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Differenzierte HebesätzeStadt Euskirchen ändert System bei der Grundsteuer B

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Das Verwaltungsgebäude mit dem Schild „Rathaus - Kölner Straße 75“.

Die Stadt Euskirchen, hier das Rathaus in der Kölner Straße, hat für die Grundsteuer B gesplittete Hebesätze eingeführt.

Der Grundsteuer-Hebesatz für Wohngrundstücke in Euskirchen steigt minimal – ganz anders derjenige für Nichtwohngrundstücke.

Die Stadt Euskirchen führt für die Grundsteuer B differenzierte Hebesätze ein. Dies hat der Rat auf Empfehlung der Verwaltung beschlossen. Die neue Regelung ist zum 1. Januar in Kraft getreten. Der Hebesatz für Wohngrundstücke ist von 496 auf 497 Prozent gestiegen, derjenige für Nichtwohngrundstücke von 496 auf 914 Prozent.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 entschieden, dass das Grundsteuerrecht neu zu regeln ist. Bis dato, so Euskirchens Kämmerer Klaus Schmitz, wurde die Grundsteuer auf der Basis von Einheitswerten berechnet, die das Finanzamt für das jeweilige Grundstück festsetzte. Den Einheitswerten waren in Westdeutschland Grundstücksbewertungen aus dem Jahr 1964 zugrunde gelegt. „Dies führte zu einer ungerechten Steuerbelastung, da sich die Grundstücks- und Immobilienpreise seitdem stark veränderten“, so Schmitz.

Das Euskirchener Verfahren soll zu mehr Gerechtigkeit führen

Im Zuge der Reform werden nun neue Grundsteuerwerte errechnet. Aus der Kombination von Grundsteuerwert, Steuermesszahl und Hebesatz ergibt sich die individuelle Grundsteuer. Ein höherer Hebesatz als bisher bedeute nicht zwangsläufig eine größere Steuerlast, hatte die Finanzverwaltung des Landes NRW erklärt.

Das Splittingverfahren, das die Stadt Euskirchen gewählt hat – dies betont die Verwaltung –, soll zu mehr Gerechtigkeit führen. Allerdings existieren just zu dieser Frage unterschiedliche juristische Gutachten, sodass die Einführung der differenzierten Hebesätze „als risikobehaftet angesehen werden muss“, wie Stadtkämmerer Schmitz es formuliert. Es könne sein, dass Gerichte eine Klärung herbeiführen müssten, womit freilich nicht kurzfristig zu rechnen sei, so Kämmerer Schmitz.

Mehrbelastung für Wohngrundstücke soll verhindert werden

Die Differenzierung soll nach Angaben der Stadt bewirken, dass eine Mehrbelastung für Wohngrundstücke, die ohne diese Maßnahme eingetreten wäre, verhindert wird. So werde „das hohe soziale Gut des Wohnens“ gesichert. Das gewählte Verfahren gewährleiste eine faire Verteilung der Steuerlast, fügte der Kämmerer hinzu.

Es wird ein Wust von Einsprüchen auf die Kämmerei einprasseln.
Franz-Josef Mauth, CDU-Stadtverordneter

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Höllmann erklärte, durch die Reform werde es bei den Eigentümern sowohl von Wohn- als auch von Nichtwohngrundstücken „Verlierer und Gewinner“ geben. Grünen-Sprecherin Dr. Simone Galliat sagte, der Rat sei verpflichtet, die Höhe der Hebesätze jedes Jahr aufs Neue zu bewerten, gerade mit Blick auf ihre Folgen für die Wohnkosten.

CDU-Chef Klaus Voussem verwies wie die Stadtkämmerei auf die rechtliche Unsicherheit, mit der die Kommunen vorerst leben müssten. Unter den schlechten und mittelprächtigen Lösungen, die der Gesetzgeber den Städten und Gemeinden vorgeschlagen habe, sei die nun von Euskirchen ausgewählte noch die beste, die zur Verfügung stehe. Wenn sich abzeichne, wie sich die Reform vor Ort konkret auswirke, müsse man das Thema wieder aufrufen.

Voussems Parteifreund Franz-Josef Mauth sprach von einer „unsäglichen, katastrophalen Steuerreform“. Mit dem Versand der Steuerbescheide durch die Stadtverwaltung „wird ein Wust von Einsprüchen auf die Kämmerei einprasseln“, prophezeite Mauth. Es werde zu „Heulen und Zähneknirschen“ kommen.

Manfred van Bahlen (FDP) formulierte seine Kritik dezenter. Er nannte es unbefriedigend, dass die Kommunen als unterste Verwaltungsebene die von oben durchgesetzte Reform umsetzen und die Folgen ausbaden müssten.