Das Mobilitätskonzept für Leichlingen listet 40 Projekte auf - und viele davon dienen dem Ziel, den Autoverkehr einzudämmen und den Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel zu erleichtern.
Mobilitätskonzept LeichlingenEs wird ernst mit der Verkehrswende, vor allem für Autos
Kurz vor der Kurve auf die Zielgerade bekamen es einige Ratsmitglieder in der Sitzung des Infrastruktur-Ausschusses doch noch ein wenig mit der Angst zu tun. Denn mit dem finalen Beschluss des Mobilitätskonzeptes für Leichlingen sind teilweise massive Eingriffe in die Verkehrsplanung verbunden. Und nach anderthalb Planungsjahren voller Untersuchungen, Workshops, Begehungen und Zählungen wird es jetzt ernst, muss man bei der Verkehrswende Farbe bekennen.
Die auf dem Tisch liegenden Weichenstellungen werden viele Radfahrende und Fußgänger erfreuen, andererseits aber viele Autofahrende stören, an etlichen Stellen sogar für Unmut sorgen. Es geht bei dem umfangreichen Gutachten schließlich um eine klimafreundliche Verkehrswende auf breiter Front.
Darum erkundigten sich einige vor der Abstimmung vorsichtshalber noch einmal, ob ein generelles Votum für das stadtweite Konzept bereits bedeutet, dass die ersten Bauarbeiten schon beginnen. Tut es nicht, beruhigten Klimaschutzmanagerin Monika Meves und die Fachleute aus den beiden Planungsbüros Via und Isaplan, die ihre Ideen vorstellten. Ihr Paket aus rund 40 Projektsteckbriefen ist zunächst nur eine Sammlung von Verbesserungsvorschlägen, die nach und nach weiter ausgearbeitet und vor der Umsetzung einzeln erneut beschlossen und ab 2024 mit Kosten beziffert werden sollen.
Busse auf der Linie 250 fahren in Leichlingen bald häufiger
Einiges davon ist möglicherweise relativ rasch erledigt – wie der Ausbau der Verleihstationen für Bergische E-Bikes und E-Car-Sharing, die Ausweisung von Fahrradstraßen oder der 30-Minuten-Takt der Buslinie 250 zwischen Solingen und Köln, der bereits mit dem nächsten Fahrplanwechsel der Wupsi am 8. Januar wahr wird.
Vieles dauert aber noch viele Jahre, ist sehr teuer und schwierig – wie ein neues S-Bahn-Gleis zwischen Opladen und Solingen, der Durchstich des Fußgängertunnels zur Westseite des Bahnhofs und der Bau eines stadtweiten Radwegenetzes mit Pendlerrouten, das diesen Namen auch verdient und kein Flickenteppich voller Lücken ist wie bisher.
Auf die Bremse traten die Ausschussmitglieder am Ende ihrer Beratungen nicht. Bei einer Enthaltung wurde das Mobilitätskonzept in Gänze einstimmig akzeptiert. An einigen Stellen haben es die Fraktionen sogar noch forciert, weil sie manche Vorhaben in der Prioritätenliste schneller verwirklicht sehen wollen. Das betrifft zum Beispiel die barrierefreie Gestaltung aller Haltestellen und Gehwege, weitere Geschwindigkeitsreduzierungen außerorts und die Schaffung von mehr und besseren Radparkplätzen vom Anlehnbügel bis zur überdachten Servicestation.
Wie schnell der Katalog umgesetzt werden kann, hängt aber auch maßgeblich von der Arbeitskapazität und Personalausstattung im Rathaus ab. Mit dem Beschluss ist darum die Schaffung von drei neuen unbefristeten Stellen in der Stadtverwaltung verbunden. Zwei zusätzliche Vollzeitstellen sollen ab 2024 im Tiefbauamt eingerichtet werden, eine Teilzeitstelle bereits ab April 2023 in der Verkehrsbehörde des Ordnungsamtes. Das letzte Wort darüber hat der Stadtrat, der das Mobilitätskonzept abschließend gutheißen muss. Einige wichtige Projekte aus dem umfangreichen Maßnahmen-Katalog:
Mobilstationen: Das Netz der Standorte, an denen Bushaltestellen, Radparkplätze, Ladestationen und Leihfahrzeuge Verkehrsmittel verknüpfen, wird ausgeweitet. Bislang existieren drei Stationen (am Bahnhof und an den Busbahnhöfen in Leichlingen und Witzhelden). Sinnvoll wären sie nach Ansicht der Gutachter auch am Brückerfeld, am Bürgerhaus, im Pilgerheim Weltersbach, an der Solinger und an der Oskar-Erbslöh-Straße. Für den Bahnhofsvorplatz werden außerdem ein Busbahnhof mit vier Haltestellen, eine Rad-Garagen-Box wie am Hilgener Raiffeisenplatz und ein SB-Gerät für Radreparaturen vorgeschlagen.
Radwege: Aufgebaut werden soll ein stadtweites Netz aus gelben Strecken (für routinierte Fahrer) und grünen (für defensive Fahrer), überregionalen Pendlerrouten und einem Anschluss an die Balkantrasse. Dringender Handlungsbedarf wird zwischen Schulzentrum und Marktstraße gesehen, wo beidseitig Radwege angelegt werden sollen, sowie unter anderem entlang der Montanus-, Neukirchener und Alte Holzer Straße, Im Dorffeld, nach Witzhelden an L294 und L359 und an der K10 von Unterberg nach Hülstrung. Als ausgewiesene Fahrradstraßen, wo Radelnde Vorfahrt genießen, werden zum Beispiel Uferstraße, Heinrich-Gier-Straße, Dorffeld, Am Büscherhof und die Obere Brückenstraße vorgeschlagen.
Fußgänger sollen barrierefreie, breitere und komfortablere Wege, mehr Überquerungshilfen und günstige Ampelphasen bekommen. Benachteiligt werden sie nach Feststellung der Planer besonders zwischen Kirchstraße und Stadtpark, auf Mittel-, Garten-, Haupt- und Solinger Straße und an der Ampel zum Marktplatz im Brückerfeld. In der Brückenstraße sollen die zehn Schrägparkplätze entfernt werden, um Platz für Passanten, Radler und Sitzmöbel zu schaffen.
Gartenstraße: Die Einbahnrichtung könnte umgekehrt werden. Dann wäre die knappe Linksabbiegerspur auf der Kirchstraße überflüssig und würde die Mittelstraße vom Durchgangsverkehr dermaßen entlastet, dass sie im Denkmalbereich mit versenkbaren Pollern gesperrt werden könnte. Der Parkstreifen auf einer Straßenseite wird für entbehrlich gehalten, zugunsten von Radspur, Bäumen oder Sitzmöglichkeiten.
Am Markt in Witzhelden kann das Nadelöhr der Einmündung der Solinger Straße nach Ansicht der Experten durch eine intelligente Vorrangampel für Busse entschärft werden: Sie könnten besser abbiegen, wenn der Verkehr auf der Solinger Straße rechtzeitig durch Rotlicht vor der Haltelinie gestoppt wird und er die Kreuzung dann nicht mehr verstopft.