Im eigenen Garten Lebensraum für Igel, Insekten und Käfer schaffen, ist nicht schwer. Eine Tierschützerin zeigt, wie es geht.
Tierschutz im GartenDom-Escherin zeigt, was man vor dem Winterschlaf für Igel tun kann
Schöner Wohnen im Garten? Wer einen Blick in die Zeitschriftenauslage wirft, stellt fest: Unzählige Hochglanzmagazine nehmen sich einer gelungenen Gartengestaltung an, allerdings einer, bei der das Hauptaugenmerk auf Design, Struktur und Pflanzenzierde gelegt wird.
Naturnahes Gärtnern, das auf winkeltreue Rabatten, gekieste Oberflächen und exotische Pflanzen verzichtet, ist immer noch selten. Dabei wäre das für alle Lebewesen ein großer Gewinn. So auch für den Igel.
Euskirchen: Dom-Escherin kümmert sich seit über 20 Jahren um Igel
Der stachelige Gartenbewohner gilt als das älteste Säugetier in Europa. „Sie sind seit 60 Millionen Jahren auf der Welt, seit rund 15 Millionen Jahre haben sie sich nicht verändert“, sagt Birgit Jansen, eine der Ehrenamtlichen, die sich für den Tierschutz Euskirchen um kranke oder verletzte Wildtiere kümmert. Seit über 20 Jahren widmet sich Jansen vor allem Igeln, die es zunehmend schwer haben, zu überleben.
„Das Problem sind nicht nur Mähroboter, die Kleintieren schlimmste Verletzungen zufügen. Es sind vor allem die heutigen Ziergärten, in denen es kaum mehr herumliegenden Grünschnitt, Komposthaufen oder wilde Ecken gibt“, sagt Jansen.
Wichtige Habitate von Käfern, Spinnen und Kleinstlebewesen
Sogar unter Hecken würden viele Gartenbesitzer „aufräumen“ und somit die Habitate von Käfern, Spinnen und zahllosen Kleinstlebewesen vernichten. Vögel, die proteinreiche Nahrung benötigen, um ihre Brut aufzuziehen, oder Igel, die ebenfalls hauptsächlich eiweißreiche Insekten wie Laufkäfer oder Larven fressen, bekommen diesen Mangel längst zu spüren.
„Geschlossene Pflanzendecken sind Beeten gewichen, in denen einzelne Zierpflanzen präsentiert werden“, beobachtet Jansen, für die es kein „Unkraut“ gibt, dass man wegzupfen oder gar mit Hilfsmitteln vernichten müsste. „Der Witz ist ja, dass es keine Pflanze gibt, die so viel Arbeit macht wie Gras“, meint Jansen.
Die Fläche ausgewiesener Naturschutzgebiete im Land sei bedeutend kleiner als die Fläche aller privaten Gärten zusammen. „Daraus ergibt sich eine Verantwortung für jeden Einzelnen, im eigenen Garten etwas für den Naturschutz zu tun“, fordert Birgit Jansen.
Auch die komplette Abschottung durch undurchlässige Gartenzäune mache es dem Igel schwer, den „ein einziger Garten nicht satt machen kann“. Einige zehn mal zehn Zentimeter große Löcher im Zaun würden den Weg freimachen zu weiteren Futterquellen.
Igel fressen Schnecken nur in der Not
Rund 150 Gramm Insekten braucht der Säuger am Tag. Dass Igel auch gerne Schnecken fressen, sei eine Mär, sagt Jansen. „Das machen sie nur, wenn sie nichts anderes finden. Und das Schlimme ist, dass Schnecken die Hauptüberträger sind für Wurmparasiten.“ Nicht selten würde der Igel auch sterben, wenn er sich den Bauch mit Schnecken vollschlage: „Denn die haben womöglich vorher Schneckenkorn gefressen und vergiften damit auch den Igel.“
Birgit Jansen plädiert dafür, heimische Pflanzen in den Garten zu setzen. In ihrem eigenen unweit des Hofes, in dem sie lebt, wachsen Wilde Möhre, Löwenzahl, Rheinfarn, Wilde Astern, Wilder Majoran, Taubnessel, Lerchensporn, Färberkamille und natürlich auch Disteln und Brennnesseln.
„Im September gehe ich einmal mit der Sense durch, und dann bleibt die Mahd hier einfach liegen, genauso wie das Fallobst der Bäume“, erklärt Jansen, die in ihrem wunderbar wilden Garten auch zwei Ziegen und viele Hühner hält.
