Serie „Nachhaltig arbeiten“Handarbeit und Hasenmafia in Füssenich
Zülpich-Füssenich – Johannes Mahlberg kann nicht aufhören zu essen. Wenn er durch seine Gemüsebeete in den Gewächshäusern streift, dann wandern wie von selbst Tomaten, Gewürzgurken und Basilikumblätter von seiner Hand in den Mund.
Der Verkaufsraum im vorderen Teil des Hofs ist heute leer. Nur einmal die Woche verkauft Familie Mahlberg hier eigenes Obst und Gemüse sowie Zierpflanzen, die sie auf den Ländereien hinter dem Hof anbauen. „Die meiste Zeit gehen wir auf die Märkte“, erklärt Mahlberg und deutet auf den hinteren Bereich des Hofs. Grüne Kisten voller Gurken stapeln sich vor dem Kühlraum, den die Familie in der ehemaligen Scheune installiert hat. „Die habe ich heute geerntet. Eigentlich sind die schon zu groß. Die sollen eingelegt werden“, erklärt er, greift sich eine, und beißt ab: „Schmecken aber gut.“
Bio-Siegel als Ziel
32 Jahre alt ist er, den Hof hat Mahlberg vor zweieinhalb Jahren von seinem Vater übernommen. Sein aktuelles Ziel sei es, das Bio-Siegel zu erhalten. „Meine Eltern haben im Grunde schon vieles gemacht, was Bio und nachhaltig war. Und ich dachte mir nach meiner Übernahme, dass es schön wäre, wenn da noch ein Siegel drauf ist. Das macht das Ganze noch glaubwürdiger“, erklärt er.
Nachhaltig arbeiten, einen grünen Beruf ausüben – all das hätten seine Eltern ihm in die Wiege gelegt. Dennoch habe er auch erst einmal die andere Seite sehen wollen. Anglistik und VWL habe er studiert. „Ich habe zwar schon immer hier auf dem Hof gearbeitet, ich bin hier groß geworden. Es hat mich immer schon gereizt, aber ich wusste nicht genau, was ich machen möchte.“ Deshalb habe er nach dem Studium zuerst vier Jahre im Büro gearbeitet: „Als mein Papa in Rente gegangen ist, hat es mich dann hierhin gezogen, und jetzt mache ich das seit zweieinhalb Jahren.“
Täglich Unkraut jäten
Was seine Arbeit auf dem Hof besonders nachhaltig mache? „Die Scheißarbeit“, erklärt Mahlberg ohne Umschweife. Ein Landwirt, der nicht spritze, müsse Unkraut jäten. Und das tut Mahlberg fast täglich. In gebeugter Haltung mit einem „Krätzer“. Was er am meisten an seinem Beruf möge? „Nicht unkrauten“, sagt er und grinst: „Das muss man halt am meisten machen.“
Alle seine Mitarbeiter jäten mit dem „Krätzer“, wie Mahlberg erklärt: „Für ein automatisches System ist der Betrieb einfach zu klein.“ Er verlässt die Scheune, vorbei an zwei Traktoren, in Richtung der Felder und Gewächshäuser, um zu zeigen, wie das mit dem „Krätzer“ funktioniert. Unter den Plastikdächern ist es warm und stickig, selbst wenn draußen keine Sonne scheint. Es riecht nach Basilikum und Tomatensträuchern.
Solaranlage ist nächster Schritt
Neben dem geplanten Bio-Siegel sei der nächste Schritt eine Solaranlage auf den Dächern der Hofgebäude, sagt Mahlberg. „Der Tag geht morgens um sieben oder acht los, und abends um acht bin ich fertig. Momentan habe ich kaum Zeit, mich zu informieren. Aber wenn ich mal Luft habe, ist das der nächste Schritt“, so der Landwirt: „Eine Solaranlage wäre für uns einfach ideal: Im Sommer ist es heiß, da läuft der Kühlraum mehr. Im Winter gibt es zwar weniger Sonne, aber dafür muss der Kühlraum auch weniger laufen.“
Öffnungszeiten
Mittwochs und freitags haben die Mahlbergs ihren Hofladen in Füssenich von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Am Donnerstag stehen sie auf den Wochenmärkten in Zülpich und Brühl, freitags auf dem Wochenmarkt in Mechernich und samstags auf dem in Euskirchen, jeweils von 8 bis 13 Uhr. Montags und dienstags findet kein Verkauf statt, da die Mitarbeiter sich auf die Feldarbeit konzentrieren. (enp)
Eine der größten Herausforderungen sei der tägliche Kampf mit der „Hasenmafia“, wie Mahlberg sagt: „Wir lassen die Hasen natürlich hier leben. Auch wenn ich die manchmal gern wegsperren würde.“ Wenn er seine Pflanzen nicht abdeckt, kommen sofort die Hasen und fressen alles weg. Die Bezeichnung „Hasenmafia“ habe Mahlberg sich im Zuge seines Hobbys ausgedacht, dem Poetry-Slam: „Die sind immer so schnell da, ich habe mal vermutet, dass die sich untereinander absprechen oder organisiert sind.“
Auftritt in sozialen Medien
Neben dem Unkrauten und Verkaufen beschäftigt sich Mahlberg eigenen Aussagen nach auch mit Pflanzen, Umtopfen, Ernten und dem Auftritt auf den Sozialen Medien. Bei der Planung unterstütze ihn seine Mutter: „Die macht das seit 30 Jahren, die hat im Blut, wann was angebaut werden muss.“
Zwar wird auf dem Hof nicht gespritzt, nachhaltig und biologisch gedüngt werde aber dennoch. „Wir benutzen Schafswollpellets. Das ist wirklich Wolle von lebendigen Schafen“, erklärt Mahlberg: „Es gibt auch zum Beispiel Hornspäne. Das ist auch ein Dünger, das sind von den Schlachtabfällen die Reste – die Hörner, die Hufe. Die werden dann klein gehackt. Das ist ein Stickstoffdünger, der auch im Bio-Bereich verwendet wird.“ Das heiße auch, dass nicht jedes Bio-Gemüse automatisch vegan sei: „Biologisch ist alles, was organisch ist. Man nutzt quasi die Ressourcen, die man hat.“ Dennoch bleibe Mahlberg lieber bei den Schafswollpellets, die sogar noch nach Schaf riechen.
