Nowroth-Beckers. Neben dem guten Arbeitsklima sei das auch ein Grund, warum carpe diem in Euskirchen keine Nachwuchsprobleme habe: „Im Gegenteil“, sagt die Leiterin: „Im Oktober fangen 22 Azubis bei uns an.“

Dass das eher eine Ausnahme in der Branche ist, bestätigt Julia Günter, Marketingleiterin von carpe diem. Der Standort Euskirchen steche in diesem Bereich positiv heraus – auch unter den insgesamt 35 Einrichtungen von carpe diem. Bis Ende des Jahres sollen alle diese Häuser, in denen sich insgesamt 3500 Mitarbeiter um rund 6100 Kunden kümmern, mit der KI ausgestattet sein: nicht, um Personal einzusparen, wie Günter versichert, sondern um die Jobs attraktiver zu machen.

Da helfe die KI – auch weil in der Pflege Menschen aus vielen Nationen arbeiten, die vielleicht noch nicht so gut Deutsch oder beispielsweise ausschließlich Eifeler Platt sprechen. Die KI erkennt laut carpe diem nämlich Akzente und Dialekte und korrigiert Rechtschreibung und Grammatik. Ganz automatisch.


carpe diem versichert: Die Daten der Bewohner sind sicher

„Der Datenschutz wird über die App-Anbieter direkt gewährleistet“, sagt carpe-diem-Marketingleiterin Julia Günter. Die Daten werden in einer Cloud gespeichert und nicht auf dem Handy. „Man kann sich also auch nichts vom Handy runterziehen“, so Günter im Gespräch mit dieser Zeitung.

Unbefugte haben keinen Zugriff, ergänzt Einrichtungsleiterin Ewa Nowroth-Beckers: „Die KI erkennt teilweise auch Stimmenlagen.“ Die Smartphones dürfen laut carpe diem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nicht mit nach Hause nehmen. Sie werden in der Einrichtung aufgeladen.

Die App, so fasst es carpe diem in einer Broschüre zusammen, sei mit Fokus auf Datenschutz gemäß aktueller Datenschutzgrundverordnung entwickelt worden und werde ständig weiterentwickelt.