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Munitionshersteller kauft Dynamit NobelRüstungsfirma sichert in Troisdorf Produktion für den Krieg gegen Putin

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In der Staatskanzlei: Diehl-CEO Helmut Rauch, Minister Nathanael Liminski und Bürgermeister Alexander Biber.

Verhandlungen in der Staatskanzlei: Diehl-CEO Helmut Rauch, Minister Nathanael Liminski und Bürgermeister Alexander Biber (v.l.) im Dezember 2023.

Der politische Streit um die Frage, ob die Troisdorfer Kommunalpolitiker mit ihrer Grundstückspolitik dem russischen Kriegstreiber Wladimir Putin in die Hände spielen, ist vom Tisch.

Die Vorweihnachtszeit des vergangenen Jahres war für Alexander Biber (CDU) alles andere als besinnlich. Damals fiel die halbe Republik über den Troisdorfer Bürgermeister her. Als sei er allein dafür verantwortlich, wenn der Ukraine im Krieg gegen das Russland des Wladimir Putin die Munition ausginge.

In der Kaiserstraße, nur einen Steinwurf vom Rathaus entfernt, produzieren zwei Tochterunternehmen der Diehl Defence-Gruppe auf dem Gelände des ehemaligen Sprengstoffherstellers Dynamit Nobel auch Zündmittel für Artilleriegranaten, die das ukrainische Militär tatsächlich dringend braucht. Die Eigentümer wollten das 50 Hektar große Areal verkaufen, Diehl Defence hatte Interesse bekundet.

Weil das Grundstück trotz der Altlastenproblematik für Troisdorf sehr attraktiv ist, hatte sich der Stadtrat Ende November mit den Stimmen von CDU und Grünen das Vorkaufsrecht gesichert – mit Ausnahme von bereits durch die Diehl-Töchter erworbenen Grundstücken. Über eine Verlängerung der im Februar 2026 auslaufenden Mietverträge könne man verhandeln. Mehr aber auch nicht.

Dieses Vorgehen hat der Bürgermeister immer entschlossen verteidigt. Gegen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der bei NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) intervenierte; und gegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), damals Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die ihn bei „Hart aber fair“ regelrecht abkanzelte. Der Bürgermeister verhindere „seit Wochen den Ausbau der Kapazitäten für die Herstellung von Munition“, wolle dort „lieber Wohnen im Grünen“.

Über Hintergründe des Grunstückskaufs in Troisdorf informierten Thoma Bodenmüller aus dem Vorstand von Diehl Defence (links) und Metin Bozkurt, Vorsitzender des Betriebsrats bei DynITEC. Beide sind neben dem Unternehmensschild zu sehen.

Im November 2023 informierten in Troisdorf Thomas Bodenmüller aus dem Vorstand von Diehl Defence (links) und Metin Bozkurt, Vorsitzender des Betriebsrats bei Dynitec, über den Stand der Verhandlungen.

Biber hat das alles ausgehalten. Auch die Einbestellung zum Gespräch nach Düsseldorf, wo er im Dezember Helmut Rauch, dem CEO des Rüstungsunternehmens, unter Vermittlung von Nathanael Liminski (CDU), Chef der Staatskanzlei, den Standpunkt der Stadt mitteilte.

Als Bürgermeister sei er verpflichtet, langfristig zu denken und „Schaden von den Bürgern dieser Stadt abzuwenden“, sagte Biber damals. Dieser Schaden könne immens sein, wenn es eines Tages darum gehe, wer für die Altlastensanierung bezahlen müsse, „nach einem Tag X, an dem die Rüstungsproduktion hier hoffentlich nicht mehr benötigt wird“. Derartige Produktionsanlagen auf einem Areal mitten im Wohngebiet mit Kindergarten, Krankenhaus, Altenheim und an einer ICE-Trasse seien nicht mehr zeitgemäß.

Anlagen modernisieren und in Schichten arbeiten

Seit Donnerstag ist das alles Geschichte. In einer Presseerklärung teilt die Diehl Defence-Gruppe mit, dass sie das gesamte Unternehmen Dynamit Nobel mit allen Grundstücken, 300 Mitarbeitern, „allen operativen Tätigkeiten und Vermögenswerten am Standort Troisdorf erworben hat“. Sämtliche sprengstoffrechtlichen Betriebsgenehmigungen eingeschlossen.

Die Verkaufsverhandlungen haben sich lange hingezogen. Zwischenzeitlich musste sich auf Initiative der Landesregierung sogar die ehemalige US-Generalkonsulin Pauline Kao als Vermittlerin einschalten, weil die Kaufpreis-Vorstellungen wohl extrem weit auseinanderlagen.

In Troisdorf produziere man seit 22 Jahren militärische Zünd- und Anzündmittel, energetische Materialien und elektronische Zündsysteme. „Diese sind systemrelevante Komponenten für Produkte von Diehl Defence und anderer Hersteller wehrtechnischer Produkte, die sich seit Anfang 2022 für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und befreundeter Länder als zunehmend unverzichtbar erwiesen haben“, heißt es in der Mitteilung weiter.

Nach Informationen unserer Zeitung geht es Diehl Defence nicht darum, den Standort auszubauen, sondern lediglich um eine Steigerung der Produktion in den bereits bestehenden Anlagen mit einem modernisierten Maschinenpark und in einem Mehrschicht-System. Diese Investitionen seien nur möglich, wenn man Eigentümer des Geländes sei.

Kommunales Vorkaufsrecht ausgehebelt

Dass Diehl Defence das kommunale Vorkaufsrecht durch den Unternehmenskauf einfach ausgehebelt hat, nimmt Bürgermeister Biber sportlich. „Das ist vollkommen legitim.“ Der Käufer müsse als Rechtsnachfolger von Dynamit Nobel auch für die Sanierung der Altlasten eintreten, wenn der Standort eines Tages aufgegeben werden. „Die Diehl-Stiftung wird sich hoffentlich moralisch verpflichtet fühlen, das zu berücksichtigen. „Wir werden uns mit Diehl Defence darüber unterhalten, inwieweit man kurzfristig die Flächen für andere Ansiedlungen zur Verfügung stellen kann, die von ihnen nicht benötigt werden“, sagt der CDU-Politiker.

Bei der Landesregierung nimmt man die Einigung mit Erleichterung zur Kenntnis. „Das Problem ist gelöst“, sagt Minister Nathanael Liminski. „Es gibt jetzt eine belastbare Perspektive für Investitionen des Unternehmens in Troisdorf. Damit ist die industrielle Basis für dringend notwendige Rüstungsgüter, nicht zuletzt zur Verteidigung der Ukraine, gesichert. Für Troisdorf bleiben mittel- und langfristig Möglichkeiten der Stadtentwicklung erhalten.“