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2 Stunden in Bergisch NeukirchenDie mühsame Suche nach dem echten Domblick

Lesezeit 5 Minuten
Dartpfeil Reportage Friedhof Bergisch Neukirchen (5)

Keinen Domblick gibt es in der Straße Domblick.

Leverkusen-Bergisch Neukirchen – Hier ist nichts los. Wie ausgestorben. Das liegt vielleicht daran, dass ich mich an einem verregneten Donnerstagmorgen auf einem Friedhof befinde. Mal wieder hat der Dartpfeil-Wurf eines Kollegen auf die Leverkusener Landkarte darüber entschieden, wo ich mich heute zwei Stunden lang aufhalten werde. Der Treffer führt mich auf den Friedhof an der Burscheider Straße in Bergisch Neukirchen. Was soll hier schon Spannendes passieren, denke ich.

In Regenjacke schlendere ich zwischen bunt bepflanzten Gräbern über die Schotterwege des Friedhofs. Die reine, feuchte Luft lässt sich gut einatmen. Durch den Regen strahlen die Blätter der Bäume grün, die Blumen blühen. Hier ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen.

Ich höre ein Rascheln und drehe mich um. Ist da etwa endlich ein Besucher? Doch es war nur eine Amsel, die zurück in ihr geschütztes Nest unter dem Blätterdach einer Buche fliegt. Ich bin wohl doch nicht die einzige hier. Nun bemerke ich erst, wie laut die Vögel hier zwitschern und sich eifrig zu unterhalten scheinen. Es tut gut, hier die Gedanken schweifen zulassen.

Petra Weninger merkt die Folgen der Inflation

Doch jetzt möchte ich mit Menschen in der Umgebung sprechen. Also verlasse ich den Friedhof und sehe, dass ein großer Lastwagen gerade das Blumengeschäft gegenüber beliefert. Im Geschäft treffe ich auf Petra Weninger, der der Laden schon seit 18 Jahren gehört. Sie wohnt und arbeitet gerne hier, da das beschauliche Bergisch Neukirchen wie ein Dorf sei, erzählt sie.

Zur Serie

In unserer Serie „2 Stunden...“ werfen die Autorinnen und Autoren mit einem Dartpfeil auf eine Landkarte von Leverkusen. Wo auch immer der Pfeil landet, verbringen sie zwei Stunden. Sie erkunden den Zufallsort, treffen auf fremde Menschen, erleben Ungewohntes, Schönes und Skurriles – und erzählen davon.

„Ich habe viele Stammkunden, die hier schon Jahre lang herkommen. Man kennt die Lebensgeschichten der Menschen. Wenn jemand stirbt und die Blumen für das Grab hier gekauft werden, weint man zusammen, und wenn etwas Schönes passiert, lacht man zusammen“, so Weninger. Zu den Kunden habe sie ein persönliches Verhältnis. Das wird deutlich, als ein Mann das Geschäft betritt und die zwei sich angeregt über den richtigen Schnitt von Lavendel unterhalten.

Dartpfeil Reportage Friedhof Bergisch Neukirchen (2)

Ausgangspunkt des Ortsbesuchs: der Friedhof Bergisch Neukirchen

Doch läuft auch nicht alles super für das Geschäft. Petra Weninger hat in letzter Zeit die Folgen der Inflation bemerkt. „Es ist ruhiger geworden. Die Leute sparen, wo sie nun mal können. Die Feiertage laufen aber immer noch gut“, sagt Weninger. Sie sei äußerst froh über ihre Infrarot-Heizung, die sie vor drei Jahren gegen die alte Gasheizung getauscht hat.

„Damals haben die Leute das noch belächelt, aber heute möchte jeder am liebsten unabhängig vom Gas sein.“ In ihrem zweiten Geschäft, einem für Brautmode, sei der Gaspreis für die Heizung um das Dreifache gestiegen, berichtet Petra Weninger. „Doch da ziehen sich die Frauen ja auch um. Dort muss ich nun mal heizen.“

Trend bei Floristen: Trockenblumen

Weninger erzählt mir von einem Trend: Trockenblumen ließen sich heutzutage wieder äußerst gut verkaufen. „Früher wurden sie als Alte-Oma-Blumen verpönt, aber jetzt sind sie bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wieder gehypt. Nelken sind besonders beliebt.“

Dartpfeil Reportage Friedhof Bergisch Neukirchen (6)

Im Blumenladen von Petra Weninger in Bergisch Neukirchen wird getrauert und gelacht.

