Nach tagelangem Aufbau bot Holger Weimbs im Duett mit der Karussellorgel von Familie Schleifer ein bemerkenswertes Konzert.
Konzert in ZülpichSo klingen Popcorn und Zuckerwatte auf der Karussellorgel
Was, bitte, hat eine Kirmesorgel in einer Kirche zu suchen? Diese Frage hat sich vermutlich der eine oder andere Besucher gestellt, der in der Pfarrkirche St. Peter in Zülpich die bunte Karussellorgel aus dem Jahr 1896 stehen sah. Die Antwort: Viel mehr, als man im ersten Moment so meint, denn ohne Kirche gäbe es auch keine Kirmes.
Das Wort Kirmes ist eine Kurzform von Kirchweihmesse und trägt bis heute in den meisten Orten den Namen von Heiligen. Das inspirierte Holger Weimbs, den Zülpicher Kantor, zu einem Konzert für Kirchenorgel und Kirmesorgel.
Nach dem entsprechenden Instrument musste Weimbs gar nicht lange suchen, denn das stand in Füssenich bei der Schausteller-Firma Schleifer, die historische Karussells und Kirmesorgeln restauriert und auf den Jahrmärkten präsentiert.
Der Aufbau der Karussellorgel in der Kirche dauerte mehrere Tage
Die Neugier der Menschen war groß, und so füllte sich die Kirche bis auf ein paar Sitzplätze. Einige Reihen vor der Karussellorgel sollten frei bleiben – und das aus gutem Grund, denn das Instrument war unglaublich laut. Mehrere Tage dauerte es, bis es links von den Altartreppen fertig aufgebaut war und von Toni Schleifer in Gang gesetzt werden konnte, denn am Stück passte es gar nicht durch die Tür.
Das Programm mit dem Titel „Eine Reise ins Paradies“ aus der Veranstaltungsreihe „Wenn die Welt ein Karussell...“ wurde von Eva Schleifer in Jahrmarktmanier moderiert und steckte voller Überraschungen. Zu Beginn sorgte zunächst der „Einzug der Gladiatoren“ von Julius Fucik für eine fröhliche Stimmung.
Das Werk mit dem schweren Titel aus dem Jahr 1899 war ursprünglich ein Triumphmarsch für das österreichisch-ungarische Militär. Unvorstellbar, denn das Stück mit dem witzig gesetzten chromatischen Thema ist längst zu einem Klassiker in der Zirkuswelt geworden. Der Duft von Popcorn und Zuckerwatte lag beinahe in der Luft.
Die Orgeln klangen in Zülpich erstaunlich ähnlich
Das Programm drehte sich um Kompositionen rund um 1900, vielfach aus Bühnenstücken wie Operette, Oper und Ballett. Erstaunlich dabei war, wie ähnlich die beiden Orgeln klingen konnten, zog Holger Weimbs nur die passenden Register. Er wählte mit großem Feingefühl nicht nur die Stücke, sondern auch die Klangfarben aus und nutzte die üppige Vielfalt an Möglichkeiten an der modernen Kirchenorgel an St. Peter. Mit beeindruckender Motorik ließ er Figurationen fließen und schwungvolle Melodien schillern, wie beispielsweise im „Marcia per Organo“ vom Augustinerpater Davide da Bergamo.
Technisch raffiniert war die „Sonata 1 a due Organi“ von Gaetano Piazza gemacht. Zwar gibt es an St. Peter sogar drei Orgeln, aber nur einen Organisten. Deshalb hat Holger Weimbs die Stimme einer der Orgeln digital hinzugefügt.
Die Karussellorgel der Gebrüder Richter aus Düsseldorf überraschte mit unerwartet pathetischen Klängen. Die Ouvertüre der Oper „Alessandro Stradella“ von Friedrich von Flotow erhob sich festlich mit dramatischer Wendung und monumentalem Klang, der vom integrierten Schlagwerk sowie Glockenspiel zu orchestraler Fülle angereichert wurde. Auch der Pilgerchor aus Richard Wagners Oper „Tannhäuser“ füllte das Kirchenschiff mit Pathos und durch die bunten Lichter am Instrument zugleich mit heiterem Glanz.
Toni Schleifer und Eugenia Fabrizi erhielten den Zülpicher Heimatpreis
Was bei der Karussellorgel die Maschine mittels Walze und Lochkartons macht, ist bei Holger Weimbs an der Kirchenorgel reine Handarbeit. Bei „Erinnerung an Zirkus Renz – Bravour Galopp“ von Gustav Peter stand das Publikum endgültig Kopf. „Eines der letzten Stücke, das man auf der Kirchenorgel erwartet! Manege frei für Holger“, kündigte Eva Schleifer den Beitrag vollmundig an. Der Organist verband gute Laune und Unbeschwertheit mit höchster Virtuosität. Sogar eine eigene Komposition mit dem Titel „Eine Reise ins Paradies“ hielt er bereit und führte sie erstmals in der Öffentlichkeit auf.
Zum Ende des außergewöhnlichen Konzerts gab es Kirchenlieder zum Mitsingen, begleitet von beiden Orgeln. „Da stürzt ja fast die Kirche ein“, raunte ein Zuhörer, beeindruckt vom Klangvolumen. Ganz am Schluss wurde es sehr rheinisch. Jakob Schleifer, der Senior der Firma, sang, zu den Klängen der Karussellorgel ein altes Schaustellerlied.
Während der Veranstaltung verlieh Bürgermeister Ulf Hürtgen den Heimatpreis der Stadt Zülpich an Toni Schleifer und die freie Regisseurin Eugenia Fabrizi für ihr Projekt „Wenn die Welt ein Karussell...“, in dem sie Kirche, Kirmes und Kultur vereinen.