42. Leverkusener JazztageLisa Simone ist die fantastische Tochter einer großen Mutter
Leverkusen – Suchte man die am gemütlichsten hergerichtete Bühne bei diesen nun bald endenden 42. Leverkusener Jazztagen, würde man bei ihr fündig: Lisa Simone. Neben den üblichen im Hintergrund drapierten Gitarren- und Bassverstärkern stehen da nämlich auch mehrere Barhocker und ein kleines Tischchen, auf dem sich eine Thermoskanne der Sängerin mit – wahrscheinlich – Tee für ihre Stimmbänder befindet und aus der sie ab und an ein Schlückchen nimmt. Und das war es dann auch. Aber eine wie Lisa Simone braucht ja auch nicht mehr.
Denn sie hat ja ihre Stimme. Und die ist derart ausfüllend, dass alles andere drumherum obsolet wird. Natürlich schwebt durch dieses Drumherum im Saal immer auch dieser Geist, wenn sie singt. Oder besser: Dieser unausgesprochene Name, der auch an diesem Abend nicht erwähnt wird und doch allgegenwärtig ist und den Lisa Simone auf mannigfaltige Weise umschreibt.
Musik als Berufung
„Ich kenne Eure Mütter nicht. Aber Ihr alle kennt meine“, scherzt sie etwa mit dem Publikum. Im Falle ihres Songs „Legacy“ – was auf Deutsch „Vermächtnis“ heißt – widmet sie ihrer vor 18 Jahren verstorbenen Mutter sogar ein Lied, in dem sie davon singt, dass sie alles anders als sie macht – und doch am meisten von ihr gelernt hat und selbstverständlich im Geiste ihrer Mutter Tochter ist, weil sie deren Leidenschaft für die Musik ebenso fühlt und als Berufung auffasst.
Diese Berufung spürt man in den 90 Minuten eines fantastischen Konzertes zwischen viel altem und modernem Blues, ein wenig Jazz und dieser gehörigen Portion Soul – übersetzt ja „Seele“ -, die man braucht, wenn man als Künstlerin oder Künstler Geschichten des eigenen Lebens so erzählen will, dass diejenigen, die zuhören, auch etwas damit anfangen können. Mitempfinden. Mitlachen. Mitleiden. Die ganze Palette eben.
Große Stimm-Bandbreite
Und Lisa Simone offenbar dabei sogar eine – man mag es gar nicht sagen, weil es sich so ungeheuerlich anhört – größere und weitere Bandbreite an Stimm-Stimmungen als ihre vor allem für ihr dunkles, warmes, manchmal kratziges Timbre bekannte Mutter, das seinerzeit Songs wie „Feeling Good“ oder „I put a spell on you“ zu Welthits und Klassikern machte.
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Die Konsequenz daraus: Man vermisst diese Lieder nicht, die ganz sicher manch Besucherin oder Besucher an diesem Abend auf dem persönlichen Programm-Wunschzettel gehabt hat – ganz nach dem Motto: „Na, sie wird doch sicher auch mal kurz... Also bei so einer Mutter muss sie doch....“ Nein: Muss Lisa Simone ganz und gar nicht. Weil sie selbst eine so hervorragende Künstlerin ist, dass sie diesem Festival eines der besten Konzerte überhaupt beschert.
Ach ja: Wer nun Lisa Simones Mutter - „Ihr wisst das alle!“ - ist, das müsste eigentlich nicht erwähnt werden. Doch sei’s drum: Es ist natürlich Nina Simone, eine der prägendsten Stimmen der Musikhistorie.