3000 NeubürgerQuartier hinter dem Bahnhof in Euskirchen soll mit Fernwärme versorgt werden

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Das Bild zeigt das Areal der Steinzeugwerke aus der Luft. Es ist aktuell eine Brachfläche.

Im Bereich der ehemaligen Westdeutschen Steinzeugwerke soll ein neues Stück Euskirchen entstehen. Ein Quartier für etwa 3000 Menschen. Das Areal wird an ein Fernwärmenetz angeschlossen.

Das neue Wohnquartier auf dem Areal der Westdeutschen Steinzeugwerke in Euskirchen wird die e-regio mit Fernwärme versorgen. Auch das Rathaus wird angeschlossen.

Ein neues Stück Euskirchen wird auf dem Areal der ehemaligen Westdeutschen Steinzeugwerke entstehen. Ein Wohnquartier für etwa 3000 Menschen samt Kita, Nahversorgung, Dienstleistungen, Gewerbe, Gastronomie und einem großen Anteil Grünfläche sind auf dem 13 Hektar großen Areal zwischen Pützbergring, Alfred-Nobel- und Gottlieb-Daimler-Straße geplant.

Maike Krallinger, Niederlassungsleiterin Köln des Projektentwicklers „Die Wohnkompanie NRW“, bezeichnet das neue Veedel in der City Süd auch gerne als 15-Minuten-Stadt. „Damit ist gemeint, dass man den Bedarf des täglichen Lebens innerhalb einer Viertelstunde decken kann. Sei es Einkaufen, Kinderbetreuung, Schule, Behördengänge, der kurze Weg in die Innenstadt und so weiter“, erklärt sie.

Quartier bei den Steinzeugwerken erhält einen großen Park

Und das Quartier, das in Bezug auf die Westdeutschen Steinzeugwerke und den geplanten 11.500 Quadratmeter großen Park künftig unter „Werk & Wiese“ firmiert, wird eine Besonderheit erhalten. Die Quartierentwicklung wird mit dem bereits begonnenen Neubau des Rathauses der Kreisstadt als Initialzünder für den Aufbau des klimaschonenden Fernwärmeversorgungsnetzes durch die e-regio fungieren.

Die Energieversorgung durch ein Fernwärmenetzwerk wird ein Leuchtturmprojekt, das über die Region hinaus strahlen wird.
Stefan Dott, Geschäftsführer der e-regio

„Die Energieversorgung durch ein Fernwärmenetzwerk wird ein Leuchtturmprojekt, das über die Region hinaus strahlen wird“, sagte Stefan Dott, Geschäftsführer bei e-regio, bei der Unterschrift der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Energiedienstleister und dem Projektentwickler.

Fernwärme bedeutet, dass es in einem Wohnhaus keine eigene Heizanlage gibt. Stattdessen erzeugt ein Kraftwerk Wärme, die über Leitungen zu den Nutzern strömt. Bei „Werke & Wiese“ soll das Kraftwerk laut Dott in unmittelbarer Nähe zum Quartier errichtet werden.

e-regio will 2040 nur noch klimaneutral Wärme erzeugen

Der Vorteil der Fernwärme ist dem Geschäftsführer zufolge, dass das kostenintensive Heizen einzelner Gebäude entfällt. Stattdessen werde auf die klimaoptimierte Versorgung der ganzen Quartierentwicklung gesetzt, so Dott: „Dafür möchten wir die vorhandenen ökologischen Wärmequellen vor Ort nutzen, beispielsweise regionales Biomethan.“

Das Bild zeigt eine Visualisierung des Wohn- und Arbeitsquartier auf dem Areal der Steinzeugwerke. In der Mitte ist ein großer Park vorgesehen.

So soll das Quartier „Werk & Wiese“ auf dem Gelände der Steinzeugwerke aussehen.

Das Unternehmen treibe die Wärmewende in der Region aktiv voran. Dott: „Bis 2040 wollen wir unserer Region zu 100 Prozent mit klimaneutraler Wärme versorgen. Auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft ist das jetzige Projekt ein Meilenstein für unser Unternehmen.“

Dabei habe die e-regio, so Geschäftsführer Dott, die Zukunft im Blick und es werde so geplant, „dass die im Quartier nach und nach fertiggestellten Gebäude zuverlässig versorgt werden und es möglich ist, zukünftig auch weitere Quartiere oder Unternehmen anzuschließen“.

„Werk & Wiese“: Kooperation der Partner ein einzigartiger Faktor

Es sei eine besondere Art der Wärmeerzeugung, weil sie CO2-optimiert, klimaschonend und versorgungssicher sei. „Das ist genau das, was alle seit Monaten erreichen wollen“, so Dott, der damit rechnet, dass sich viele Experten und Stadtentwickler das Projekt in Euskirchen anschauen werden. „Natürlich ist Fernwärme nichts Neues, aber die Kooperation der verschiedenen Partner und die Größe des Projekts ist schon etwas Einzigartiges“, sagte der e-regio-Geschäftsführer.

Das Bild zeigt Stefan Dott, während er etwas zu dem geplanten Wohnquartier sagt.

e-regio-Geschäftsführer Stefan Dott (r.) und Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt.

Doch „Werke & Wiese“ wird wohl nicht das erste Großprojekt sein, das innerhalb der Kooperation an das neue Fernwärmenetzwerk angeschlossen wird. Geht es nach Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt, wird das neue Rathaus, das 2026 eingeweiht werden soll, die Vorreiterrolle für die City Süd hinter dem Bahnhof und das neue Quartier übernehmen. „Weiter geblickt, wünsche ich mir, dass über die Erstnutzer hinaus das Fernwärmenetz weiter ausgebaut wird und viele Haushalte und Firmen angeschlossen werden können“, so der Verwaltungschef.

Neben der nachhaltigen Energieversorgung will der Projektentwicklung bei der Nachhaltigkeit weitere Aspekte, beispielsweise ein ressourcen-schonendes Entwässerungskonzept nach dem Prinzip der Schwammstadt, ein Mobilitätskonzept, das dem Fußverkehr Vorrang gibt, und das Konzept der kurzen Wege bei der Projektentwicklung realisieren.

Was mit der großen Halle auf dem Areal passiert, ist laut Maike Krallinger noch nicht geklärt. Wenn sich ein Nutzungskonzept ergebe, das sich in das Puzzle des Großprojekts einfüge, dann könne sie stehenbleiben. Was auf jeden Fall erhalten werde, sei das Pförtnerhäuschen am Pützbergring. Denkbar sei, dass die ersten Gebäude bereits 2026 fertig seien. Im kommenden Jahr beginne die Erschließung des Areals.


Mehr als 220 Bombentrichter auf dem Areal der Steinzeugwerke

Ihre Schornsteine haben über ein Jahrhundert die Euskirchener Stadtsilhouette geprägt. Auf dem flächenmäßig größten Firmengelände – es umfasste mehr als 150.000 Quadratmeter – wurden bei den Westdeutschen Steinzeugwerken in den Öfen am Pützberg Grobkeramikwaren gefertigt.

1892 stellten die etwa 130 Arbeiter die ersten „feuerfesten Steine“ her. Wenige Jahre später waren es bereits 400 Mitarbeiter. Das Werk nutzte unter anderem auch den eigenen Gleisanschluss, um die Waren zu verschicken.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs, am 29. September 1944, wurde das Werk durch einen Luftangriff zu fast 80 Prozent beschädigt. Allein im Freigelände wurden nach dem Angriff mehr als 220 Bombentrichter gezählt. Im Jahr 2000 erfolgte die schrittweise Schließung des Betriebs. (tom)

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