Beim Kochen kommen sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen näher. Das Projekt „Kocht mit uns um die Welt“ ist ein Erfolg.
IntegrationIn Euskirchen kochen Menschen aus vielen Nationen gemeinsam

Der große Moment ist da: Die 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ein nigerianisches Rezept umgesetzt. Jetzt kann aufgetragen und probiert werden.
Copyright: Ulla Jürgensonn
Was kommt dabei heraus, wenn Syrer, Iraker und Ukrainerinnen gemeinsam ein nigerianisches Gericht kochen nach einem auf Deutsch geschriebenen Rezept? Das Ergebnis ist erstaunlich lecker, auch wenn es vielleicht nicht ganz so aussieht, wie Ikechi Alaike es sich vorgestellt hat. Die Nigerianerin hat es diesmal übernommen, ein Gericht aus ihrer Heimat vorzustellen. „Koch mit uns um die Welt“ (siehe „18 kulinarische Reisen“), bei dem diesmal Jollof rice gekocht wird.
25 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, vom zehnjährigen Mädchen bis zur Seniorin, sind in die Lehrküche des Thomas-Eßer-Berufskollegs in Euskirchen gekommen. Noch ist es relativ leise, später entsteht ein munteres Sprachengewirr aus Deutsch, Ukrainisch, Persisch, Syrisch. Denn, so sagt die Ukrainerin Lena Ostrowa: „Das Wichtigste ist nicht das Kochen, sondern die Kommunikation. Und die Unterstützung zu fühlen.“
Die Suche nach Kochbananen gestaltet sich in Euskirchen schwierig
Damit spricht sie Roland Kuhlen und Thomas Weber aus der Seele. Die beiden – der eine vom Kommunalen Integrationszentrum des Kreises, der andere von der Integrationsagentur des DRK – haben das Projekt „Koch mit uns um die Welt“ ins Leben gerufen, damit Menschen unterschiedlicher Nationalitäten ins Gespräch kommen und in Verbindung treten. Und was verbindet mehr als gemeinsames Essen? Allenfalls: gemeinsames Kochen.
Ikechi Alaike hat nicht nur das Rezept geschrieben, sondern vorher auch eine Zutatenliste zusammengestellt. Die abzuarbeiten war nicht ganz einfach, wie Roland Kuhlen berichtet: In Euskirchen waren keine Kochbananen zu bekommen. Zumal diese, so Ikechis Anweisung, „nicht zu gelb und nicht zu grün“ sein sollten.

Ikechi Alaike kocht mit sichtlicher Begeisterung.
Copyright: Ulla Jürgensonn

Friedliche Kooperation mehrerer Nationen am Kochtopf. Nur über den Grad der Schärfe gibt es Diskussionen zwischen den Ukrainerinnen und den Syrern.
Copyright: Ulla Jürgensonn

Die Zutaten sind für jeden Küchenblock zusammengestellt.
Copyright: Ulla Jürgensonn

