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„Wir wollen gehört werden“Euskirchener Bezirksschülersprecherin im Gespräch

Lesezeit 7 Minuten

Für mehr Partizipation der Schülerinnen und Schüler setzt sich Marlene Metternich (17), Sprecherin der Bezirksschülervertretung, ein.

Kreis Euskirchen – Sie ist 17 Jahre alt, besucht die 11. Klasse des Hermann-Josef Kollegs in Steinfeld und ist dort Schülersprecherin. Seit wenigen Wochen ist Marlene Metternich auch Sprecherin der Bezirksschülervertretung (BSV).

Sie sind bereits seit drei Jahren Schülersprecherin an Ihrer Schule. Woher kam die Idee, nun auch eine Bezirksschülervertretung zu gründen?

Wir wurden von den Bezirksschülervertretungen der Nachbarkreise darauf angesprochen, ob es bei uns im Kreis solch ein Gremium auch gibt. Da ist uns aufgefallen, dass sich da noch nie jemand drum gekümmert hat. Wir haben uns gefragt: Warum werden unsere Schüler nicht vertreten? Zählt die Stimme unserer Schüler weniger als die aus anderen Kreisen? Aus diesem Grund haben wir die Initiative ergriffen und mit drei Leuten angefangen. Um zu sagen: Unsere Schüler brauchen auch eine Stimme.

Seit dem 25. März ist die Gründung offiziell. Gab es Hürden?

Es war, als würden wir auf ein weißes Blatt Papier gucken. Wir haben zwar alle Erfahrung mit der Arbeit als Schülervertreter an unseren Schulen, aber hatten natürlich keine Ahnung, wie das auf Bezirksebene funktioniert. Insgesamt hat es aber sehr gut funktioniert. Wir haben gute Unterstützung vom Kreis Euskirchen bekommen. Und natürlich gab es Hürden. Eigentlich wollten wir uns bereits im Januar gründen.

Warum hat es so lange gedauert?

Auch wenn es wahrscheinlich keiner mehr hören kann: Corona. Die Gründung hat dadurch erst im dritten Anlauf funktioniert. Das hing mit dem Infektionsschutz zusammen. Und als größtes Problem abseits von Corona hat uns der Kontakt zu den anderen Schulen gefordert. Nicht jede Schule hat eine vernünftige Schülervertretung. Und das war ein Problem: Wir haben gesagt, die Bezirksschülervertreter werden auf den Konferenzen von den Schülersprechern gewählt. Aber die zu finden und Kontakt zu den Schülersprechern herzustellen, war unfassbar schwer. Wir sind auch immer noch dran, jede Schule zu erreichen und die Schülervertreter (SV) kennenzulernen.

Was war beim Gründungsprozess die größte Herausforderung?

Wir haben unsere Satzung selber geschrieben. Das hat bestimmt 50, 60 oder sogar 70 Stunden gedauert. Die Satzung war uns aber sehr wichtig, denn das ist der Grundbaustein, mit dem wir arbeiten. Da haben wir super viel Energie hineingesteckt. Aber auch Anträge an den Kreis stellen oder Geschäftsordnungen waren alles neue Sachen für uns, die wir erstmal erkunden mussten. Das hat natürlich relativ lange gedauert. Aber wir haben alle gemerkt, dass uns das unheimlich viel Spaß macht und das wir da alle Energie reinstecken wollen. Und es hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Was wurde inhaltlich in die Satzung der BSV mit aufgenommen?

In der Satzung sind unsere Aufgaben verankert. Uns war wichtig, dass auch alle nachfolgenden Bezirksschülervertreter sich daran orientieren können und nicht vom Thema abweichen. Da ist natürlich an erster Stelle die Interessenvertretung unserer Schüler. Das zu betonen, war uns besonders wichtig.

Wen vertritt die BSV?

Wir vertreten alle weiterführenden Schulen. Und da ist es egal, ob es eine Förderschule, eine Real- oder Gesamtschule oder ein Gymnasium ist. Auch Berufskollegs zählen dazu. Was uns natürlich die Schwierigkeit mitgibt, alle Meinungsbilder unter einen Hut zu bringen. Aber da die Mitte zu finden, macht besonders Spaß.

Die Bezirksschülervertretung

Die Bezirksschülervertretung (BSV) vertritt die Schülerinnen und Schüler aller weiterführenden Schulen im Kreis. Sie dient als Kontaktstelle zwischen den einzelnen Schulen und ermöglicht dadurch einen schulübergreifenden Austausch.

Die BSV Euskirchen repräsentiert mit 103 Bezirksdelegierten und zwei Landesdelegierten rund 26 000 Schüler sowohl auf Kreis- als auch auf Landesebene. Sieben gewählte Mitglieder bilden seit dem 25. März den Vorstand der Bezirksschülervertretung Euskirchen.

Ihr Ziel ist es, den Schülern in der Region Gehör zu verschaffen, sei es bei den Corona-Beschlüssen für die Schulen oder im Vorfeld der Bundestagswahl.

Mitmachen kann bei der BSV jede Schülerin und jeder Schüler aus dem Kreis, ohne Mitglied der Schülervertretung sein zu müssen. Kontakt per E-Mail oder Instagram. (jes)

info@bsv-euskirchen.com

@bsv_euskirchen

Wo legen Sie als BSV Euskirchen bei der Vertretung der Schüler die Schwerpunkte?

