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Ziemlich beste NachbarnIn der Flutnacht wurden Nachbarn in Mülheim-Wichterich Freunde

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Seit der Nacht des Hochwassers sind die Anwohner der Schmiedestraße mehr als nur Nachbarn.

Mülheim-Wichterich – „Hätten wir an dem Tag nicht diese 15 Stunden oben an der Kreuzung gehockt, dann wäre alles anders“, sagt Stephanie Mewes. Die Flut in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli durchspülte das Haus der 37-Jährigen ebenso wie das der anderen Bewohner in der Schmiedestraße.

Die Katastrophe nahm ihr viel, doch sie gab ihr auch etwas: die Freundschaft zu Menschen, die sie im Grunde bereits ihr ganzes Leben kannte.

Im Blümchen-Schlafanzug auf die Straße

„Ich hab nur meine Adiletten und den Blümchen-Schlafanzug getragen“, erzählt sie. „Wir konnten nichts tun, nur zusehen. Wir saßen oben an der Straße und haben uns alles erzählt, wirklich alles. Dinge, über die man nur spricht, wenn man 15 Stunden lang nichts anderes tun kann“, ergänzt Manuela Thiebes-Moll, genannt Ela: „Aber als die Flut hier war, da waren wir plötzlich offen miteinander.“

Mewes: „Hätten wir nur ein oder zwei Stunden da gesessen, hätten wir unsere Buden sauber geputzt und das wär’s. Dann wären wir nicht so eng miteinander heute. Aber diese vielen, vielen Stunden, die wir da gesessen haben, die haben es ausgemacht.“

„Wir hatten wahrscheinlich einen Schock"

Nach einer kurzen Pause sagt sie noch: „Mir hat nachher der ganze Körper wehgetan, weil wir da auf der Straße gesessen haben.“ Sie erinnert sich, wie absurd die Situation gewesen sei: „Wir haben viel gelacht. Es sind viele Leute an uns vorbeigelaufen, die gefragt haben, was wir so lustig finden. Weil es war ja alles noch überflutet, aber wir haben gelacht. Im Nachhinein denke ich, wir hatten wahrscheinlich einen Schock.“

Zuerst hätten die Anwohner der Schmiedestraße den Ernst der Lage nicht erkannt. „In der Nacht gingen die ganze Zeit Sirenen und ich dachte noch: Da sind ein paar Keller vollgelaufen und jetzt halten die mich die ganze Nacht wach“, erinnert sich Mewes. Etwa um halb vier Uhr morgens sei dann der Katastrophenalarm angegangen. „Das war ein ganz schrecklicher Ton, eine ganz andere Sirene als die davor. Ich kriege den Ton nicht mehr aus meinem Kopf“, so die 37-Jährige.

„Nach der Flut musste ich eine Zeit lang auf dem Campingplatz in so einem Blechding wohnen, ganz allein als Frau“, berichtet sie über ihre temporäre Unterkunft in einem Chalet-Camper. „Auf dem Metalldach hört man den Regen so laut. Viele Leute haben mich gefragt, ob das die Erinnerung an diese Nacht weckt. Aber das ist es nicht. Aber wenn ich eine Sirene höre, dann kriege ich ein schlechtes Gefühl.“

Vögel gerettet, selbst in Lebensgefahr

Sie und ihre Eltern Jürgen und Christel Mewes hätten noch versucht, elektronische Geräte hochzustellen, bevor sie aus dem gemeinsamen Haus geflohen seien. Andere, wie Helmut Pougin, schmissen sich in die Fluten, als das Wasser bereits brusthoch stand. „Ich musste meine Vögel retten“, sagt er und berichtet, wie er seine Wellensittiche aus ihren Käfigen im Garten befreite, damit sie nicht ertranken.

Als er sich selbst retten wollte, ging die Eisentür, die den vorderen Bereich des Grundstücks mit dem Garten verbindet, aufgrund der Wassermassen nicht mehr auf. „Wir mussten die Tür mit vier Mann aufstemmen“, erinnert sich seine Lebensgefährtin Alexandra Rhiem.