Leidenschaft für gute Lebensmittel
Heute für die Zukunft vorsorgen
Welchen Beruf will ich ausüben? Eine Frage, die das gesamte restliche Leben prägen kann. Gerade in der heutigen Zeit drängt sich bei der Frage nach der Berufswahl auch das Thema „Nachhaltigkeit“ in den Fokus. In welchen Jobs können Berufseinsteiger die Umwelt schützen? Welche Jobs haben auch in 20, 30 Jahren noch eine Zukunft?
In der neuen Serie „Nachhaltig arbeiten“ geben verschiedene Protagonisten aus dem Kreis Einblicke in Berufsbilder der Zukunft. Dabei soll es vor allem darum gehen, jungen Menschen ein Bild davon zu vermitteln, wie der Arbeitsalltag der Protagonisten aussieht und wie der Beruf zur Nachhaltigkeit beiträgt.
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Aufgrund der langen Arbeitszeiten sei der Beruf nicht für jeden etwas. Doch wer gerne mit den Händen arbeite und Essen sowie Lebensmittel liebe, dem empfehle er trotzdem, einmal reinzuschnuppern. „Am Ende des Tages schaut man aufs Feld und sieht, was man geschafft hat. Dann kann man zufrieden nach Hause fahren“, erklärt Mahlberg. Seine Leidenschaft für gute Lebensmittel höre aber nicht beim Anbau und Verkauf auf. Wenn er um halb neun nach Hause komme, koche er mit dem Obst und Gemüse vom eigenen Feld – und das jeden Tag. „Kochen ist für mich Pause“, erklärt er: „Was samstags übrig bleibt und weg muss, das nehme ich abends mit. Meine Schwester hat lustigerweise mal gesagt, wir hätten schon immer den Kompost gegessen, weil ich immer das mitnehme, was übrig bleibt.“
Mit einem Grinsen sagt er: „Ich liebe Kochen einfach. Das ist einfach geil. Wann kannst du dich schon in einen Kühlraum stellen und dich frei bedienen?“ Sein Lieblingsessen ändere sich demnach nach der Jahreszeit, es werde nur das gegessen, was gerade Saison habe. „Ich habe vier Lieblingsessen. Gerade sind es eindeutig Tomaten. Es ist richtig toll, wenn du Tomaten nimmst und die mit frischen Frühlingszwiebeln und Knoblauch andünstest.“ Im Winter sei das „Geilste der Welt“ Rotkohl mit „mindestens zehn Äpfeln“, im Herbst Milchbohnensuppe mit Pfannkuchen und Gurkensalat – das sei „pervers, aber klasse“. Und im Frühling? „Rote Beete in der Pfanne gemacht und Birnen dazu“, ist die Antwort.
Reste kommen auf „Too good to go“
Alles, was übrig bleibt und Mahlberg nicht am gleichen Tag verbraucht, verkauft er auf der Plattform „Too good to go“. Darüber können sich Menschen für vier Euro eine Box mit Obst und Gemüse abholen.
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Für viele die wichtigste Frage: Wie viel verdient man denn nun als nachhaltiger Gemüsebauer? „Geht so“, antwortet Mahlberg: „Wenn ich was verdiene oder ein gutes Jahr habe, stecke ich alles wieder in den Betrieb.“ Aber er sagt auch: „Klar, du wirst nicht reich, aber ich lebe auch nicht arm. Gerade kann ich mir zwar kein neues Auto leisten, aber dafür habe ich ja einen Traktor.“ Das Stichwort sei hier eben der individuelle Fokus: „In den Berufen, die ich vorher hatte, da hatte ich in einem Jahr meine Bafög-Schulden abbezahlt. Das ist natürlich jetzt anders.“ Dafür baue er sich nun was Eigenes auf.