Anstieg um zehn bis 15 ProzentCorona beschert Tafeln im Kreis Euskirchen mehr Kunden
Kreis Euskirchen – Wolfgang Weilerswist hat gute Laune. Seit einer Woche hat die Tafel in Mechernich wieder geöffnet. Das ist nicht nur für Leiter Weilerswist ein Grund zur Freude, sondern auch für die Kunden. „Die waren froh, dass wir aufgemacht haben“, berichtet Weilerswist.
Damit das trotz Corona-Abstandsregeln und Hygienestandards funktioniere, habe sich die Tafel in Mechernich ein neues System ausgedacht. Die Kunden können nicht mehr selbst an die Regale, stattdessen geben sie ihre Tüten mit Angaben zur Personenanzahl und gewünschten Lebensmitteln bei einer Tafel-Mitarbeiterin hinter einer Plexiglasscheibe ab.
Mund-Nasen-Schutz und Desinfektionsmittel
Diese gibt die Informationen weiter an die anderen Helfer, die die Taschen befüllen und wieder zurückgeben. So soll für Kunden und Mitarbeiter das Ansteckungsrisiko minimiert werden. Zudem tragen alle einen Mund-Nasen-Schutz, und es gibt Spender mit Desinfektionsmittel für die Hände. In der nächsten Woche bekomme jeder Mitarbeiter noch ein Visier aus Plastik, berichtet Weilerswist.
Neu sind nicht nur die Regeln bei der Tafel, sondern auch einige Kunden. Rund zehn Prozent mehr Menschen kommen laut Weilerswist im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Pandemie. Bei vielen sei Kurzarbeit der Grund. „60 Prozent vom Mindestlohn ist immer noch erschreckend wenig“, sagt Weilerswist.
Besorgter Blick aufs Jahresende
Er zähle auch deutlich mehr Studierende unter den Kunden, die sich bislang mit Minijobs das Studium finanziert und dann wegen der Einschränkungen in der Wirtschaft aufgrund der Corona-Pandemie diese Jobs verloren hätten.
Eine Beobachtung, die Theo Korff von der Tafel in Euskirchen teilt. Hier seien es bestimmt sogar 15 Prozent mehr Kundschaft seit der Corona-Pandemie. Ein Umstand, der sich auch in den Regalen bemerkbar mache. „Es ist weniger geworden, weil viel viel mehr kommen“, berichtet er. Das merke das Team „gewaltig“. Sorgen bereite ihm der Blick auf den Herbst und Winter. Dann steigt die Zahl der Arbeitslosen meistens an. Korff befürchtet einen weiteren Anstieg bei den Tafel-Kunden und meint, dann könne es eng werden.
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Christian Kettner gehört zu den zehn Prozent mehr an Kundschaft bei der Mechernicher Tafel. Der 36-Jährige war zwar früher schon einmal Kunde, das ist aber länger her. Jetzt ist er hier wegen Corona. Dabei hatte ihm die Pandemie zunächst einen Vollzeit-Job beschert. Er habe für eine Sicherheitsfirma vor einem Supermarkt die Kunden auf die Abstandsregeln aufmerksam gemacht und geschaut, dass sich alle daran halten, berichtet er. Doch dann habe der Supermarkt beschlossen, dass es zu teuer sei, eine Vollzeitkraft dort abzustellen.
Nun beziehe er Hartz IV, und in der aktuellen Zeit sei es schwer, etwas Neues zu finden. Zunächst sei es ihm unangenehm gewesen, zur Tafel zu gehen, aber die Situation sei nun einmal so. „Das erste Mal ist das schon eine Hemmschwelle“, bestätigt Weilerswist. Auch wenn die Tafeln inzwischen gesellschaftlich recht anerkannt seien. Im Grunde sei es einfach traurig, dass das Angebot in einem so reichen Land nach wie vor gebraucht werde.