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Pilgerheim WeltersbachDie Genesung des Dorfes gefeiert

Lesezeit 4 Minuten

Die Lage im Pilgerheim Weltersbach hat Joachim Noß (rechts) wieder weitgehend im Griff.

Leichlingen – Diese Nacht hat Spuren hinterlassen. Nicht alle davon sind sichtbar. Wenn Joachim Noß alte Kisten im Anbau öffnet, ruft der Geruch des immer noch darin sitzenden Schlamm die Erinnerungen daran wach. Und wenn es in der Nacht einmal heftig regnet, sitzt der Leiter des Altenzentrums Pilgerheim Weltersbach senkrecht im Bett.

„Das hat schon ein Trauma bei mir hinterlassen“, bekennt Joachim Noß. „Das“ war jener Starkregen, der in der Nacht zum 10. Juni 2018 über Leichlingen niederging und mit seiner Wassermassen schlimme Schäden anrichtete – nahe der Wupper in Büscherhöfen mit der Paul-Klee-Schule und bei Balken. Und vor allem im Pilgerheim Weltersbach.

Kniehoher Schlamm im Saal

Die sichtbaren materiellen Schäden sind weitgehend behoben. „Es sind nur noch Kleinigkeiten zu erledigen“, sagt Noß und zeigt auf die fehlende Verblendung von Türrahmen am Zugang zum Kirchenraum im Zentrum des Altendorfs der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinden. Vor einem dreiviertel Jahr hatte hier im Raum das Wasser einen Meter hoch gestanden, musste der kniehoch zurückgebliebene Schlamm in mühsamer Handarbeit hinausgeschaufelt werden.

Eine Schlammflut hatte im Juni vorigen Jahres viele Gebäude des Pilgerheims schwer beschädigt, auch den Kirchenraum.

Wasser und Schlammmassen, die in jener dramatischen Nacht in das enge Tal des Weltersbach stürzten und in einer Flutwelle über das Altenzentrum hineinbrachen richteten einen Schaden, den Noß heute mit gut zwei Millionen Euro angibt. Die Versicherung übernahm später die Begleichung der Kosten. In der Nacht ging es erst einmal darum Menschenleben zu retten, Pflegebedürftige in Sicherheit zu bringen, Schaden zu begrenzen. Zum Glück kam niemand zu schaden. Die Gebäude hingegen litten mächtig.

Wieder voll hergestellt ist der Kirchenraum im Zentrum des Dorfes. Orgel und Flügel mussten neu angeschafft werden.

„In mehreren Häusern musste alles herausgerissen werden, auch Putz und Estrich hatten Schaden genommen“, berichtete Noß jetzt. „Dafür ist in einigen Gebäuden nun alles neu und schön geworden.“ Um das Ergebnis zu zeigen, hatte das Pilgerheim am Samstag zu einem Tag der offenen Tür eingeladen und erfreute sich von 11 bis 16 Uhr eines regen Besuchs.

„Die Hotdogs sind längst ausverkauft“, meldete die Zentralküche im Tal schon zur Mittagszeit. Und im Dorfcafé, das am Samstag erstmals seit dem Flutdesaster wieder geöffnet hatte, mühte sich das Serviceteam, allen Bestellungen an den stets besetzten Tischen nachzukommen.

Erstmals seit der großen Flut hatte das Dorfcafé zum Tag der offenen Tür am Samstag wieder geöffnet. Der Andrang war stark.

„Das war der eine schöne Effekt dieser schlimmen Nacht“, erinnert sich Pilgerheim-Leiter Noß. „Da war eine enorme Solidarität zu verspüren. Alle packten mit an. Die Rettungskräfte und hier Beschäftigten ohnehin, aber auch wildfremde Leute, die einfach nur helfen wollten und tatkräftig mit anpackten.“

Bei ihnen will sich das Pilgerheim gesondert bedanken: mit einem Dankfest am Samstag, 25. Mai. Dafür muss in diesem Jahr einmal das traditionelle Ostereiersuchen rund ums Pilgerheim ausfallen. Das ist ist diesmal organisatorisch nicht zu stemmen.

Wo die Regenflut im vorigen Sommer ein Auto von der Straße gerissen hatte, schützt jinzwischen eine Mauer Haus Bethesda.

Zumal das Pilgerheim Baustelle bleibt. Das Haus Emmaus, neben dem durch die Flutwelle ebenfalls stark beschädigten Haus Bethesda das älteste Gebäude der Anlage, soll voraussichtlich im April abgerissen werden. An seiner Stelle wird ein Neubau errichtet.

Und an der Rückseite des Dorfcafés wird, wie an mehreren anderen Gebäuden, der Hochwasserschutz nachgebessert. Dort soll ein Zugang verlegt, eine Schutzwand errichtet werden. Auch ein verrohrter Bach soll einen Abfluss mit ausreichend größerem Durchmesser erhalten, wozu ein längerer Abschnitt Dorfstraße aufgerissen werden muss.

Zur Geschichte

Das Pilgerheim Weltersbach wurde 1926 gegründet und immer wieder erneuert und erheblich erweitert. Heute werden gut 500 Bewohner von rund 170 Mitarbeitern betreut. Zum Pilgerheim gehören 286 vollstationäre Betreuungsplätze und 170 Mietwohnungen im Rahmen eines betreuten Wohnens. Die Bezeichnung „Pilgerheim“ soll andeuten, das Menschen nur zu Gast auf Erden und unterwegs zur ewigen Heimat sind. (ger)

Ingenieure haben in einer Computersimulation errechnet, welchen Weg mögliche Überschwemmungswellen bei weiteren Starkregenereignissen nehmen könnten, und entsprechende Vorkehrungen angeraten. „Allein in diesen zusätzlichen Hochwasserschutz stecken wir noch einmal gut 300 000 Euro“, berichtet Noß. Die Stadt Leichlingen will am Nordhang des Tales längs eines Weges einen Wall errichten, damit das Oberflächenwasser von angrenzenden Äckern und Feldern nicht mehr so schnell hinab ins Tal schießen kann.

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Noß hat viel hinzugelernt seit der traumatischen Juni-Nacht 2018. Zum Beispiel, dass Starkregen in unseren Breiten vor allem in der Zeit zwischen April und August auftritt. Bis zum Herbst wird es aber wohl dauern, bis der Hochwasserschutz und auch die immer noch fehlende Fußgängerbrücke am Bibelgarten erneuert sind. Vielleicht kann Noß dann wieder ruhiger schlafen, wenn es nachts regnet.