Fair Zülpich kooperiert mit Netz Bangladesch. Die Organisation und spürt die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe im Bundeshaushalt deutlich.
Kürzungen im BundeshaushaltZülpicher Verein sorgt sich um Hilfsprojekte in Bangladesch
Joachim Berg macht sich Sorgen. Dabei ist er gerade erst aus dem Urlaub zurückgekommen. Doch vor zwei Wochen hat sich der Verein Netz Bangladesch an ihn gewandt, mit einem dringenden Hilferuf. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet der Verein Fair Zülpich, dessen Vorsitzender Berg ist, mit Netz Bangladesch zusammen. Nun sieht man sich einem „Riesenproblem“ gegenüber: Die Bundesregierung streicht Gelder.
Im Haushalt 2024 wurden der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und die humanitären Hilfen um insgesamt 1,44 Milliarden Euro gekürzt. Und auch im Haushalt 2025 soll weiter gespart werden.
Netz Bangladesch musste wegen der Kürzungen ein Projekt stoppen
Das hat Folgen. „2023 konnte Netz erstmals seit vielen Jahren gar kein Neuprojekt mit einer BMZ-Förderung starten“, schreibt Netz Bangladesch in einer Mitteilung. Ein bereits ausgearbeitetes Projekt habe man im letzten Moment absagen müssen. „Wenn die vom Bundesfinanzministerium skizzierten Kürzungen für den BMZ-Etat 2025 wie aktuell vorgesehen eintreten, könnte Netz 15.000 bis 20.000 Menschen nicht mehr in ihrem Lebenskampf in ein menschenwürdiges Leben unterstützen.“
Für Berg eine besorgniserregende Vorstellung. Deshalb hat er sich an die Bundestagsabgeordneten Detlef Seif (CDU), Markus Herbrand (FDP), Dagmar Andres (SPD) und die Grünen-Fraktion gewendet. „Die vom Finanzministerium durchgesetzten breiten und undifferenzierten Kürzungen der entsprechenden Etats werden der Komplexität der Herausforderungen in keiner Weise gerecht“, schreibt er. Sie führten den Anspruch der Regierungsparteien, eine neue Politik machen zu wollen, ad absurdum.
Zülpicher Verein geht es um Verantwortung
„Für mich ist das unabhängig von der moralischen Frage eine Frage des Überlebens der Menschheit“, sagt Berg im Gespräch mit dieser Zeitung. Die großen Probleme der Welt wie Klimakrise, Hunger, Migration oder Umweltverschmutzung ließen sich nur gemeinsam lösen. Deutschland habe eine Verantwortung, und dafür brauche es Entwicklungshilfe.
Das sehen in der politischen Diskussion nicht alle so. Man muss nicht einmal nach ganz rechts zur AfD schauen, auch aus CDU, CSU und FDP gibt es einige Stimmen, die Kürzungen in der Entwicklungshilfe für notwendig halten. In diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten müsse das Geld im eigenen Land bleiben, ist ein Argument, das in vielen politischen Diskussionen rund um den Bundeshaushalt fällt.
Nationalismus ist für Zülpicher ein Denkfehler
Berg kann damit nicht viel anfangen. Er habe Verständnis dafür, dass Menschen Angst um ihren Status und ihre wirtschaftliche Situation hätten. Nationalismus als Antwort sei aber ein Denkfehler, das Abschotten gegen Außen in einer globalisierten Welt politisch unsinnig. „Wenn wir das wirklich ernst nehmen mit dem Generationenvertrag, wird es uns nichts nutzen, wenn wir unseren nachfolgenden Generationen weniger Schulden, aber einen Haufen Probleme hinterlassen“, betont Berg. „Ich denke da sehr an meine Enkelkinder.“
Das hat er auch den Politikern geschrieben. Eine Antwort hat er bisher nicht erhalten. Das wundert ihn aber nicht. Bei all den aktuellen politischen Themen falle so etwas hinten runter. Klar ist, dass er nicht der Einzige ist, der seine Stimme erhebt.
Viele Nichtregierungsorganisationen haben sich zu Wort gemeldet. Auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit warnt vor weiteren Kürzungen in der Entwicklungshilfe. Noch sind diese nicht in Stein gemeißelt, laut der Nachrichtenagentur Reuters will das Kabinett bis zum 17. Juli einen Haushaltsentwurf aufstellen.
Netz Bangladesch setzt sich vor allem für Frauen ein
Netz Bangladesch setzt sich laut Berg für Ernährungssicherung, Bildung und Gleichstellung der Frauen ein und arbeitet nach eigenen Angaben eng mit Sozialorganisationen vor Ort zusammen. Fair Zülpich sei es wichtig gewesen, mit einer Organisation zusammenzuarbeiten, die nachhaltig und vor Ort agiere, so Joachim Berg. Es bestehe heute eine enge Verbindung zwischen dem Verein und Netz Bangladesch.
Gegründet wurde die Organisation 1989. Sie sitzt in Wetzlar, hat aber auch Büros in Berlin und Dhaka. Im Zentrum ihrer Arbeit stehen vor allem Frauen. Diese seien von Armut, Klimakrise und Entrechtung besonders bedroht und gleichzeitig sehr wichtig für Lösungen. Loki Khatun beispielsweise, sei Bettlerin gewesen, bis sie von der Organisation mehrere Enten als Start-Hilfe für ihre Geflügelzucht erhalten und rasch Erfolge erzielt habe, heißt es von Netz Bangladesch. Heute sei sie Vorsitzende einer ganzen Frauengruppe, die nun wiederum anderen in Not geratenen Frauen helfe.