Nach dem Terrorangriff in Solingen fielen die Kontrollen beim Madness-Festival in Zülpich intensiv aus. Polizei zog aber ein positives Fazit.
HardstyleSo lief das Madness-Festival in Zülpich – Messer und Joints sichergestellt
„Das hier ist das Botschaftertreffen“, sagt Jan Fischer. Der Geschäftsführer des „Fiesta-Technofestival-Superfan-Kreises“ wirkt zufrieden. Er ist aus Hamburg mit Pick-up samt wummernder Anlage auf der Ladefläche in Zülpich angereist. Fischer ist einer von 11.000 Hardstyle-Fans, die am vergangenen Wochenende im Seepark das „Into the Madness“-Techno-Festival feiern. Friedlich, laut – und alles im Rahmen des Erlaubten.
Noch ist der Einlass geschlossen. Doch an die 40 junge und jung Gebliebene tanzen sich an diesem Samstagmittag schonmal warm. Man trägt Schwarz mit schrill-bunten Accessoires.
Hardstyle-Fans kommen aus ganz Deutschland nach Zülpich
Fischer versorgt die „Botschafter“ als Zwischenhändler mit Tickets. Er hat sie von den Festivalveranstaltern bekommen – aktuell für an die 30 Events. In Summe „machen wir so an die 20 Prozent des Kartenvorverkaufs aus“, erklärt er. Es geht also um Geld. Doch nicht nur. „Wir sind eure Zuflucht! Hier wird für immer euer Zuhause sein“, heißt es jedenfalls auf dem Facebook-Account des Festivals.
„Zuhause“ fühlt sich an diesem Samstag auch die Gruppe, die mit einem Reisebus aus Jülich angereist ist. „Madness“-Fans aus Köln, Mönchengladbach, Aachen und Düren steigen aus. Am Vormittag sind sie an mehreren Haltepunkten eingesammelt worden, in der Nacht zum Sonntag geht es wieder zurück. Andere Spediteure reisen aus ganz Deutschland an, ein Shuttle-Dienst fährt zwischen Gelände und Euskirchener Bahnhof. „Hier gibt es nur Hardstyle, keine Ballermann-Musik“, lautet die Antwort eines Besuchers auf die Frage, warum man in Zülpich sei.
Gute Laune haben auch Jörg und Georgette aus Simmerath. Die 36-Jährige und der 56-Jährige gehören eher zu den älteren Fans. Und was ist jetzt „Hardstyle“ im Unterschied zu reiner Techno-Musik? Das sei – egal ob man die Mucke nun so oder Raw Style oder wie auch immer nenne – immer die etwas härtere Gangart. „Der Bass ist dumpfer, das geht durch Mark und Bein“, erklärt Jörg. „Das ist Musik, bei der man schon beim Zuhören schlank wird“, bringt es Georgette auf den Punkt.
Musik halt von Da Tweekaz, Zelecter, Riot Shift oder dem Sub Zero Project – um einige der Stars der „Hardstyle-Szene“ zu nennen, auf die sich Ann-Catherine aus Memmingen und ihre beiden Freundinnen sowie Alex aus Dortmund mit seinen beiden Kumpels einigen können. Die Allgäu-Pott-Clique hat sich beim ersten „Madness“-Festival 2022 kennengelernt. Jetzt sind sie gemeinsam auf dem erstmals angebotenen Campingplatz zum Event aufgeschlagen.
1300 Camper nutzen das erstmalige Angebot, 3000 Fans bei der Pre-Party
„Madness“ geht 2024 einen Vorabend länger. 1300 Camper haben die Gelegenheit wie das Sextett genutzt und die „Pre-Party“ im „Raw“-Zelt besucht. 3000 Fans insgesamt waren es auf Anhieb. „Das Madness ist klein, familiär“, findet Ann-Catherine. Und der Campingplatz habe alles, was man so erwarte. Was also will man mehr?
„Jedenfalls nur das, was jenseits von 150 BPM (Schläge pro Minute) ist“, sagt Benjamin Reichert wenige Minuten später grinsend vor der noch leeren Hauptbühne des Festivals. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Musical Madness GmbH.
