Zülpich-Nemmenich – D’r Zoch kütt – und er hält sogar an. Dieses Glücksgefühl hatten die 705 Einwohner Nemmenichs schon seit 15 Monaten nicht mehr. Im April vergangenen Jahres hatte die Deutsche Bahn (DB) Station & Service die Haltestelle ohne Vorwarnung aus wirtschaftlichen Gründen dichtgemacht.
Am Samstag war dieser herbe Rückschlag für die gewünschte Wiederaufnahme der fahrplanmäßigen Personenbeförderung auf der Strecke Euskirchen-Düren wieder vergessen. Jubel brandete auf, als sich ein nagelneuer Regio-Shuttle der Haltestelle Nemmenich näherte und Lokführer Sven Cremer den Zug rund 30 Meter vor dem 1955 gebauten alten Bahnwärterhäuschen zum Stehen brachte. Eine ältere Dame und ein kleines Kind waren die ersten Fahrgäste, die seit über einem Jahr wieder in Nemmenich aussteigen konnten.
Die beiden müssen gute Beziehungen zur Interessengemeinschaft Rurtalbahn und zum Verein Bürgerbahn haben. Denn Personen werden normalweise mit dem Bördeexpress nur in der Sommerzeit an Sonntagen befördert: als Ersatz für den Schnellbus zwischen Euskirchen und Düren, der dann nicht verkehrt. Der Regio-Shuttle hatte am Samstag im Bahnhof Zülpich darauf gewartet, sich auf Abruf für die große Wiedereröffnungsparty mit einer Leerfahrt in Richtung Nemmenich aufzumachen.
Mit der ausdrücklichen Zustimmung des Eisenbahnbundesamtes, das die Haltestelle eine Woche zuvor inspiziert und für sicher befunden hatte. Die Ehrenamtler der IG Rurtalbahn und des Vereins Bürgerbahn um ihren Vorsitzenden Sebastian Petermann und die Nemmenicher Dorfgemeinschaft mit Ortsvorsteherin Luzia Schumacher an der Spitze sind in Sachen Bahnsteig- und Wärterhaus-Sanierung offenkundig vom Fach.
Nachdem die Stadt Zülpich in einem bislang bundesweit einmaligen Vertragswerk mit der DB die Haltestelle übernommen hatte, waren die ehrenamtlichen Kräfte dafür zuständig gewesen, die Nebengleisanlagen in einen verkehrssicheren Zustand zu versetzen. Der Untergrund der Bahnsteige erwies sich dabei als maroder, als zunächst gedacht. Der ursprünglich als Wiedereröffnungstermin ins Auge gefasste 2. Juni konnte nicht gehalten werden.
Die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft erhielt am 5. März 1865 die Konzession für den Bau und den Betrieb der Strecke Düren-Schleiden. Diese Schienentrasse war von der Hüttenindustrie in der Eifel gefordert worden, um Erze absetzen und Steinkohle aus dem Inde- und dem Wurmrevier heranschaffen zu können.
In den 20er Jahren wurde die Strecke zweigleisig ausgebaut, 1955 begann der Rückbau. Damals verkehrten täglich nur noch 18 Züge pro Richtung. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen wurde die fahrplanmäßige Personenbeförderung auf dem Abschnitt zwischen Euskirchen und Düren am 27. Mai 1983 eingestellt. Lediglich durch den immer noch benötigten Güterverkehr konnte die komplette Stilllegung verhindert werden. So wird nach wie vor eine große Papierfabrik in Zülpich über die Schiene mit Braunkohle für das betriebseigene Kraftwerk beliefert.
Seit fast zehn Jahren gibt es Bestrebungen, den Bördeexpress wiederzubeleben. Die Interessengemeinschaft Rurtalbahn und der 2009 neu gegründete Verein Bürgerbahn bemühen sich um die Reaktivierung der Strecke. Vom 2. Juni bis zum 29. September und während der Landesgartenschau ersetzt der Bördeexpress sonntags die Schnellbuslinie zwischen Düren und Euskirchen, die nur werktags verkehrt. Der Betrieb wird durch Ehrenamtler nach dem Prinzip des Bürgerbusses aufrecht erhalten.
Der neue Fahrplan ist hier einzusehen. Haltepunkt ist als einzige Zwischenstation auf der Stecke Euskirchen-Düren auch wieder Nemmenich. (jsp)
148 Kantensteine mit einem Gewicht von je 37 Kilogramm wurden gesetzt, 428 Halbzentnersäcke Zement gewuchtet, 53 Tonnen Füllkies und 25 Tonnen Gleisbauschotter verbraucht, 53 Meter Eisengeländer und zwei Straßenlaternen angebracht und 100 Meter Kabel gezogen. Am Samstag sagte ein sichtlich stolzer Sebastian Petermann, dass der Bahnsteig in Nemmenich nun der „beste auf der ganzen Strecke ist“.
Die Feier, mit der sich die fleißigen Ehrenamtler belohnten, hatte Volksfestcharakter. Die Gäste wurden zu einer kurzen Spritztour mit dem Regio-Shuttle Richtung Elsig und retour eingeladen, die kleinen Sänger des heimischen Kindergartens trugen ein Eisenbahnliedchen vor, und Kaplan Stefan Wißkirchen gab der Haltestelle den Segen der Kirche: „Auch wenn die Bibel für Bahnhöfe und Bahnsteige nur wenig hergibt.“ Stimmt, denn nicht die Bibel, sondern spendierfreudige Sponsoren hatten die Sanierung ermöglicht. Da die 1059 Arbeitsstunden unentgeltlich erledigt wurden, kam man für die Neuanlage des 50 Meter langen Bahnsteigs mit 6000 Euro hin. Die Bahn AG veranschlagt für solche Maßnahmen fast das Zehnfache.
Nemmenich, das nur 1,5 Kilometer vom Wassersportsee entfernt liegt, wird nun wieder regelmäßig vom Bördeexpress angefahren, der bis zum 29. September zwischen Düren und Euskirchen sonntags dreimal täglich hin- und zurück fährt. Während der Landesgartenschau verkehrt der Zug, ebenfalls nur sonntags, zwischen Euskirchen und Zülpich im Stundentakt. In Düren startet lediglich ein Morgenzug, der die Fahrgäste abends wieder zurückbringt. Petermann bedauert, dass in Düren nicht häufiger Halt gemacht wird.
Mit einer fahrplanmäßigen Personenbeförderung von montags bis sonntags ist laut Petermann allerdings frühestens 2015 zu rechnen: „Das müssen dann Profis machen.“
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