Im Rentnergehege leben die Hühner Ilse und Conchita
Abgetrennt von der Hauptfläche gibt es ein Auswilderungsgehege, in dem die Igel nach ihrer Genesung wieder an die freie Natur gewöhnt werden. Und es gibt ein „Rentnergehege“ für jene Tiere, die in der großen Gruppe ihrer Artgenossen nicht parat kommen.
Zurzeit leben dort auch zwei Hühner: „Ilse, sie hat Hüfte. Und Conchita, ein Zwitterhuhn, also vorne ein Hahn, hinten ein Huhn“, so Jansen. Eigentlich müsste hier auch Berta leben, die sich vor anderen Hühnern fürchtet. „Berta habe ich auf der Kölner Straße mitten in Euskirchen eingefangen. Sie hat wohl nie draußen gelebt, ist total auf mich fixiert und lebt mit im Haus.“
Igel müssen sich Speck anfressen vor dem Winterschlaf
Von Ende September bis Ende Oktober begeben sich die männlichen Igel in den Winterschlaf. Die Weibchen manchmal erst im Dezember, da sie im September noch einmal Nachwuchs bekommen. „Die Igelweibchen müssen sich dann noch ordentlich Speck anfressen, ehe sie ebenfalls in den Winterschlaf gehen können“, erklärt Expertin Birgit Jansen.
Wer dem Stacheltier ein Winterquartier anbieten möchte, kann ein Igelhaus in den Garten stellen. Am besten an eine geschützte Stelle, zum Beispiel unter einer Hecke. Die in Baumärkten angebotenen Igelhäuser sind oftmals zwar schick, aber völlig ungeeignet, genauso wie manch knallbuntes Luxusvogelhaus, das nicht mehr kann als hübsch auszusehen. Ein Blick auf die Internetseiten der beiden Naturschutzverbände Nabu und Bund könne bei der Kaufentscheidung helfen.
Und dann ist da noch was, was Birgit Jansen gerne aus der Welt der Vorurteile verbannen möchte: „Igel übertragen keine Krankheiten. Und auch die Flöhe, die Igel haben, springen weder auf den Menschen noch auf Hund oder Katze über. Die wollen tatsächlich nur und ausschließlich Igelblut.“
Im Garten Lebensraum für Igel und andere Tiere gestalten
Für die Igel heißt es jetzt, sich Speck auf die Rippen zu futtern, denn bald beginnt ihr Winterschlaf. Beste Bedingungen, die lange Pause zu überstehen, bieten naturbelassene Gärten, in denen die Stacheltiere Insekten, Käfer, Würmer und Larven finden und die Platz für ein Winterquartier bieten. Reisighaufen, Steine oder dichte Büsche bieten ausreichend Schutz.
Wer Wildwuchs nicht im ganzen Garten erträgt, sollte zumindest Ecken anlegen, in denen heimische Pflanzen, die oft zu Unrecht als Unkraut abgewertet werden, wuchern dürfen. Gut ist es, Reisig, Totholz und Herbstlaub einfach liegenzulassen. Letztlich verbessert man so auch die Bodenqualität seines Gartens. Bei Zäunen sollten tierliebe Gartenbesitzer darauf achten, dass Durchgänge bleiben, denn das Revier eines Igels ist gut zwei Quadratkilometer groß.
Katzenfutter und frisches Wasser bereitstellen
Der putzige Gartenbewohner ist ein Einzelgänger und vor allem in der Dämmerung aktiv. Sein ausgeprägter Geruchsinn lässt ihn auch in der Dunkelheit Nahrung finden.
Wer Igel füttern will, kann dies mit Trocken- oder Nassfutter für Katzen tun, jedoch nur mit Sorten mit mindestens 60 Prozent Fleischanteil, ohne Soße oder Gelatine. Eine Tränke mit frischem Wasser (und niemals mit Milch) sollte bereitgestellt werden. Das Futter darf man nicht ins Igelhaus stellen, sondern immer außerhalb. Von gekauftem Igelfutter rät Birgit Jansen dringend ab: Häufig besteht dies zu großen Teilen aus Haferflocken: „Damit könnte der Igel mit vollem Bauch verhungern.“
Kosten für den Tierarzt werden vom Land übernommen
Wer einen verletzten oder sichtlich kranken Igel findet, sollte zügig mit ihm zum Tierarzt gehen. Der sollte sich mit Wildtieren auskennen, ein kurzer Anruf kann dies klären. Igel und andere Wildtiere gehören laut Gesetz dem Land Nordrhein-Westfalen, weshalb ein Tierarzt die Behandlung mit dem zuständigen Veterinäramt abrechnen kann. Für die Retter ist die tierärztliche Versorgung kostenlos.