So sieht das Hühnchen mit Reis und Kochbanane aus, wenn das Gericht fertig ist.
Copyright: Ulla Jürgensonn
Die Früchte, die schließlich auf jeder der fünf Kochinseln gelandet sind, finden ihre Billigung. Daneben sind alle weiteren Zutaten angeordnet, Zwiebeln, Kräuter, Gewürze. „Vielfältig und geschmackvoll“, so beschreit die Frau, die seit 20 Jahren in Deutschland lebt, die nigerianische Küche: „Mit frischen Zutaten und vielen Gewürzen, scharf.“
Das merkt man schon, wenn die 55-Jährige den Deckel von dem Topf hebt, in dem sie eine spezielle Soße aus Tomaten und Paprika vorgekocht hat. Da bekommen die ersten schon Schweißperlen auf der Stirn. Die Zusammensetzung der fünf Gruppen wird ausgelost, damit sich nicht die zusammentun, die sich ohnehin schon kennen.
Die Rollen am Herd sind schnell verteilt
So kommt es eben, dass eine Ukrainerin mit einem Syrer und einem Iraker versucht, den Sinn des Rezepts zu entschlüsseln. Als Erstes werden Hühnchen zerteilt, in Stücke „nicht zu groß und nicht zu klein“. Schnell werden die Rollen verteilt, was einer oder eine nicht so gut kann, übernimmt der oder die andere.
Zwiebeln schneiden, Gewürze hacken – im Handumdrehen duftet der ganze Raum verführerisch. Anna und Angelina sind mit ihren zehn Jahren die Jüngsten im Team. Sie sind mit ihren Müttern Natalja Lymar und Tatjana Nesterenko aus der Ukraine gekommen. „Wir mögen Kochen“, betonen zwei Generationen einhellig.
Ursula Heister ist aus Sinzenich gekommen, und sie hat gleich einige Geflüchtete mitgebracht. Die jungen Männer nennen sie Mama. Das sei ein Ausdruck besonderen Respekts, klärt die engagierte Seniorin auf, die sich in Zülpich um Migranten kümmert. Mit viel Herzblut, wie man ihr anhört: „Ich habe acht deutsche Enkel und an die zehn internationale“, sagt Ursula Heister.
Diskussionen gibt es nur über die Schärfe
Die Hühnchenteile landen, ungewohnt für die deutsche Hausfrau, erst im Kochtopf und dann in der Bratpfanne. Währenddessen köchelt der Reis, aufgepeppt mit Ikechis roter Soße. Beim Schärfegrad kommt es dann doch zu internationalen Verwerfungen. Ghazwan Muhamed aus dem Iran möchte gern etwas vom Habanero-Pfeffer dazutun, Lena Ostrowa fürchtet, dass es dann doch zu scharf wird.
Ein Kompromiss wird gefunden, die Schote wird komplett im Reis versenkt, in der Hoffnung, dass sie zwar viel Aroma abgibt, aber wenig Schärfe. Wie das oft so ist bei Kompromissen, misstraut eine Partei der einvernehmlichen Lösung. Kaum hat Ghazwan sich umgedreht, fischt Lena die rote Schote aus dem Topf. Endlich mal eine Meinungsverschiedenheit, die sich in Lachen auflöst.
Schließlich kommt der große Augenblick, in dem Töpfe, Pfannen und Schüsseln in den Nebenraum getragen werden. Noch ein Gruppenfoto mit dem fertigen Gemeinschaftswerk, dann darf endlich probiert werden. Ikechi hat nicht zu viel versprochen. Es ist würzig und lecker. Und scharf. Die bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft muss noch einen letzten Härtetest bestehen.
Denn es wird nicht nur zusammen gegessen, sondern auch zusammen gespült, aufgeräumt und geputzt. Die Frauen aus der Ukraine und die jungen Männer aus Syrien und dem Irak stehen einträchtig ums Spülbecken herum, reichen tropfnasses Geschirr weiter an den, der das Küchentuch in der Hand hat, und polieren den Herd. Für einen Abend ist die Welt hier in Ordnung.
Schon 18 kulinarische Reisen haben stattgefunden
Im Oktober 2022 ist das Projekt „Kocht mit uns um die Welt“ gestartet. Seitdem haben 18 kulinarische Reisen stattgefunden. Zielländer waren Libanon, Guinea, Ukraine, Eritrea, Türkei, Albanien, Tansania, Afghanistan, Syrien, Algerien, Iran, Deutschland, Burundi, Levante, Senegal, Ägypten und Nigeria. 639 Menschen haben bisher teilgenommen. Köchinnen und Köche, die mit anderen Essen aus ihrem Heimatland zubereiten möchten, können sich gern melden.
Jedes Mal soll ein anderes Land im Mittelpunkt stehen, der Libanon war schon zweimal dran. Das Projekt wird vom Kommunalen Integrationszentrum des Kreises und der Integrationsagentur des Kreisverbandes Euskirchen des Deutschen Roten Kreuzes gemeinsam verwirklicht. Gekocht wird immer in der Lehrküche des Thomas-Eßer-Berufskollegs.
Das NRW-Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration fördert die Veranstaltungen. Das nächste gemeinsame Kochen findet während der Internationalen Woche gegen Rassismus am Dienstag, 25. März, ab 17.30 Uhr statt. Wer sich daran beteiligen will, kann sich per E-Mail für diesen Termin anmelden.