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TierseucheDas bedeutet die Blauzungenkrankheit für Landwirte aus Leverkusen und Leichlingen

Lesezeit 5 Minuten
Schafe stehen in einem Stall.

Schafe sind besonders schlimm von der Blauzungenkrankheit betroffen

Nicht nur Schafe, auch Rinder in der Region zeigen Symptome. Neben dem Tierwohl hat das auch wirtschaftliche Folgen für Tierhalterinnen und Tierhalter.

Auf den Höfen in Leverkusen, Burscheid und Leichlingen herrscht Verunsicherung – mancherorts auch Wut. Seit gut einer Woche grassiert die Blauzungenkrankheit in der Region, eine Infektion, von der insbesondere Wiederkäuer wie Schafe, Rinder und Ziegen betroffen sind. Zuvor hatten mehrere angrenzende Kreise über den Ausbruch berichtet, angekommen in Deutschland ist die Virusvariante BTV-3 aber bereits im Herbst 2023.

Übertragen wird sie über Mücken, auch Gnitzen genannt, die während warmer und feuchter Sommermonate besonders gut gedeihen. Das diesjährige Wetter ist also der perfekte Nährboden für die Insekten. Kaum ein Wunder, dass die Infektionszahlen in diesen Tagen in die Höhe schnellen. Vier Schafbestände seien in Leverkusen von dem Virus befallen, eine weitere Herde sei in Abklärung, berichtete die Stadt Leverkusen am Montag auf Anfrage. In Leichlingen wurde die Blauzungenkrankheit laut Pressestelle des Rheinisch-Bergischen Kreises in zwei Schafhaltungen amtlich festgestellt (Stand 23. Juli), in drei weiteren Betrieben herrsche Verdacht auf eine Infektion. Aus Burscheid gebe es bislang keine Meldungen.

Leverkusen: Vier Schafbestände von Blauzungenkrankheit betroffen

Wie schon die Infektionszahlen erahnen lassen, zeigen insbesondere Schafe deutliche Symptome: Etwa eine Woche nach Ansteckung treten Fieber und Apathie auf, die Maulschleimhäute und die Zunge röten sich und schwellen an. Weiterhin können Schafe lahmen, weil sich an den Klauen Bläschen und Läsionen bilden. Auch Fehlgeburten werden beobachtet.

Während das Virus für Menschen unbedenklich ist – es wird weder über Gnitzen, noch über Fleisch- oder Milchprodukte übertragen – kann die Seuche für die betroffenen Tiere im schlimmsten Fall tödlich enden, so auch für mehrere Schafe aus Leverkusener Beständen, die bereits gestorben sind oder eingeschläfert werden mussten, schreibt die Stadt. Im Rhein-Berg-Kreis seien mindestens 15 Schafe gestorben, so das Presseamt. Die tatsächliche Zahl der verendeten Tiere werde jedoch deutlich höher geschätzt, die Sterbefälle seien nicht meldepflichtig.

Im Vergleich zu Schafen verläuft die Krankheit bei Rindern weniger schlimm. Sie fällt bei diesen Tieren durch Fieber, Entzündungen der Zitzenhaut sowie der Schleimhäute an den Augen, der Maulhöhle und den Genitalien auf. Doch selbst, wenn sich die Tiere nach einem milden Verlauf wieder erholen, könne die Blauzungenkrankheit gravierende Folgen haben – neben dem Tierwohl auch finanzielle, sagt unter anderem Anna-Elisabeth Krey vom gleichnamigen Hof in Leichlingen.

Langfristige Folgen auch für Milchkuh- und Zuchtbetriebe

Denn Fieber beispielsweise könne die Milchproduktion von Kühen auch langfristig beeinträchtigen. „Wenn die Leistung einmal richtig im Keller ist, ist es schwierig, sie wieder in Gang zu bringen. Man kann nicht einfach sagen: Jetzt kriegen die eine Extraportion Kraftfutter, dann läuft das wieder.“ Für einen Betrieb wie den der Familie Krey, der sich mit 130 Kühen unter anderem auf Milchviehhaltung spezialisiert, hätte der Ausbruch der Krankheit auf dem Hof daher vermutlich erhebliche Auswirkungen. Tochter Mareile Krey rechnet vor: Zwei bis drei Liter weniger Milch pro Tag pro Kuh, das allein könne einen Verlust von 5000 bis 10.000 Euro in der Saison bedeuten.

