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Nur ein Lippenbekenntnis?Streit um Straßenausbaubeiträge im Kreis Euskirchen

Lesezeit 5 Minuten

Am Vorhaben der NRW-Koalition zum Thema Straßenausbaubeiträge scheiden sich gerade die Geister in der Politik.

Kreis Euskirchen – Werden die Straßenbaubeiträge nun abgeschafft oder nicht? Ist die Ankündigung der NRW-Koalition, die Anlieger finanziell zu entlasten, ein ernst gemeintes Vorhaben? Oder ein „reines Wahlkampfmanöver“, wie die Opposition ihr vorwirft? Die CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf hatte angekündigt, dass das Land die Straßenausbaubeiträge vollständig übernehmen werde.

„Die SPD hatte als Regierungspartei über 50 Jahre lang Zeit, am Kommunalabgabengesetz etwas zu ändern. Auch jetzt denkt sie nicht an die Menschen, sondern an ihre Wahlkampfplanung, denn ohne dieses Thema sind ihre gedruckten Flyer wertlos“, sagt Klaus Voussem, Euskirchener CDU-Landtagsabgeordneter.

Wahlkampf geht weiter

Thilo Waasem, Landtagskandidat der SPD, hält dagegen: „Ich werde meine Plakate weiter aufhängen, weil die Beiträge eben nicht abgeschafft werden.“ Das, was sich die CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf ausgedacht habe, führe dazu, dass in den Rathäusern weiter so getan werden müsse, als wäre nie etwas gewesen. „Am ganzen bürokratischen Aufwand ändert sich nämlich nichts“, so Waasem.

Das wiederum sieht Voussem anders. „Unser Konzept ist unbürokratisch. Einzige Voraussetzung für die künftige Förderung: ein zum 1. Januar 2022 bestehendes Straßen- und Wegekonzept. Das ist nichts Neues, denn das war auch bisher Voraussetzung für die Förderung“, sagt Voussem: „Wir werden so rasch wie möglich, spätestens bis zum 30. Juni, gemeinsam mit den Städten und Gemeinden ein Konzept erarbeiten, wie die Verpflichtung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entfallen kann.“

„Es gibt keine Rechtssicherheit für die Bürger“

Doch was ist, wenn der Fördertopf leer ist? „Wenn das der Fall ist, flattert die Rechnung wieder ins Haus. Es gibt keine Rechtssicherheit für die Bürger“, sagt Sozialdemokrat Waasem.

Christdemokrat Voussem widerspricht: „Entgegen den geäußerten Bedenken sind die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel vollkommen ausreichend. Mit einem Mittelabfluss von nur elf Millionen Euro in eineinhalb Jahren hat sich der Spielraum ergeben, den wir jetzt nutzen, um die Bürger jetzt sofort zu 100 Prozent zu entlasten.“ Das Programm bestehe seit zwei Jahren und stelle jährlich 65 Millionen Euro zur Entlastung der Bürger bereit. Damit stehen laut Voussem nun 119 Millionen Euro nur für dieses Jahr zur Verfügung.

Lippenbekenntnis?

Auch der Zusammenschluss aus mehreren Bürgerinitiativen hat die von den Regierungsfraktionen angekündigte Abschaffung der umstrittenen Straßenbaubeiträge als „Lippenbekenntnis“ kritisiert. Sie bezweifle, dass es die Koalition aus CDU und FDP zwei Monate vor der Wahl ernst meine, sagt die Schleidenerin Lydia Schumacher, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) „Schluss mit Strabs“.

