Steinbachtalsperre/Mechernich – Hubert Schilles hat sein Leben riskiert und damit wahrscheinlich sehr vielen Menschen ihres gerettet – und die Orte Schweinheim, Palmersheim und Flamersheim gleich mit. Der Mechernicher Tiefbauunternehmer baggerte am Donnerstag den Abfluss an der Steinbach frei. Als dann gegen 18.35 Uhr die Schieber von e-regio-Mitarbeitern geöffnet werden konnten, flossen 6000 Liter pro Sekunde aus der Talsperre – plus dem Wasser, das die Feuerwehr mit Spezialgerät abpumpte.
Mechernicher imponierte Seehofer
Der Mut des 68 Jahre alten Mechernichers imponierte auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Politiker machten sich am Montag an der Steinbachtalsperre ein Bild von der Lage rund um den Staudamm. Dabei sprachen sie nicht nur mit Landrat Markus Ramers (SPD), dem Bundestagsabgeordneten Detlef Seif (CDU), sondern auch mit zahlreichen Helfern.
Und berichteten dabei auch von der heldenhaften Aktion des Tiefbauunternehmers. „Diese Aktion zeigt Zivilcourage und Engagement im Moment der Not“, so Laschet. Der Ministerpräsident sagte, dass die Talsperre für ein 10.000-jährliches Hochwasser ausgelegt sei – zu wenig für die Wassermassen, die am Mittwoch vom Himmel kamen.
Seehofer sprach angesichts der Unwetter und ihrer Folgen von einer „unfassbaren Tragödie“. Er lobte die Leistung der Helfer – nicht nur an der Steinbach, sondern in allen Katastrophengebieten. Ein solches Ereignis sei zuallererst eine Stunde für die Hilfe und für die Solidarität.
Unbürokratische Unterstützung bei millardenschwerem Wiederaufbau
Der Wiederaufbau werde Milliarden kosten. Das habe die Erfahrung gezeigt, so Seehofer. Euskirchens Landrat Ramers sagte, dass wichtiger als der Besuch der beiden Spitzenpolitiker sei, dass die Unterstützung von Land und Bund möglichst unbürokratisch verlaufen werde. „Wir brauchen Land und Bund, um das alles zu schaffen. Deshalb ist es gut, dass sie gesehen haben, wie wir betroffen sind“, so Ramers.
Es sei Hilfe in Milliardenhöhe für Kommunen notwendig, die Infrastruktur müsse wieder aufgebaut werden, sagten sowohl Laschet als auch Seehofer. Es ist eine Aufgabe „von nationalem Rang“, teilte der Innenminister mit. In den Hochwassergebieten seien etwa 2700 Helfer des Technischen Hilfswerks sowie weitere 800 Bundespolizisten im Einsatz.
Aufarbeitung der Abläufe im Katastrophenschutz nach der Krise
Mit Blick auf die Debatte über den Katastrophenschutz erklärte der Innenminister, dessen föderale Struktur sei richtig: „Zentralismus verbessert hier gar nichts.“ Nach der Bewältigung der Krisenlage müssten die Abläufe im Katastrophenschutz aufgearbeitet werden. Seehofer sagte, die Meldewege hätten nach seiner Information vonseiten des Bundes funktioniert. Auf der Ebene der Bundesländer wolle er sich dazu nicht einmischen.
Ministerpräsident Laschet sagte, es müsse analysiert werden, wie Katastrophen-Meldungen besser gemacht werden könnten. Nach der Hochwasser-Katastrophe hatte es Kritik gegeben, die betroffenen Menschen seien unzureichend oder nicht früh genug gewarnt worden. „Zentralismus verbessert hier gar nichts“, sagte Seehofer und wies entsprechende Forderungen der FDP und der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zurück.
Wichtiger als Schuldzuweisungen sei der Zusammenhalt der Menschen in den Krisenregionen und die erstklassige Arbeit der Hilfsorganisationen. Der Euskirchener Feuerwehrmann Rolf Stupp, der auch Abschnittsleiter rund um den Staudamm ist, sagte, dass er ein solches Ereignis in Deutschland noch nie erlebt habe. Als die Politiker auf den Damm spazierten, um sich ein noch genaueres Bild von den Schäden zu machen, intervenierte Stupp kurz. Zu viele Menschen halte die Teerschicht aufgrund der Auswaschungen unterhalb des Damms nicht aus. „Die Teerdecke ist grundsätzlich stabil, obwohl sie unterspült ist“, so Stupp. Dennoch müsse man nichts unnötigerweise heraufbeschwören. Mit einer Drohne und einem Hubschrauber wird der Damm weiterhin genau überwacht.
Eine Kirchheimerin, die von dem hohen Besuch am Montag am Rande mitbekam, wusste auf Nachfrage nicht, ob sie es gutheißen soll oder nicht. „Wenn sie nicht kommen, heißt es, sie kümmerten sich nicht. Kommen sie, ist es Wahlkampf“, sagte sie: „Wichtiger als der Besuch ist, dass den Betroffenen schnell geholfen wird.“