Als das Wasser am folgenden Morgen zurückging, kam der nächste Schock: Die Gärten, Keller und vor allem die Erdgeschosse der Wohnhäuser in der Schmiedestraße waren verwüstet. „Die Stadt hat uns einfach im Stich gelassen“, sagt Uwe Gawantka: „Wir mussten uns selbst helfen. Das haben wir auch getan.“

Zusammenhalt kam wie von selbst

Mit der Verzweiflung sei auch der Zusammenhalt gekommen – wie von selbst, niemand habe sich dazu absprechen müssen. „Nach der Flutnacht sind wir bei den anderen wie selbstverständlich in die Häuser gegangen und haben geholfen, wo es ging“, erzählt Thiebes-Moll. „Vorher haben wir uns auch nett gegrüßt, wir kennen uns alle schon eine Ewigkeit“, sagt Mewes: „Man hat mal am Zaun kurz gequatscht, wir sind ja immerhin alle Nachbarn. Aber mehr war da nicht.“

Der Grund dafür ist ihrer Meinung nach klar: „Man ist einfach in seinem Trott.“ Die Flutnacht habe das geändert. „Diese Distanz, die vorher da war, ist weg. Wir gehen beieinander ein und aus. Gerade jetzt ist es interessant, wenn der eine einen neuen Boden bekommt oder schöne neue Möbel. Man kann mitverfolgen, wie die anderen ihr Haus wieder aufbauen“, erzählt sie weiter.

Mit Tisch und Stühlen auf der Straße

Aber nicht nur beim Wiederaufbau hätten sich die Nachbarn gegenseitig unterstützt. „Die Gemeinschaft ist das Besondere an unserer Verbindung“, sagt Rhiem: „Wir haben plötzlich alles gemeinsam auf der Straße gemacht.“ Einen Tisch hätten sie rausgetragen und daran alle gemeinsam auf der Straße gesessen und gegessen. „Es gab ja genug Stühle, man musste sich nur einen aus dem ganzen angespülten Schrott nehmen“, erinnert sich Gawantka.

„In den ersten Tagen haben wir nur gegrillt. Jeder musste das Fleisch in seiner Kühltruhe aufbrauchen, wir hatten ja keinen Strom mehr“, erzählt er. „Wir hatten teilweise Backfisch auf dem Grill oder irgendwelche undefinierbaren Klumpen“, erinnert sich Mewes lachend. Einmal habe jemand sogar die Idee gehabt, ob man Gulasch auf dem Grill erhitzen könne, berichtet Gawantka.

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„Ab da haben wir jede freie Minute zusammen auf dieser Straße verbracht“, sagt Mewes: „Wir haben vor Weihnachten einen Glühweinstand gemacht und sind von Tür zu Tür gezogen, um zu singen. Und an Karneval haben wir alle auf der Straße gefeiert.“ Rhiem fasst zusammen: „Diese Straße ist das Symbol für unsere Freundschaft.“ Ihre Verbindung sei mit der Zeit noch stärker geworden, sagt sie. „Wenn gutes Wetter ist, trinken wir draußen als erstes gemeinsam einen Kaffee“, erzählt Mewes: „Oder ich klopfe ans Fenster. Irgendwer kommt immer raus.“

Hilfe bei der Antragsflut

Ein großes Thema sei auch, Anträge für Hilfszahlungen auszufüllen. „Da können wir uns alle bei Alex bedanken, sie hat sich da immer wieder schlau gemacht und uns informiert, wenn es irgendwo Unterstützung gab“, so Mewes. Die Beantragung sei oft kompliziert und mit bürokratischen Hürden verbunden, sagt Pougin: „Man musste im Grunde alles auf Rechnung erst mal selbst zahlen. Und wenn wir etwas selbst renoviert haben, hieß es: Das zahlt keiner. Wir müssen alles von Handwerkern machen lassen. Und die muss man auch erst mal finden.“

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Noch längst sind nicht alle Flutschäden in der Schmiedestraße behoben. Doch Thiebes-Moll blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Die Flut war furchtbar, aber ich versuche, das Positive zu sehen. Jetzt habe ich eine komplett schöne, renovierte Wohnung. Und ich liebe die Gemeinschaft. Dass immer jemand da ist, dass wir uns aufeinander verlassen können. Das macht mich so glücklich in dieser Zeit.“