Bei der Flutkatastrophe 2021 wurde die Drehleiter der Feuerwehr Euskirchen schwer beschädigt. Nun ist sie in Argentinien im Einsatz.
Nach der FlutEuskirchener Drehleiter hat eine verrückte Reise nach Argentinien hinter sich
Von Tom Steinicke
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Die Euskirchener Drehleiter havarierte in der Flutkatastrophe am Europakreisel. (Archivbild)
Copyright: Daniel Schwarz/Feuerwehr Euskirchen
Blaulicht und Martinshorn funktionieren einwandfrei. Der Rest der Elektronik der ehemaligen Euskirchener Drehleiter hat noch ein paar Macken. Kein Wunder, schließlich war das Fahrzeug im Hochwassereinsatz. Aber auch die Mängel werden die argentinischen Bomberos Voluntarios, also die argentinischen Freiwilligen Feuerwehrleute aus Coronel Dorrego, noch in den Griff bekommen.
Da ist der Chef der dortigen Einheit, Emiliano Menendez, ganz sicher. „In kurzer Zeit werden wir das Fahrzeug zu 100 Prozent betriebsbereit haben“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.
Die Feuerwehrleute in Argentinien freuen sich über das Fahrzeug
Menendez ist stolz auf das rot-weiße Fahrzeug aus der Kreisstadt. „Die Drehleiter ist ein Fahrzeug, das wir hier in der Kaserne noch nie hatten. Wir sind eine kleine Stadt. Und wir haben nur wenige Gebäude. Aber es ist ein sehr nützliches und notwendiges Werkzeug“, sagt der Chef der Freiwilligen Feuerwehr, der mithilfe einer Online-Übersetzungshilfe mit der Redaktion kommuniziert.
Die ehemalige Drehleiter ist nun bei einer Freiwilligen Feuerwehr in Argentinien im Einsatz.
Copyright: Emiliano Mendendez
Mit einem solchen Tool haben die Argentinier auch Kontakt zu ihren Kollegen in Euskirchen aufgenommen. Ein Blick in den Fahrzeugbrief half nämlich dabei, den vorherigen Besitzer des Fahrzeugs ausfindig zu machen. Eine Nachricht über ein Soziales Netzwerk – und schon war der Kontakt zur Feuerwehr in Euskirchen hergestellt.
„Wir vermuten, dass die Elektronikprobleme vom Hochwasser kommen“, sagt Alexander Berger, Leiter der Euskirchener Feuerwehr. Auch er nutzte mit seinen Kollegen eine Übersetzungshilfe im Internet, um den argentinischen Kollegen zu antworten. „Wir haben ihnen ein paar Tipps gegeben, wie sie bei dem einen oder anderen Problem agieren können“, so Berger. Gleichzeitig habe man auch den Kontakt zum Hersteller der Drehleiter vermittelt, um Antworten auf etwaige Spezialfragen erhalten zu können.
Feuerwehr Euskirchen kaufte die Drehleiter nach Daufenbach-Brand
Doch wie kommt die Drehleiter aus Euskirchen nach Coronel Dorrego, das etwa 260 Kilometer von der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires entfernt liegt? Die einfachste Antwort: mit dem Schiff. Doch ganz so einfach war das dann doch nicht.
Rückblick: Am 14. Februar 2020 brannte die ehemalige Spedition Daufenbach an der Roitzheimer Straße praktisch komplett nieder. Bei dem Großfeuer wurde die Teleskopmastbühne der Firma Bronto Skylift so stark beschädigt, dass sich eine Reparatur aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr lohnte.
Bis zum Fahrersitz stand das Fahrzeug unter Wasser. Das hat die Elektronik nicht überstanden.
Daraufhin habe man eine gebrauchte Drehleiter gekauft, weil zu diesem Zeitpunkt die Anschaffung einer neuen bereits konkret geplant gewesen sei, erinnert sich Euskirchens Feuerwehrchef Berger: „Die Ausschreibung war schon weit fortgeschritten.“ Dennoch musste kurzfristig Ersatz her. Den fanden die Kreisstädter laut Berger bei einem „Feuerwehr-Gebrauchthändler“ für rund 130.000 Euro. Zuvor war die nicht mehr ganz neue Drehleiter für Euskirchen bei der Berufsfeuerwehr in Köln im Einsatz.
Bei der Flut in Euskirchen blieb die Drehleiter am Europakreisel stehen
Dann kam die Flut am 14. Juli 2021. Im Hochwassereinsatz blieb die Drehleiter schließlich am Europakreisel in der Flut stecken. „Bis zum Fahrersitz stand das Fahrzeug unter Wasser. Das hat die Elektronik nicht überstanden, weil da auch ein aufwendiges Computersystem dahintersteckt“, so Berger. So werde jede Bewegung im Einsatz – beispielsweise die Auslastungsgrenzen – überwacht.