Location in Zülpich bei Google Maps gefunden
Wie er auf Zülpichs Seepark für sein Festival kam? Man habe damals über Google Maps nach einer geeigneten Fläche gesucht. Es sollte nahe den Niederlanden und Belgien sein, wo die Technoszene sehr lebendig ist. Eine gute Anreisemöglichkeit sei zudem wichtig gewesen.
Bis 2022 hatte Reichert sein „Hardstyle“-Konzept nur in Clubs oder als „Stagehost“, also Veranstalter von Auftritten auf einer Bühne eines Festivals, umgesetzt. Dann wollten er und sein Geschäftspartner etwas Eigenes. „Der Ort hier am Zülpicher See hat eine gute Instant Magic“, so Reichert, also eine positive Ausstrahlung. Die Zuwege für Auf- und Abbau seien gut, weil asphaltiert: „Und wir können hier sogar noch wachsen, die Baugenehmigung erlaubt bis zu 18.500 Besucher“.
Ob das 2025 schon der Fall sein wird, lässt der 39-Jährige aus Iptingen, einem Dorf zwischen Stuttgart und Pforzheim, offen. Er steht vor der 40 Meter breiten und 20 Meter hohen Bühne und wirkt nicht so, als wolle er das alles wieder aufgeben.
Neben der Hauptbühne gab es in diesem Jahr noch drei weitere Bühnen, mit „The Dune“ (die Düne) eine mehr als im vergangenen Jahr. Sie steht direkt am Seeufer, davor die Palmenreihen, der Sandstrand. Tropical Feelings am ehemalige Braunkohle-Tagebau. Und damit ist alles bereit für das laut dem Veranstalter größte Hardstyle-Festival Deutschlands.
Feuerwehr, Polizei und DRK beim Madness in Zülpich im Einsatz
Um dessen Ablauf zu sichern, sind 70 DRK-Kräfte im Einsatz, die Polizei Euskirchen hält sich im Hintergrund. 25 Aktive der Löschgruppe Zülpich unter Leitung von Marcel Kratz stehen bereit, mitgebracht haben sie zwei Tanklöschfahrzeuge und ein Gefährt für technische Hilfe. „Wir haben ein Auge auf unerlaubtes Grillen vor den Zelten auf dem Campingplatz“, sagt Kratz. Das sei aber nicht festgestellt worden.
Sicherheit ist aber zuallererst das Thema von Timo Schneider. Er ist Einsatzleiter des WSK Sicherheitsdienstes aus Wachtberg. Nach den Messerattacken von Solingen und Siegen hatten er und sein Team bei den Taschenkontrollen an den Eingangsschleusen ein besonderes Auge „auf alles, was eine Waffe werden könnte“. Messer, auch mit kleiner Klinge, Deo-Sprühflaschen und Feuerzeuge waren verboten.
Auch Messer, Joints und Deos wurden sichergestellt
Zum Ende des Festivals waren lediglich rund drei Dutzend von alledem in einer großen Metallkiste gesammelt. „Die Fans, das haben wir oft gehört, waren froh, dass so genau kontrolliert wurde. Die wollen ja auch, dass nichts passiert“, so Schneider. Unterdessen strömen die Fans auf dem weitläufigen Festivalgelände erwartungsvoll zu den vier Bühnen und zu den Schließfach-wänden. Zuweilen gönnen sie sich eine Pause auf den Wiesen oder in den aufgebauten Hängematteninseln. Einige kaufen „Tokens“-Verzehrchips, die aber nicht bei allen gut ankommen.
In all dem Trubel behält einer die Ruhe: Diplom-Ingenieur Jörn Latz. Der Experte aus Sankt Augustin blickt im Lagezentrum am Festivalrand konzentriert auf die an die Wand gebeamte Monitoransicht seines Tablets. Er ist am Samstagabend so etwas wie der eigentliche Master of Ceremonies.