Der erste Schwerpunkt ist auf jeden Fall, uns in Zeiten von Corona eine Stimme zu verschaffen. Wir wollen, dass wir Schüler gehört werden. Frau Ministerin Gebauer wird immer gehört, es werden Lehrer und Eltern gehört. Aber wir haben wirklich nur sehr, sehr selten einen Schüler aus dem Kreis Euskirchen gehört. Was ist denn unsere Meinung zu der momentanen Situation? Es geht doch schließlich um uns. Das ist im Moment das Projekt, in das wir sehr viel Energie reinstecken. Zudem planen wir ein SV-Struktur-Projekt. Wir wollen die SV-Struktur an jeder Schule im Kreis soweit voranbringen, dass die Schüler Gelegenheit haben, in der Schule zu partizipieren. Nicht an jeder Schule gibt es eine gut funktionierende Schülervertretung. Ich habe das Glück auf einer Schule zu sein, die uns sehr gut unterstützt. Allerdings kann ich da nicht für alle Schulen sprechen. Da würden wir gerne ansetzen. Und dann steht ja auch die Bundestagswahl an, bei der wir den Schülern die Wahl näher bringen wollen.

Wenn Sie gefragt werden, wie Ihre Meinung zu der aktuellen Corona-Schulpolitik ist, was wäre die Antwort?

Ich glaube, dass wir Schüler unbedingt Sicherheit brauchen. Und die wird uns von der Landesregierung aktuell nicht vermittelt. Wir brauchen Sicherheit, wie das Schuljahr zu Ende gehen wird. Wir müssen früher wissen, ob und wann wir in die Schule gehen müssen. Wie fallen unsere Prüfungen aus? Wie sieht unser Start ins Berufsleben nach dem Abitur aus? Wir sieht das mit den Schülern aus, die totale Probleme mit dem Distanzunterricht haben? Da sprechen wir vor allem für die fünften, sechsten und siebten Klassen, die schon lange nicht mehr in der Schule waren und da gar nicht wissen, wo sie stehen.

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Was halten Sie, als Sprecherin der BSV Euskirchen, von dem Modell des Wechselunterrichts?

Erstmal ist es eine gute Idee, die Schüler wieder in die Schule zu schicken. Auf jeden Fall! Wir brauchen die Bildung, die wir in den letzten Monaten vermisst haben. Distanzunterricht hin oder her, aber Präsenzunterricht ist immer noch die beste Möglichkeit Bildung zu vermitteln. Man muss natürlich sagen, und das ist auch der Punkt, um den wir uns viele Gedanken gemacht haben: Inwieweit funktioniert das mit dem momentanen Infektionsgeschehen? Die Sicherheit der Schüler darf da nicht außer acht gelassen werden. Dafür gibt es ja aber, Gott sei Dank, neuerdings die Testpflicht. Das ist super für die Sicherheit der Schüler, die in die Schule gehen. Aber das Manko an der ganzen Sache ist unserer Meinung nach, dass es kein Konzept für diejenigen gibt, die zu Hause bleiben müssen. Da stecken meist nicht die Schüler selbst hinter, sondern es sind die Eltern, die nicht möchten, dass die Schüler selbst die Tests durchführen. Solche Fälle gibt es auch an unserer Schule.

Einer der Schwerpunkte ist es, die Bundestagswahl näher zu bringen. Wie stellt die BSV Euskirchen sich das vor?

Wir haben eine Art eigenes Konzept entwickelt. Wir haben gemerkt, dass ganz viele Schüler, auch in den älteren Klassen, eigentlich gar keine Ahnung davon haben, was wirklich ein Parteiprogramm ist oder wen wir da wählen. Deshalb haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Projekte wie die Juniorwahl zu unterstützen und die an die Schulen zu bringen. Aktuell sind wir dabei, ein Konzept zu entwickeln, wie wir selber beispielsweise Kandidaten oder Parteien befragen und Auskunft an die Schüler geben können. Denn bei der nächsten Bundestagswahl in vier Jahren haben ganz schön viele von uns die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben. Und dafür sollte die Schule darauf vorbereiten, wie man sich vernünftig informieren kann.

Schafft das der Politikunterricht noch nicht alleine? Der ist doch eigentlich Bestandteil des Lehrplans?

Wir haben tatsächlich sehr wenig Politikunterricht. Ich hatte zwei Jahre Politik in meiner Schullaufbahn. In der Oberstufe habe ich Sozialwissenschaften. Das ist ein guter Punkt: Im Unterricht müsste so etwas wie die Bundestagswahl viel stärker behandelt werden. Aber es braucht meiner Meinung nach nicht unbedingt Politikunterricht, um über so etwas wie die Bundestagswahl aufzuklären. Es gibt genug Fächer, sei es Geschichte, Erdkunde oder Deutsch, in denen man schöne Projekte dazu machen kann.

Wie können Sie in Ihrer Arbeit unterstützt werden?

Zum einen ist die Unterstützung der Schulleitung wichtig: Werden wir in die Fragen mit eingebunden? Welche Möglichkeiten zur Mitwirkung haben wir? Und wie ist die Kommunikation zur Schulleitung? Der zweite Punkt ist die finanzielle Unterstützung durch Fördervereine oder durch die Schule. Oft haben die Schülervertretungen zu wenig Budget für große Projekte. Da würden wir uns mehr wünschen.