Städte- und Gemeindebund

Bei bestehende Straßen werden in NRW Straßenausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) erhoben. Vorübergehend will das Land diese Straßenausbaubeiträge vollständig übernehmen. Die endgültige Abschaffung soll jedoch auf einen Termin nach der NRW-Landtagswahl verschoben werden. „Uns hat das Vorgehen der Koalitionsparteien überrascht“, sagt Philipp Stempel, Pressesprecher des Städte- und Gemeindebundes (StGB NRW). Als StGB NRW werde man genau darauf achten, dass das Land seinen Verpflichtungen zur Kompensation etwaiger wegfallender Anliegerbeiträge nachkommt – gemäß dem Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“. Es könne nicht sein, dass die Kommunen die Lasten allein tragen sollen. Es bestehe ein hoher Investitionsstau bei kommunalen Straßen, Wegen und Plätzen. „Dieser ist durch die jahrelange Diskussion um die Abschaffung der Anliegerbeiträge noch verschärft worden“, so Stempel. In Baden-Württemberg, Hamburg, Bayern und Berlin werden keine Straßenbaubeiträge erhoben. Auch in Rheinland-Pfalz wird es künftig keine mehr geben. (tom)

Die LAG fordert das sofortige Aus für die Anlieger-Beträge, die oft existenzbedrohend hoch seien. Derzeit fallen für Anlieger mitunter Beiträge in vier- oder fünfstelliger Höhe für den Straßenbau an. In Schleiden hätten sogar Flutopfer Rechnungen für kurz vor dem Hochwasser fertiggestellte Straßen erhalten, schildert Schumacher. „Wenn infolge der Flut ein Haus abgerissen wird, entbindet das den Besitzer nicht von der Zahlungspflicht“, sagt Schumacher. Nach den Vorstellungen der NRW-Koalition würden diese Anlieger – so wie viele andere ebenfalls – nicht profitieren, weil sie nicht in die bürokratischen Vorgaben der Reform passen. Sie alle würden sogar ein zweites Mal zur Kasse gebeten. Schumacher wundert sich über das Verhalten der FDP. Die Liberalen hätten doch immer für den Abbau der Bürokratie eingestanden. Und nun schaffe die Partei weiteren Bürokratismus.

„Die Ankündigung einer Abschaffung ist noch längst keine Abschaffung“, sagt Schumacher in Richtung Landesregierung. Eine echte Abschaffung sei vermutlich gar nicht das Ziel. Das werde deutlich, wenn man den Antrag von CDU und FDP lese. Dort stehe, dass zum 30. Juni 2022 ein Konzept zur Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen unter „Vermeidung von Konnexitätsfolgen für das Land“ vorgelegt werden soll.

„Es lohnt sich, einen langen Atem zu haben“

Die Landesregierung wolle nur die Musik bestellen und die Kommunen die Zeche dafür zahlen lassen. Schumacher: „Wo sich die klammen Kommunen das Geld dann holen müssen, ist klar: bei uns Anliegern.“ Das sei eine Entlastung der Anlieger durch eine Belastung der Anlieger. Und für diesen Taschenspielertrick wolle sich die Landesregierung im Mai wiederwählen lassen.

„Es lohnt sich, einen langen Atem zu haben“, kommentiert Rik Steinheuer, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler (BdSt) NRW, die Ankündigung der Landesregierung, den Straßenbaubeitrag in Nordrhein-Westfalen abzuschaffen. „Unsere Volksinitiative, unser beharrliches Festhalten an der Forderung, die Straßenbaubeiträge abzuschaffen, und die Aktionen der Bürgerschaft überall in NRW haben die Politik in Bewegung gesetzt.“

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Der Chef der Kreis-SPD, Thilo Waasem, geht nicht davon aus, dass die NRW-Koalition in der kommenden Woche einem Gesetzentwurf der SPD zustimmen wird. Im dem Gesetzentwurf stehe wortwörtlich drin: „Die Straßenausbaubeiträge werden abgeschafft.“ Wenn es nicht nur ein Wahlkampfmanöver sei, könne man da problemlos zustimmen, weil dann der bürokratische Aufwand wegfalle, so Waasem: „Wenn sie es vor der Wahl nicht abschaffen, schaffen wir es nach der Wahl ab.“