Haus BollheimBetrieb war vor 40 Jahren einer der ersten Bio-Bauernhöfe der Region
Zülpich-Overelvenich – Das Ikea-Regal vom Typ Ivar, das im Büro eine komplette Wand einnimmt, sieht so aus, als stamme es noch aus den 1980er Jahren – ansonsten aber hat sich auf dem Bauernhof am Ortsrand von Oberelvenich viel verändert in den vergangenen vier Jahrzehnten.
„1982 habe ich als Jüngster hier im Haus Bollheim angefangen, heute bin ich der Älteste“, sagt Hans von Hagenow, einer der vier Geschäftsführer, mit einem Schmunzeln. Das 40-jährige Bestehen des Bio-Betriebs wird in diesem Jahr mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm gefeiert.
Entschädigungssumme von Rheinbraun
Die Landwirtschaft wurde von Hagenow nicht in die Wiege gelegt, aber nachdem er ausgerechnet in der Großstadt Berlin erste Erfahrungen mit dem bio-dynamischen Landbau gemacht hatte, war klar, dass er in diesem Berufsfeld arbeiten wollte.
Von Hagenow absolvierte eine Lehre auf einem Demeter-Betrieb in Etzweiler bei Elsdorf – und als der Hof dem Braunkohletagebau Hambach weichen musste, zog der ganze Betrieb in die Voreifel um. Mit dem Geld, das Rheinbraun als Entschädigung zahlte, konnten die Bio-Pioniere den alten Gutshof zwischen Zülpich und Euskirchen kaufen.
„Wir waren Exoten im Dorf, als wir hier ankamen – und sind es vielleicht auch bis heute ein bisschen geblieben“, überlegt von Hagenow. Aus dem guten Dutzend – heute würde man sie „Ökos“ nennen – sind im Lauf der Jahre rund 45 Bewohner geworden, die auf Haus Bollheim leben.
90 Mitarbeitende zählt der Demeter-Betrieb
Insgesamt zählt der Betrieb rund 90 Mitarbeitende. „Gemüseanbau, Käserei, Hofladen und Marktstände: Das sind alles sehr personalintensive Bereiche“, sagt der Betriebsleiter. Zusammen mit den heutigen Mit-Unternehmern Arne Mehrens, Olaf Seyd und Christian Reiske ist er für die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebs verantwortlich.
„Ich glaube aber sagen zu können, dass sich das Verhältnis zum Dorf sehr gut entwickelt hat. Es leben sogar einige Bollheimer in Oberelvenich“, so Hagenow weiter: „Wir haben direkt im ersten oder zweiten Jahr die Leute aus dem Dorf zu uns eingeladen, das war wichtig“, erinnert er sich. Die Anfangsjahre waren von vielen Bauarbeiten geprägt. „Wir haben viel renoviert, viel gebaut“, berichtet von Hagenow.
Jubiläum
Vielzahl von Veranstaltungen
Sein 40-jähriges Bestehen feiert das Haus Bollheim mit einer Vielzahl von Veranstaltungen. Führungen durch Feld, Stall und Flur gehören ebenso zum Programm wie ein großes Hoffest am 11. September. Hier eine Auswahl der nächsten Termine:
Tipps für den heimischen Garten
Freitag, 27. Mai (15 bis 17 Uhr): Rundgang durch den Gemüseanbau. Gartenbauleiter Arne Mehrens gibt den Teilnehmern dabei auch zahlreiche Tipps für den heimischen Garten.
Spaziergang über die Weiden
Samstag, 28. Mai (10.30 bis 12 Uhr): Entwicklung der Bollheimer Rinderherde. Auf einem Spaziergang über die Weiden wird Sivert Joerges erläutern, warum es – anders als vor 40 Jahren – auf Bollheim wieder Rinder und Hühner gibt.
Biologisch-dynamische Präparate
Freitag, 3. Juni (15 bis 17 Uhr): Die Präparate der biologisch-dynamischen Wirtschafsweise. Hans von Hagenow berichtet über die Wirksamkeit des verwendeten Mistpräparats.
Ganz wichtig: Die Direktvermarktung der eigenen Produkte gehörte von Anfang an zum Konzept. Schon damals wurde auch die Käserei konzipiert, die sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem echten Aushängeschild des Betriebs entwickeln sollte. „Die Veredlung der eigenen Produkte bietet sich natürlich an, um eine höhere Wertschöpfung zu erzielen“, so von Hagenow weiter.