Draußen vor dem Geschäft blicke ich auf das weiße Eingangsschild. „Wer ist denn Karina Moll? “, frage ich Weninger. Sie sei die ehemalige Besitzerin des Blumenladens und eine gute Freundin gewesen, sei jedoch vor über 15 Jahren gestorben. „Die alten Stammkunden reden noch bis heute über sie und schwärmen von den schönen Blumensträußen, die sie für sie gemacht hat.“

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Ich laufe die Straße weiter herunter in Richtung Domblick. Ich frage mich, ob man von dort tatsächlich den Kölner Dom erblicken kann. In der Straße angekommen, muss ich erst einmal den Berg hinauflaufen. Völlig außer Atem stelle ich oben fest, dass man den Dom von hier leider überhaupt nicht sehen kann, nur eine Baustelle.

Zwei Fußgänger, die ich nach dem Blick auf den Dom frage, raten mir, in Richtung Balkantrasse zu gehen. „Vielleicht kannst du den Dom aber auch hier vom Baustellenkran aus sehen“, scherzen die beiden. Für einen kurzen Moment denke ich darüber nach, den Kran zu erklimmen, doch verwerfe die Idee schnell.

In Bergisch Neukirchen braucht man keinen Urlaub

Nach ein paar Minuten befinde ich mich auf der Radweg Balkantrasse. Ich treffe auf zwei Frauen, die sich aus der Nachbarschaft kennen. Elke Heinrichs ist mit ihrem Hund spazieren und Jasmin Herzog joggt eine morgendliche Runde. Sie unterhalten sich gerade darüber, wie lebenswert Bergisch Neukirchen doch sei. Jasmin Herzog schätzt die vielen netten Menschen.

„Oft werden hier Straßenfeste organisiert, bei denen Salate vorbereitet und Getränke gestellt werden. Für Kinder werden oft Spiele vorbereitet“, berichtet Herzog. „Für Familien ist es echt super hier“. Nicht ohne Grund sei Bergisch Neukirchen das Naherholungsgebiet Leverkusens. „Wenn man hier wohnt, braucht man keinen Urlaub“.

Dartpfeil Reportage Friedhof Bergisch Neukirchen (4)

Jasmin Herzog (l.) und Elke Heinrichs im Gespräch auf der Balkantrasse

„Natürlich kann man den Dom hier sehen. Wenn das Wetter klar ist, ist das gar kein Problem“, sagt Elke Heinrichs, als ich von der falschen Versprechung der Straße Domblick berichte. „Du musst einfach nur etwas weiter auf der Balkantrasse laufen. Dann gehst du links herunter, rechts durch den Tunnel, geradeaus und schließlich den Hügel hinauf zum Claashäuschen. Dort läufst du nur noch ein Stückchen auf dem Obstwanderweg“, erklärt sie. Ob ich mir das alles merken kann? Ich mache mich auf die Suche.

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Nun kommt die Sonne hinter den dick verschleierten Wolken hervor und spendet mir Wärme. Ich genieße die kleine Wanderung durch den grünen Wald und an blühenden Feldern und einer Pferdewiese vorbei. Ich verstehe jetzt genau, warum die beiden Frauen sich hier so wohlfühlen. Ich selbst fühle mich ja, als wäre ich im Urlaub.

Als ich den von Elke Heinrichs beschriebenen Hügel hinaufstapfe, sehe ich auch schon die Gaststätte „Claashäuschen“. Oben angekommen, entdecke ich eine Tafel, die den Obstwanderweg ausschildert. Hier bin ich richtig. Ich folge dem Obstweg eine Weile und gelange auf ein weites Feld, auf dem ein Bauwagen und eine kleine Hütte stehen.

Dartpfeil Reportage Friedhof Bergisch Neukirchen (3)

Mit einiger Mühe gelingt er in Bergisch Neukirchen doch noch, der Blick auf den Kölner Dom.

Als ich in die Ferne schaue, sehe ich den Fernsehturm in Ehrenfeld und in Miniaturgröße zwei kleine Spitzen hinter einem Dach hervorragen. Ich klettere auf den Bauwagen und tatsächlich: Ich kann den Dom sehen.