Im Prozess belastete der geschäftsführende Vorsitzende des Verwaltungsrates den Ex-Geschäftsführer – musste sich aber auch kritischen Fragen stellen.
Landgericht BonnMillionen-Prozess um Marien-Hospital: Kritische Fragen an Verwaltungsrat
Der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung Marien-Hospital und des dazugehörigen Krankenhauses in Euskirchen war anfangs nur zweite Wahl. Das berichtete der Geschäftsführer des Verwaltungsrates am Donnerstag vor dem Landgericht Bonn als Zeuge.
Eine andere Bewerberin habe den Verwaltungsrat mehr überzeugt, nur habe sie drei Tage, nachdem alles in trockenen Tüchern schien, abgesagt. So kam der andere Bewerber, der es in die Vorstellungsrunde im Verwaltungsrat geschafft hatte, zum Zuge.
Euskirchener Stiftung soll um 6,6 Millionen Euro geschädigt worden sein
Der sitzt nun auf der Anklagebank des Bonner Landgerichts – mit zwei weiteren Angeklagten. Ihnen wirft die Staatsanwaltschaft vor, bandenmäßig die Stiftung um rund 6,6 Millionen geschädigt zu haben – unter anderen durch Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit.
Der Ex-Geschäftsführer der Stiftung bestreitet die Vorwürfe, seine Mitangeklagten haben Teilgeständnisse abgelegt.
Der größte Schaden soll durch fingierten Kampfmittelfund entstanden sein
Der größte Schaden, so die Anklagebehörde, sei der Stiftung rund um den Bau der Tagesklinik in Mechernich entstanden. Ein mutmaßlich fingierter Kampfmittelfund soll zu Separierungsaufträgen geführt haben, die mit rund fünf Millionen Euro durch den mitangeklagten Bauunternehmer berechnet worden seien.
Laut Staatsanwaltschaft haben die Angeklagten den Fund fingiert, Schmiergelder seien geflossen: laut Anklage 750 000 Euro an den damaligen Geschäftsführer der Stiftung, 250 000 Euro an deren technischen Leiter. Letzterer hat den Vorwurf weitgehend eingeräumt und der Stiftung den Betrag zurückgezahlt.
Er sei erstmals im März 2022 mit dem angeblichen Fund konfrontiert worden, so der Verwaltungsrat-Geschäftsführer. Im Protokoll der Sitzung des Aufsichtsgremiums habe gestanden, dass sich durch Kampfmittelfunde das Baukostenvolumen erheblich erhöhe.
Verwaltungsratsmitglied belastet den früheren Geschäftsführer
„Hätte ich zum damaligen Zeitpunkt die Größenordnung gekannt, dann hätte ich so reagiert, wie ich dann im September reagiert habe“, so der Zeuge weiter: „Das hätte ich nicht auf sich beruhen lassen, dass man zu einer Verdopplung des Bauvolumens kommt durch diese Kampfmittelfunde.“
Erst am 22. September sei ihm das Ausmaß der Kosten bekannt geworden. Der Fund soll aber schon 2021 gemacht worden sein. Er habe seine „Verwunderung, fast schon Entsetzen“ zum Ausdruck über die späte Information zum Ausdruck gebracht.
Sachverständiger: „Preise sind 20- bis 30-fach überhöht“
Einen Tag später habe er die Unterlagen dazu angefordert, die er erst Mitte Oktober erhalten habe. Er habe sich im „Internet über Kampfmittelfunde informiert“, Kontakt zum für Kampfmittel zuständigen Regierungspräsidium Düsseldorf aufgenommen – und erfahren, dass dort keine Meldung zu dem Fund vorgelegen habe und derartige Separierungen unüblich seien. Ein Sachverständiger, den er konsultiert habe, sei auch „sehr skeptisch“ gewesen: „Er hat mir gesagt, dass da einiges im Argen ist.“
Die veranschlagten Preise seien 20- bis 30-fach überhöht, habe der Experte gesagt. „Seiner Meinung hätte das Sieben von Granathülsen und Metallen nicht zu diesem Preis angeboten werden dürfen“. Es sei ohnehin nur Schrott gewesen.
Ende Oktober 2022 habe es dann ein Treffen mit dem damaligen Geschäftsführer gegeben. Er habe mit ihm über den Vorgang sprechen wollen, so der Geschäftsführer des Verwaltungsrats: „Er hat mir dazu nichts gesagt“, berichtete der Zeuge über den Angeklagten: „Er hatte da gesessen und gegrinst.“ Er habe ihm sogar noch die Brücke gebaut, dass die Flutkatastrophe, die kurz nach dem angeblichen Fund hereingebrochen war, Grund für die späte Info sein könnte. Denn auch die Häuser der Stiftung waren stark beschädigt worden.