Die 70 Hof-Kühe liefern bis zu 380.000 Liter Milch jährlich
Heute wird die Milch der insgesamt rund 70 hofeigenen Kühe fast komplett selbst verarbeitet. Im Jahr kommen da rund 360.000 bis 380.000 Liter Milch zusammen. „Wir kaufen aber auch noch etwa 20.000 Liter Schafsmilch aus der Eifel zu, mit der wir sehr leckeren Schafskäse herstellen“, ergänzt Olaf Seyd, der schon seit einigen Jahren für den Betrieb der Käserei verantwortlich ist.
Der Käse ist auch ein beliebtes Produkt an den Marktständen auf den Kölner Ökomärkten am Rudolfplatz, am Neusser Platz und am Severinskirchplatz. Dort ist der Biohof aus der Zülpicher Börde regelmäßig vertreten ist und kann auf eine große, zahlungskräftige Stammkundschaft bauen.
„Vor ein paar Jahren hatte ich tatsächlich die Befürchtung, dass unsere Kundschaft auf den Märkten und hier im Hofladen auf Haus Bollheim langsam aber sicher vergreist“, schmunzelt von Hagenow, der sich mit seinen 64 Jahren ebenfalls langsam dem Rentenalter nähert. „Aber es sind dann doch immer wieder die jungen Familien, die sich, sobald sich Nachwuchs einstellt, mehr Gedanken um die Herkunft und die Qualität ihrer Nahrungsmittel machen“, hat er festgestellt.
Eröffnung eines eigenen Kindergartens
Auch die Eröffnung eines eigenen Kindergartens habe dazu beigetragen, den Hofladen zu beleben. Dabei gehört es fest zum Konzept des Betriebs, die Kunden umfassend über die ökologische Wirtschaftsweise auf dem heute 210 Hektar großen Betrieb zu informieren, was sich auch im Veranstaltungsprogramm zum Betriebsjubiläum widerspiegelt.
Im Grunde ist es eine Lebenseinstellung, die Überzeugung, dass wir die Welt ein Stück besser machen können, wenn wir in allem nachhaltig denken und handeln, wenn wir bei allen Mühen mit dem Detail das große Ganze nicht aus den Augen verlieren und auf allen Ebenen ein harmonisches Gleichgewicht von Geben und Nehmen herstellen“, ist dazu auf der Internetseite des Hofs zu lesen: „Nur so können die Synergien und Lebensgemeinschaften entstehen, die aus einer Landschaft eine Kulturlandschaft machen.“
Zucht von Sorten, die mit Trockenheit zurechtkommen
Der Wandel gehört zu einer solchen Entwicklung natürlich dazu. Und beim Thema Klimawandel ist klar, dass auch die biologische Landwirtschaft Antworten auf drängende Fragen finden muss: „Wasser war hier im Regenschatten der Eifel für die Bauern in der Zülpicher Börde natürlich schon immer ein Problem“, so der Landwirt. Aber das verstärke sich nun durch längere Trockenperioden noch weiter. Ziel sei es daher zum Beispiel, eigene Gemüse- und Getreidesorten zu züchten, die mit der Trockenheit besser zurechtkommen.
Haus Bollheim steht wirtschaftlich gut da
Und wie geht es weiter auf Haus Bollheim? „Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird“, überlegt von Hagenow: „Wir haben uns immer auf aktuelle Änderungen im Kaufverhalten unserer Kunden eingestellt und werden das auch weiterhin tun.“ Der Betrieb stehe gut da im 41. Jahr seines Bestehens. „Hier muss keiner reich werden, aber wir schaffen eine schwarze Null“, resümiert der Betriebsleiter.
Ein wichtiger Aspekt für die Zukunft ist sicher die Beteiligung an der Regionalwert AG Rheinland: Über Anteilsscheine können zum Beispiel auch Bollheim-Kundinnen und -Kunden in die finanzielle Zukunft von landwirtschaftlichen Betrieben investieren. Geld, das alle Betriebe für die wirtschaftliche Fortentwicklung dringend benötigen.
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„Bei uns auf dem Hof wird zum Beispiel gerade der Neubau eines mehr als 300 000 Euro teuren Mistlagers über die Regionalwert-AG finanziert“, freut sich Hans von Hagenow.