Weideaustrieb auf dem Imbacher Hof

Die Rinder auf dem Imbacher Hof in Leverkusen sind gegen die Blauzungenkrankheit geimpft.

Doch wahrscheinlich müssen sich die Kreys langsam auf die Konsequenzen vorbereiten. Die Rinder haben Fieber, gerade gingen die Blutproben ins Labor, die Ergebnisse stehen zwar noch aus, große Hoffnungen machen sie sich aber nicht. Ähnlich gehe es vielen weiteren Tierhalterinnen und Tierhalten in der Gegend. Besonders treffe es diejenigen, die das Vieh auf Weiden in Wassernähe, etwa an Dhünn und Wupper halten, da seien die Mücken besonders aggressiv unterwegs.

Auch ein weiterer Betriebszweig, die Rinderaufzucht, könne unter der Seuche leiden. „Wir verkaufen auch Zuchttiere“, sagt Krey. „Das wird aber schwieriger, sobald das Gebiet als von Blauzungenkrankheit betroffen gilt.“ Jetzt müsse sie erst einmal abwarten und auf die Wirkung der Impfung hoffen, die gegen den aktuellen Virustyp schützen soll.

Verunsicherung bei Impfung gegen BTV-3

Den Weg der Impfung hat auch Anne Wieden vom Imbacher Bauernhof in Leverkusen eingeschlagen. Doch genauso wie die Familie Krey spüre sie weiterhin die Verunsicherung und das Risiko, dem die Landwirte derzeit ausgesetzt sind. „Die Angst ist schon da. Man weiß nie, was passiert, wenn man die Tiere mit einer zusätzlichen Impfung belastet.“

Franz Josef Klein, Tierhalter aus Boddenberg, entschied sich bislang gegen die Impfung, die erst im Juni per Eilverordnung vom Bund zugelassen wurde. Dennoch fehle eine klare Linie. „Wir schwimmen im Dunkeln“, sagt er dazu. Obwohl der Hofladen Klein anders als der Betrieb Krey und der Imbacher Bauernhof nicht auf Milch- sondern auf Mutterkuhhaltung setzt, die Einbußen durch verringerte Milchproduktion also nicht so gravierend wären, zeigt sich der Landwirt angespannt.

Eine Veterinärin impft beim Auftakt einer Impfaktion bei Rindern gegen die Blauzungenkrankheit ein Jungtier.

Schutz gegen die Krankheit bietet eine Impfung.

Am Montagmorgen habe er eine gewisse Unlust in der Herde verspürt, Symptome sehe er aber noch keine. Statt Impfen könnte er seine Tiere zum Schutz von den weit entfernten Weiden in den Stall holen. Das wäre allerdings mit großem Aufwand verbunden und er müsste ans Winterfutter ran. Der Einsatz von Insektenschutzmitteln könne ebenfalls der Mückenabwehr helfen, so die Stadt Leverkusen und das Veterinäramt des rheinisch-bergischen Kreis.

Blauzungenkrankheit: Entspannung der Lage erst für Spätsommer prognostiziert

Letztere empfehlen aber die Impfung, „da die Erkrankung erhebliches Leiden bei den betroffenen Tieren hervorruft und eine weitere Zunahme der Aktivität der Stechmücken für den Spätsommer zu befürchten ist.“

Mareile Krey sagt, diese Empfehlung komme zu spät, das Veterinäramt habe versagt. „Niemand hat gesagt: Jetzt wird geimpft“, sagt sie wütend. Von den Vorwürfen macht sich die besagte Stelle frei: „Die Vermarktung von Impfstoffen obliegt nicht den Veterinärämtern, dafür sind die Hersteller zuständig. Darüber hinaus sind die Veterinärämter auch nicht für die Zulassung von Impfstoffen zuständig.“ Da es keine Impfpflicht gibt, obliege es den Halterinnen und Haltern, ob sie ihre Tiere impfen lassen oder nicht.

Auch das habe finanzielle Konsequenzen: 16 Euro koste die Dosis pro Tier, sagt Krey. Sie stelle sich auf einen langen Sommer und etwaige Einbußen ein. „Solange die Gnitze unterwegs ist, werden wir die Blauzungenkrankheit haben“, sagt sie. Genauso wie beim Coronavirus müsse die Durchseuchung der Tiere abgewartet werden, bevor sich die Lage wieder entspannt.