Diese Elektronik wieder auf Vordermann zu bringen, habe sich wirtschaftlich nicht mehr gelohnt, weil die Anschaffungskosten mit 130.000 Euro relativ gering gewesen seien. Entsprechend habe man nur noch ein Gutachten anfertigen lassen. Anschließend sei das Fahrzeug über die Onlineplattform „Zoll-Auktion“ höchstbietend versteigert worden.
Argentinier zahlten 14 Millionen Pesos für die Drehleiter
Die argentinischen Kollegen kauften das Fahrzeug schließlich von einem Zwischenhändler für 14 Millionen Pesos, etwas mehr als 15 600 Euro, und ließen es in die Hafenstadt Zarate schiffen. Von dort ging es dann nach Coronel Dorrego. „Wir erhalten die Fahrzeuge immer so. Alle Fahrzeuge, die wir haben, kommen aus Europa. Und wir hatten auch andere aus Deutschland. Wir hatten einen Mercedes 1113 aus Ihringen oder so ähnlich“, schreibt Emiliano Menendez.
Wir wussten, dass das Fahrzeug in Deutschland im Einsatz war. Dass es so eine bewegte Geschichte hinter sich hat, wussten wir aber nicht.
Dass seine neue Drehleiter bis zum Fahrersitz im Hochwasser stand, habe er nicht gewusst. „Wir wussten, dass das Fahrzeug in Deutschland im Einsatz war. Dass es so eine bewegte Geschichte hinter sich hat, wussten wir aber nicht“, so der Argentinier.
Apropos Wasser: Bei der Präsentation auf dem Feuerwehrgelände in Coronel Dorrego standen einige Kameraden Spalier und bespritzten die Drehleiter mit Wasser aus Schläuchen. „Es ist wie eine Taufe, die wir vollziehen, wenn wir das Fahrzeug willkommen heißen“, sagt der Bomberos Voluntario. Er ist Chef von 40 Feuerwehrleuten. „Die von uns angebotenen Dienstleistungen sind wie bei der Feuerwehr vielfältig, aber die häufigsten Einsätze, die wir haben, sind Waldbrände und Verkehrsunfälle“, so Menendez.
Euskirchener freuen sich, dass das Fahrzeug in guten Händen ist
Die Euskirchener Feuerwehr ist derweil froh, dass das Fahrzeug, das in kurzer Zeit viel in der Kreisstadt erlebt hat, in guten Händen ist. Dass ein hier ausrangiertes Fahrzeug anderswo noch Verwendung findet, sei nicht ungewöhnlich. „Die Richtlinien für Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge sind in Deutschland sehr hoch. Deswegen werden solche Fahrzeuge gerne von Unternehmen gekauft, die sich beispielsweise auf Waldarbeiten spezialisiert haben“, so Euskirchens Feuerwehrchef Alexander Berger.
Bei einem Hubrettungsfahrzeug stehe alle zehn Jahre eine Generalüberprüfung aller relevanten Funktionen an. Diese sei aber sehr kostspielig. „Nicht selten wird allein dafür eine sechsstellige Summe fällig“, erklärt Berger: „Deswegen werden Drehleitern meistens vor ihrem 20. Geburtstag veräußert, sonst wird es schon wegen der großen Inspektion unwirtschaftlich.“
Man habe schon mal ein Fahrzeug an eine Feuerwehr aus Rheinland-Pfalz verkauft. In der Regel gehen die Einsatzfahrzeuge laut Berger aber an Privatpersonen, die sie dann an Zwischenhändler oder direkt weiterverkaufen.
Fenster der Berufsschule versteigert
Die „Zoll-Auktion“ ist das virtuelle Auktionshaus von Bund, Ländern und Gemeinden. Mehr als 4000 Behörden nehmen nach Angaben des Zolls als Anbieter an der Zoll-Auktion teil. Versteigert werden gepfändete, beschlagnahmte und ausgesonderte Artikel wie Elektronikwaren, Kraftfahrzeuge oder Bekleidung. Ebenso kommen Arbeitsmittel, Dienstfahrzeuge und Möbel, die Behörden nicht mehr benötigen, unter den virtuellen Hammer.
So hat der Kreis Euskirchen über die Online-Plattform beispielsweise 80 doppelflügelige Fenster mit Oberlichtern für 16.000 Euro verkauft, die zuvor in der Thomas-Eßer-Berufsschule (TEB) verbaut waren. Die Fenster stammen aus dem Bereich des Berufskollegs, der flutbedingt abgerissen werden muss. Auch Sitzbänke einer Tribüne hat der Kreis in den vergangene Monaten versteigert.