Auktion in LeverkusenWie stark das Herz schlägt, wenn man auf Kunstwerke bietet
Leverkusen – Der Leverkusener Bayer-Konzern hat gerade einen Teil seiner Kunstsammlung versteigert, Dubletten und nicht mehr Zeitgemäßes verkauft, um neue, junge Kunst zu finanzieren. Ein Spielfeld für Kunstsammlerinnen und -sammler mit kleinem Portemonnaie, eine Chance, begehrte Kunstschaffende und ihre Kunstwerke für das eigene Zuhause zu sichern. Wie aufregend es ist, bei einer Auktion selbst mitzubieten, hat unser Autor dabei am eigenen Leib erfahren.
Die Entscheidung ist beim Betreten des Bayer-Erholungshauses gefallen. Da hängt Annabelle Hewitts Papiercollage mit dem Namen Construction F an der Wand. Die Farbe Rosa dominiert das Kunstwerk, eine Konstruktionszeichnung steht neben einem silber glänzenden Gitter, eine dünne, rote, nur schwer zu entziffernde Schrift zieht sich über Teile der Collage. Das hätte ich gerne zuhause an der Wand hängen, denkt sich der Autor und merkt sich die Losnummer 316.
65 Werke werden versteigert
65 Werke werden an diesem Abend versteigert, das erste hat die Losnummer 301. Die Schätzpreise liegen zwischen 50 bis 80 Euro für ein Köln-Aquarell unbekannten Ursprungs auf Japanpapier und 600 bis 800 Euro für ein Ölgemälde einer Chiemsee-Landschaft des Malers Richard Kaiser.
Durch den Abend führt Markus Eisenbeis, der Auktionator und Geschäftsführer des traditionsreichen Kölner Auktionshauses Van Ham ist ein absoluter Profi, der bei anderen Versteigerungen auch mal mit fünf-, sechs- und siebenstelligen Geldbeträgen jongliert.
Bei den Beträgen, die er vor rund 100 Besuchern der Auktion in Leverkusen ansagt, kommt er zu keinem Zeitpunkt ins Schwitzen. Voller Witz, charmant, auch hier und da flapsig, aber immer unterhaltsam leitet und stiftet er Bietergefechte an. Die Werke, sagt er zu Beginn der Auktion, würden gekauft, wie sie im Foyer des großen Saals aushängen, fertig gerahmt. Da könne der Rahmen mitunter mehr wert sein als das Werk selbst, witzelt Eisenbeis.
Schnell entwickelt sich ein Bietergefecht
Bei Los Nummer 307 – eine Farbradierung und eine Lithografie aus den 1970ern und 1980ern werden gemeinsam versteigert – fängt Eisenbeis mit nur 80 Euro an, doch schnell entwickelt sich ein Bietergefecht. Immer wieder schnellen die Zettel mit Bieternummern in die Luft. Schlag auf Schlag verkündet der Auktionator: „Ich habe 120. 140? 140. 160. 180. 200. Wer bietet mehr als 200? 220. 240.“ Eine Bieterin wird von links und rechts immer wieder überboten. „Sie werden aber wirklich in die Zange genommen“, bemerkt Eisenbeis. Doch am Ende ist die Bieterin erfolgreich: Bei 330 Euro bekommt sie den Zuschlag.
Der Autor dieser Zeilen hat seine Bieternummer bislang bloß auf dem Stuhl neben sich liegen, traut sich kaum, das Jucken im Gesicht mit einem Kratzen zu unterbinden. Nicht, dass der Auktionator eine unschuldige Geste noch als Gebot interpretiert.
Die Halsschlagader pocht wie verrückt
Das ändert sich bald, Eisenbeis rast durch die Versteigerung, nicht einmal eine Stunde wird es dauern, bis alle Werke bis auf eins neue Besitzerinnen und Besitzer gefunden haben. 316 wird aufgerufen, die begehrte Collage kommt gemeinsam mit einer Radierung der selben Künstlerin unter den Hammer. Nur 80 Euro ruft Eisenbeis zum Start auf. Der Autor hebt seine Bieternummer in die Höhe – und hat mit 140 gleich das höchste Gebot. Zwei weitere Personen haben gleichzeitig geboten, die Gebote werden in solchen Momenten deshalb im Sekundentakt gesteigert. Bleiben die Nummern oder Hände in der Luft, geht es immer weiter.
Schnell runter damit, rast es durch den Kopf. Das Herz, es schlägt in diesem Moment, als sei man im Dunkeln erschreckt worden. Die Halsschlagader pocht wie verrückt, der Puls entwickelt eine Kraft, als könne er den ganzen Körper durchrütteln. 160, sagt ein anderer. 180, sagt der Autor mit einer Handbewegung. Bumm, bumm, bumm, bumm, sagt der Körper.
Bei 260 soll Schluss sein
Bei 260 soll Schluss sein, das wäre ein guter Fang. 180 zum ersten, zum zweiten, 200, 220, 240, ein letztes Mal die Bieternummer in die Höhe recken. „260 sind geboten. Wer sagt 280? 260 zum ersten, 260 zum zweiten, und 260 zum....“ – Bumm, Bumm, Bumm – „280.“ Das war's, diszipliniert bleiben, gerade eben hast du das Bild zum ersten Mal gesehen, reiß dich zusammen. Der Autor steigt aus, das höchste Gebot beträgt am Ende 350 Euro. Erst nach einigen Minuten beruhigt sich der Puls wieder.
Mehr als 20.000 Euro nimmt Bayers Kulturabteilung am Ende mit der Versteigerung ein. Geld, das nun genutzt werden kann, um jene Sammlung zu erweitern und modernisieren, aus der die Angestellten des Konzerns Kunstwerke auswählen dürfen, um sie sich ins Büro zu hängen.
„Wir wären gerne große Sammler“
330 Euro kommen von Bernd Rölle und Andrea Hellekes-Rölle. Das Ehepaar ist aus Köln angereist. Er hat den Auktionskatalog während der Versteigerung in digitaler Form auf seinem Schoß aufgerufen, sie beugt sich immer wieder zu ihm rüber, gemeinsam beraten sie das Vorgehen. Hier und da bieten sie mit, Erfolg haben sie schließlich bei zwei Landschaftsdarstellungen von Verena Vernunft.
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„Wir sammeln in bescheidenem Maße Kunst“, sagt Bernd Rölle, als der Saal schon fast wieder leer ist und draußen die Werke für die Käuferinnen und Käufer eingepackt werden. „Wir wären gerne große Sammler, aber dafür braucht man viel Geld.“ Bei der Auktion habe es die Devise gegeben: „Es muss immer beiden gefallen“, sagt er. „Man muss sich vorher überlegen, was man ausgeben will und darf sich nicht dem Moment hingeben“, ergänzt Andrea Hellekes-Rölle. Die letzten 50 Minuten seien spannend gewesen, sagt sie. „Es geht so schnell. Und wenn man was will, hat man die Sorge, man wird übersehen. Das ist sehr aufregend“, schließt sie – und es ist niemand da, der ihr widersprechen wollte.