AboAbonnieren

Fehlen Gutachten?So soll der Damm der Steinbachtalsperre erdbebensicher werden

Lesezeit 4 Minuten
Das Luftbild zeigt den Damm der Steinbachtalsperre nach der Flutkatastrophe.

Die Standfestigkeit des Damms der Steinbachtalsperre bei Kirchheim muss untersucht werden. Seit der Flutkatastrophe ist die Talsperre leer. Wann sie wieder befüllt wird, ist derzeit offener denn je.

Die Bezirksregierung hält ein Erdbeben an der Steinbachtalsperre bei Kirchheim für eine reale Gefahr. Eine Sanierung würde zum Millionen-Projekt für die e-regio.

Erdbebengutachten hier, Bodengutachten zur Standfestigkeit des Damms dort. Die Bezirksregierung pocht weiter auf schriftliche Nachweise, dass die Steinbachtalsperre sicher ist – und möglichst einem Erdbeben der Stärke 7 auf der Richterskala direkt unter dem Damm standhält. Ein solches Erdbeben kommt theoretisch alle 2500 Jahre vor. Trotz aller Theorie, für die Praxis bedeutet das vor allem eines: Liegt kein Nachweis vor, ist ein Wiedereinstau ausgeschlossen.

Nach Angaben der e-regio, die die Steinbachtalsperre im Auftrag des Wasserversorgungsverband Euskirchen-Swisttal (WES) betreibt, ist das Bodengutachten gerade in Arbeit. Mit Ergebnissen sei in einigen Wochen zu rechnen, so die e-regio. Untersucht wird die Standfestigkeit des Damms.

Steinbachtalsperre: Bezirksregierung fordert Nachbesserungen bei Konzepten

Sollte dabei aus Sicht der Bezirksregierung Köln nachgebessert werden müssen, gibt es bereits Konzepte des zuständigen Ingenieurbüros Lorenz aus Bad Münstereifel. Das Ingenieurbüro arbeitet im Auftrag der e-regio. Zusätzliche Baukosten von mindestens eineinhalb oder zwei Millionen Euro sind nach erster Einschätzung des Ingenieurs Christian Lorenz notwendig, um die Auflagen zu erfüllen.

Die Kostenschätzung basiere auf der Vermutung, dass der Damm durch eine Schüttung nach außen hin deutlich verdickt werden müsse. Was es kosten würde, wenn die eigentlich wegen ihrer naturbelassenen Umgebung als Ausflugsziel beliebte Talsperre eine harte Innenschale bekommen müsste, um den Damm ausreichend zu stabilisieren, konnte der Ingenieur nicht voraussagen: „Aber eine Idee könnte sein, die Wasserseite mit Asphalt zu befestigen. Das sähe allerdings grausam aus.“

Eine weitere Möglichkeit, die geforderte Erdbebenstabilität zu erreichen, sieht Lorenz darin, den Untergrund, auf dem der Damm steht, beziehungsweise den Boden davor zu verdichten. Reicht die Festigkeit nicht, könnte sie eventuell mit Bohrpfählen erhöht werden.

Der Blick der Schweinheimer auf die Steinbachtalsperre ist unverändert. Während der Flut bangten die Einwohner, dass der Damm hält. Nun hoffen sie, dass er schnell wieder geschlossen und erdbebensicher wird.

Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt zeigt sich irritiert

Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt hofft das ebenfalls – auch für die Schweinheimer. „Auch, weil sie seit Tag eins zeigen, wie bürgerschaftliches Engagement gemeinsam mit der Verwaltung und gegenseitigem Voranbringen funktioniert“, sagt der Verwaltungschef.

Reichelt hatte sich jüngst irritiert über die Vorgaben der Bezirksregierung gezeigt. Der Bürgermeister hatte seine Gründe in einem Gespräch mit der Redaktion verdeutlicht: „Wenn wir solche Bemessungsgrundlagen anwenden, dann bauen wir keine Talsperren mehr. Es muss eine Risikoabwägung geben. Es ist aus meiner Sicht viel wahrscheinlicher, dass wir Wasser fürs Löschen eines Waldbrandes an der Steinbach benötigten, als dass es genau an dieser Stelle ein Erdbeben mit dieser Stärke geben wird.“ Man müsse manchmal mit einem Restrisiko leben.

Erdbebengefahr nicht gegen andere Gefahren ausspielen

Die Bezirksregierung widerspricht. Jeder Betreiber einer Talsperre müsse Nachweise auf Grundlage der aktuellen Regeln der Technik führen, sagt Dennis Heidel, Pressesprecher der Bezirksregierung: „Die potenzielle Gefahr bei Erdbeben darf nicht dem vielfachen Nutzen der Steinbachtalsperre gegenübergestellt werden. Die Gewährleistung der Sicherheit ist keine Ermessensentscheidung.“

Die e-regio hatte betont, dass der Damm die gleiche Tragfähigkeit wie vor der Flutkatastrophe hat. Das sei bei allen Überlegungen nicht relevant. Wichtig sei, dass die aktuellen Anforderungen an die Sicherheit bei einem Wiedereinstau der Steinbachtalsperre erfüllt werden. Und dies sei aktuell nicht der Fall.

Die e-regio habe als Betreiber der Steinbachtalsperre im Frühjahr 2022 einen Antrag auf Wiedereinstau bei der Bezirksregierung gestellt. „Dies war aber nur ein rein formaler Antrag ohne jegliche inhaltliche Ausführungen. Insbesondere fehlten die notwendigen bautechnischen Nachweise“, so Heidel.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2022 sei der e-regio mitgeteilt worden, mit welchen Unterlagen der Antrag zu vervollständigen ist. Dazu Bezirksregierungssprecher Dennis Heidel: „Vor allem die bautechnischen Nachweise liegen der Bezirksregierung Köln bis heute nicht vor.“ Dazu äußerte sich die e-regio auf Nachfrage dieser Zeitung am Montag nicht.


Steinbachtalsperre liegt in Gebiet mit hoher Gefährdung durch Erdbeben

Nach Angaben der Bezirksregierung ist ein Erdbeben im Bereich der Steinbachtalsperre gar nicht so unwahrscheinlich. Daher muss der Damm die Stärke 7 auf der Richterskala aushalten. Das ist die Vorgabe der Bezirksregierung für die Standfestigkeit. Zum Vergleich: Das Beben in der Türkei und in Syrien im Februar hatte dieses Jahres hatte einen Wert um die 7,7.

„Die Steinbachtalsperre liegt in einem Bereich mit einer hohen Gefährdung bei Erdbeben“, teilt Dennis Heidel, Pressesprecher der Bezirksregierung, auf Anfrage mit. Sie liege nach der ausschlaggebenden DIN-Vorschrift in der Erdbebenzone 1. Das sei die dritthöchste Kategorie. Die höchste Kategorie (Zone 3) findet sich in Deutschland in der Nordeifel und südlich von Tübingen.

Derzeit werden laut Heidel die Standsicherheitsnachweise für den Lastfall „Erdbeben“ aufgestellt. „Bei Wohngebäuden im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens muss auch der Nachweis der Erdbebensicherheit seitens des Bauherren nachgewiesen werden“, so der Pressesprecher. (tom)