Der Geschäftsführer habe ihm von tragischen Vorfällen berichtet, von der Teil-Evakuierung eines Altenheims und „dass man auch Leichen im Wasser gesehen hätte, die da vorbei geschwommen seien“. Er habe sich den Betriebshof angesehen, wo die 10 000 Tonnen zur Separierung gelegen haben sollen. Der der sei ihm zu klein dafür vorgekommen, so der Zeuge.
Durch Verkaufsanzeige für Gartenmöbel kam es zur Entlassung
Im Sommer 2023 sei es schließlich zur Trennung gekommen, zunächst per ordentlicher Kündigung, später per außerordentlicher Entlassung.
Grund war dem Zeugen zufolge eine Verkaufsanzeige für Gartenmöbel auf einer Internetplattform, die der inzwischen gekündigte Geschäftsführer der Stiftung aufgegeben habe. Einem Mitarbeiter seien diese Möbel bekannt vorgekommen. Die habe der Angeklagte als Geschäftsführer für mehr als 100 000 Euro für die Stiftung erworben, doch da seien sie nie angekommen.
Verteidiger stellt kritische Fragen nach Vorgehen des Verwaltungsrats
Von ihm dazu zur Rede gestellt, habe der Gekündigte erklärt, dass er die Möbel lediglich aufbewahrt habe. „Nun, die Verkaufsanzeigen waren ja da“, so der Verwaltungsrats-Geschäftsführer vor Gericht. „Mir reichte das. Der Griff in die Kasse lag jetzt relativ deutlich vor mir.“
Von einer Hygiene-Expertin habe er auch erfahren, dass diese Gartenmöbel für eine Klinik völlig ungeeignet seien. „Da braucht man Möbel, die nicht verschnörkelt, sondern glatt zum Abwischen sind“, habe die Fachfrau erklärt. Zunächst habe man im Verwaltungsrat überlegt, ihn als Klinikdirektor weiterzubeschäftigen. Auch Chefärzte hätten darum gebeten.
Verwaltungsrat der Stiftung engagierte einen Ermittler
Doch nach dem Vorfall mit den Möbeln habe der Verwaltungsrat einen Ermittler engagiert, zunächst, um den finanziellen Schaden für die Stiftung durch Schadensansprüche zu mindern. Erst im Nachhinein habe man festgestellt, dass auch das ein Fall für den Staatsanwalt sein könnte.
Wie aber konnte es so weit kommen? Hätte der Verwaltungsrat nicht früher etwas merken müssen, so Johannes Zimmermann, Verteidiger des Bauunternehmers. Etwa von den Erdbauarbeiten in einem Baugebiet, das der Stiftung gehörte? Auf diesem Gebiet hatte auch der frühere Geschäftsführer zwei Parzellen gekauft – mit einem Arbeitgeberdarlehen.
Die Erdbefestigungsarbeiten für dieses Grundstück hat laut Staatsanwaltschaft der angeklagte Bauunternehmer vorgenommen. Die Rechnung dafür habe aber nicht der damalige Geschäftsführer bezahlt, sondern die Stiftung. Von Auftrag und Ausführung habe er damals nichts gewusst, den Bauunternehmer erst am Donnerstag vor Gericht kennengelernt, sagte der Zeuge.
Dann aber, so Zimmermann, hätte der Verwaltungsrat doch in der Schlussbilanz für 2018 im Jahr 2019 die Arbeiten auf dem Grundstück ersehen können oder müssen. „Können ja, müssen aber nicht“, antwortete der geschäftsführende Vorsitzende des Verwaltungsrats. „Sie stellen sich die Arbeit eines Aufsichtsgremiums falsch vor. Wir gehen nicht in die Buchhaltung und prüfen da einzelne Belege.“ So verstehe er seine Aufgabe nicht.
Diese Belege haben aber laut Anwalt Zimmermann ergeben, dass sich das Angebot für die Erdarbeiten auf dem Grundstück auf mehr 3000 Quadratmeter beliefen, das Grundstück aber 1288 Quadratmeter groß sei. Zudem habe es im Oktober 2022 und Juni 2023 anonyme Schreiben mit Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten gegeben, so Zimmermann. „Mit anonymen Schreiben kann ich grundsätzlich nichts anfangen“, antwortete der Zeuge auf die Frage, warum er tätig geworden sei.
Auch dass der Geschäftsführer zwar vier Parzellen hatte – zwei wurden ihm zwischenzeitlich für eine Gartenerweiterung zur Verfügung gestellt – aber fünf genutzt habe, habe er erst später zur Kenntnis genommen. „Gesehen mit eigenen Augen habe ich das erst im Sommer 2023“, so der Mann aus dem Verwaltungsrat. Anmerkung Zimmermanns: „Dann haben Sie möglicherweise die Augen verschlossen.“
Inzwischen habe die Stiftung Regressansprüche in Höhe von rund 5,6 Millionen Euro gegen die Angeklagten erhoben, berichtete der Geschäftsführer des Verwaltungsrates. Ob diese von Erfolg gekrönt sein werden, hänge wohl auch vom Ausgang dieses Strafverfahrens ab.