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„Entschuldigung war nur Genugtuung für sie“Frau spricht nach Gruppenvergewaltigung

Lesezeit 5 Minuten

Louisa C. wurde von Männern vergewaltigt – und will nicht schweigen.

LeichlingenIhr Fall hatte in der Region für viel mediale Aufmerksamkeit gesorgt: Im Frühjahr 2018 wurde eine junge Leverkusenerin Opfer einer Gruppenvergewaltigung. Nach einer Begegnung in der „Cube“-Bar in Opladen war sie gemeinsam mit drei Männern Ende zwanzig zur Wohnung der Eltern eines der Angeklagten in Leichlingen gefahren. Dort kam es zum erzwungenen Oral- und Geschlechtsverkehr an der damals 25-Jährigen. Teile der Taten wurden mit dem Handy gefilmt. Am Donnerstag endete der Prozess gegen die drei Männer. Sie wurden jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt – diese ist allerdings auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Bei all der Aufmerksamkeit für den Prozess vor dem Landgericht Köln und die Motive der Angeklagten bekam eine Seite dabei wenig Gehör: die des Opfers. Noch während der Prozess gegen die Leichlinger lief, meldete sich die betroffene Frau in der Redaktion. In einem Gespräch schildert sie ihre Sicht auf das Geschehen – und will anderen Frauen Mut machen, etwas zu unternehmen.

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„Ich lebe damit seit zwei Jahren“, erzählt Louisa C. (Name geändert). „Aber mich hört niemand.“ Es kommt nicht gerade oft vor, dass das Opfer einer Sexualstraftat sich an die Öffentlichkeit wendet. Zu groß ist oft die Scham, zu präsent das Trauma. Auch Louisa C. möchte deshalb lieber unerkannt bleiben. Doch sich eine Stimme zu verschaffen und damit die Handlungsmacht wieder ein Stück weit zu sich selbst zurückzuholen, ist ihr ein Anliegen.

„Als ich die Artikel nach dem Prozessauftakt gelesen habe, bin ich fast ein bisschen wütend geworden.“ Denn so, wie das Tatgeschehen vor Gericht nun auch im Urteil geschildert wurde, stimmt es für Louisa C. nicht. Nach der Betrachtung des Videomaterials sprach der Richter davon, dass das Opfer sich zu Beginn der Vorfälle ambivalent verhalten habe. Obwohl sie die Taten zwar vielleicht von Anfang an nicht gewollt habe, sei dies erst nicht zu erkennen gewesen – und ein Teil der Handlungen damit womöglich noch einvernehmlich. Dem widerspricht Louisa C. aber ausdrücklich.

Kommentare im Internet

Aus Gründen des Opferschutzes werden die Aussagen der Geschädigten vor Gericht meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit getätigt. Auf der einen Seite müssen die Opfer die belastende Situation damit nicht auch noch vor Publikum erleben – auf der anderen Seite fehlt ihnen oft jede Möglichkeit, Dinge öffentlichkeitswirksam klarzustellen. „Ich habe dann Kommentare gelesen, wie: »Wie kann sie denn überhaupt mit drei Männern mitgehen?« Aber ich wusste einfach nicht, wohin!“ An besagtem Abend wollte Louisa C. eigentlich zurück in ihre damalige WG. Die Wohnung war jedoch von innen verschlossen. Trotz verzweifelter Versuche, ihre Mitbewohnerin zu erreichen, öffnete diese nicht die Tür. Deshalb ging Louisa C. wieder runter auf die Straße. Vor dem „Cube“ traf sie einen Bekannten. Um die Zeit zum Morgen zu überbrücken, ging sie mit hinein – und lernte dort über besagten Bekannten die Angeklagten kennen, die ihr bei Ladenschluss eine Schlafmöglichkeit anboten.

Louisa C. betont, dass sie weiß, dass sie sich eigentlich nicht rechtfertigen muss. „Ich habe lange die Schuld bei mir gesucht“, sagt sie. „Aber dank meiner Mutter und meiner Betreuerin habe ich gelernt, dass es nicht sein kann, dass ich als Opfer denke, ich bin der Täter.“ Zur damaligen Zeit habe sie Menschen noch schnell vertraut, erzählt sie. Die Männer schienen ihr sympathisch, auch ihr Bekannter äußerte keine Bedenken. „Ich hatte nie das Gefühl, mir passiert da was“, sagt Louisa C.

Ein Irrglaube, unter dessen Konsequenzen die junge Frau bis heute leidet. „Sie hat eine diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung“, berichtet ihre Betreuerin. „Das wird immer ein Teil ihres Lebens sein.“

Vor Gericht boten die Angeklagten Louisa C. einen Täter-Opfer-Ausgleich an. Die Zahlung von 9000 Euro Schmerzensgeld, die auch mit einer Strafmilderung einher ging, hat das Opfer selbst nie gefordert. „Kein Geld der Welt kann das für mich wieder gut machen“, sagt sie. „Ich kann das nicht vergeben, und ich kann das nicht vergessen.“ Ob die Entschuldigungen der Täter vor Gericht ihr gegenüber ernst gemeint waren, weiß Louisa nicht. „Ich frage mich, ob die überhaupt Respekt vor mir haben. Das wird mich immer beschäftigen. Die Entschuldigung war vielleicht nur eine Genugtuung für sie selbst.“ Der Prozess hat bei Louisa C. viel wieder hochgeholt. Sie leidet unter Panikattacken und Luftnot. Die Angst, die Angeklagten wiederzusehen, war groß. „Die letzten zwei Jahre habe ich viel verdrängt. Ich hoffe, dass ich bald meinen Platz in einer Traumatherapie bekomme“, meint sie. „Ich will mein Leben nicht wegwerfen. Ich kämpfe, jeden Tag.“ Dass die Angeklagten nun ein vergleichsweise mildes Urteil bekommen haben, überrascht Louisa C. nicht. „Damit habe ich gerechnet. Schlimm war für mich eher nochmal zu hören, dass ich anfangs nicht deutlich genug gezeigt habe, dass ich das alles nicht will.“

Die Angst vor einer Anzeige, einer Aussage vor Gericht und Kommentaren im Netz ist bei vielen Opfern präsent – und nicht unberechtigt, wie Louisa C. am eigenem Leib erfahren hat. Trotzdem ist sie froh, dass sie diese Schritte gewagt hat. Ihr war wichtig zu zeigen, dass sie sich wehren kann. „Ich bin ja leider bei Weitem nicht die einzige Frau, der so etwas passiert“, erklärt Louisa C. mit fester Stimme. „Es müsste noch mehr Frauen geben, die den Mut haben, etwas zu sagen.“