Latz beaufsichtigt zehn vor Ort installierte und überwachte Lautstärkemessstellen: sechs an und zwischen den Bühnen und auf dem Campingplatz, vor allem aber vier um das Festival herum, unmittelbar an angrenzende Wohnbereiche in Lövenich, Floren und Zülpich. Maximal 75 db(A) sind genehmigt. „Das sehen die Bühnentechniker wie ich auf ihrem Monitor“, so Latz.
Genauer eine Lärm-Ampel: „Rot, Gelb, Grün – da gibt es nix zu diskutieren“, so der Immissionsgutachter. Knackpunkt ist aus seiner Sicht die neue Bühne direkt am Seeufer: „Der Schall geht über das Wasser, er hat keine Abschirmung.“ Und grundsätzlich gilt: Woher weht am See der Wind, wenn er weht? Am Samstagabend herrscht Flaute, es regnet nicht. „Alles verläuft nach Plan“, so Jan Blatzheim, Pressesprecher der Seepark Zülpich gGmbH, nach einer der vielen Lagebesprechungen, kurz vor 22 Uhr.
Da reiht sich auch der Verantwortliche für den Festival-Merchandise-Stand in die allgemeine Gelassenheit ein. „Die Handfächer waren wie immer auf Hardstyle-Festivals als erstes ausverkauft“, sagt Chris.
Zum großen Finale versammelt man sich vor der Hauptbühne
Im Halbstundentakt treten die DJs bis 22.30 Uhr auf. Am Ende versammeln sich die Fans schließlich vor der „Main Stage“ und feiern sich und die deutschen Stars der „Hardstyle“-Szene bei exzessiven Licht- und Pyroeffekten.
Lena und Lara aus Echternacherbrück nutzen derweil die Gelegenheit zum Erinnerungsselfie vor dem überdimensionalen beleuchteten „Madness“-Logo. „Mir hat die gesamte Optik, das Festivallayout einfach gut gefallen“, lobt Lara: „Man hat viel Platz zwischen den Bühnen.“
Lisa fand zudem etwas erwähnenswert, was offenbar nicht selbstverständlich ist: „Dass die Toiletten hier sauber sind, das ist auf anderen Festivals nicht so.“ Beide wären angesichts der Sommertemperaturen wenigstens am Nachmittag gerne zur Erfrischung im See baden gegangen, wo er doch schon mal da sei. Ist aber verboten, also verzichten die beiden Freundinnen darauf.
Wenig später ist das „Into the Madness“-Festival nach zehneinhalb Stunden vorbei. „Vollgas“ lautete das selbstverschriebene Tanztempo vor den vier Bühnen. Nun signalisiert ein Feuerwerk das Ende.
Madness in Zülpich: Polizei und Bürgermeister mit positivem Fazit
„Aus gutachterliche Sicht bin ich zufrieden“, sagte Immissionsbeauftragter Jörn Latz am Tag nach dem Into-the-Madness-Festival in Zülpich. Der Grenzwert von 74 db (A) sei nicht überschritten worden. Als gegen Ende der Veranstaltung mal kurz der gelbe oder rote Bereich auf der Ampel erreicht wurde, hätten die Techniker sofort reagiert.
Zülpichs Bürgermeister Ulf Hürtgen sah die dritte Auflage des Festivals ebenfalls positiv: „Das ist eine tolle Veranstaltung für junge Leute, nicht nur aus der Region. Aus ganz Deutschland, den Niederlanden, bis nach Skandinavien kommen ja die Besucher.“
Hürtgen bedankte sich für die vielfältige Unterstützung. „An einem solchen Projekt hängt wirklich viel dran“, so der Verwaltungschef. Vor allem aber sei er für das Verständnis der Anwohner dankbar, die Straßensperrungen und Lärmbelästigung auszuhalten hatten. „Das Festival war ohne besondere Vorkommnisse“, so die Polizei in ihrer Bilanz. Es seien je eine Strafanzeige wegen Diebstahls und wegen „einfacher Körperverletzung“ gestellt worden. Zudem sei ein Busfahrer beim Rangieren auf ein Taxi aufgefahren.