Tote Hose nach „Lost Places“?Welche Zukunft öffentliche Kunst in Leverkusen hat
Leverkusen – Fast zwei Monate lang war sie nun zu sehen gewesen, diese Ausstellung „Lost Places“ in der City C. Es war eine öffentliche und für alle Menschen zu jeder Zeit zugängliche Schau von Kunst an einem Ort, der seit Jahren im Sinne eben dieses Wortes – „lost“ – verloren, vergessen ist: Weil er zwar wuchtig, groß, weitläufig daherkommt und viel Potenzial bietet, um urbanes Leben stattfinden zu lassen. Und weil es dort eben doch nur Leerstand gibt. Jedes Schaufenster ein Blick in die Trostlosigkeit. Jeder Quadratmeter Boden nur ein Fleckchen Beton und ein Symbol für einfallslose Stadtpolitik.
Was bleibt also nach den Wochen der kurzfristigen Wiederbelebung? Dieser Frage stellten sich in einer abschließenden Diskussionsrunde die Veranstaltenden, die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sowie einige Gäste vom Fach, ehe die Plastiken, Fotografien, Bilder und Video-Installationen abgebaut wurden.
Menschen hielten inne
Er sei sehr häufig vor Ort gewesen, sagte Thomas Helfrich, Chef der Bayer-Kultur, der „Lost Places“ erdacht und gemeinsam mit dem von Susanne Wedewer-Pampus geleiteten Kunstverein Leverkusen umgesetzt hatte. „Und ich habe viele Menschen gesehen, die hier innehielten.“ Das habe ihm gezeigt: „Das funktioniert.“ Und genau das sei vorher ja nicht klar gewesen. Insofern sei „Lost Places“ ein Erfolg. „Wir haben damit einen Impuls gesetzt. Und ich wünsche mir, dass dieser Funke nicht sofort verglimmt.“
Natürlich war diese Formulierung ein Wink mit dem gar nicht mal so kleinen Zaunpfahl in Richtung Stadtspitze, die sich „sehr kooperativ bei der Planung und dem Ermöglichen dieser Ausstellung“ gezeigt habe. Ein Wink, der vielleicht bewirkt, diesem Ort in der Leverkusener City nach Jahren der begonnenen und stets wieder ad acta gelegten Planungen vielleicht doch noch dauerhaft Leben einzuhauchen.
Wasser in den Wein
Wenngleich Jörg van Berg, der Direktor des Museums Morsbroich, nach eigenen Worten „Wasser in den Wein“ schüttete: „Bei Kunst im öffentlichen Raum muss man vorsichtig sein. Sie bekommt oftmals diese heilende Funktion zugeschrieben – aber die ist fragwürdig.“ Denn Sinn und Absicht der Kunst sei es nicht, einen Ort wie diesen dauerhaft aufzupäppeln. Sei nicht, einen „blöden Raum“ plötzlich an ihr festzumachen. „Nein: Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man dieses Ding hier über die Kunst in den Griff bekommt.“ Genauer gesagt beginne jetzt, nach dem Ende von „Lost Places“, die „Zeit der Trauerarbeit“: „Die Ausstellung ist weg.
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Und ab jetzt ist hier wieder tote Hose“. Hätte man einen Beitrag für die Zukunft des Ortes leisten wollen, dann hätte der Ansatz der gezeigten Kunst ein ganz anderer sein müssen. „Dann hätten auch Stadtplanende, Forschende, Studierende beteiligt werden müssen.“ Das war nicht der Fall. Was jedoch auch „völlig in Ordnung“ sei, denn: „Wichtig ist, dass die Kunst eine ästhetische Kraft hat, die in den Ort hineinwirkt, ohne dass der seine Verlorenheit verliert.“ Das sei der Fall gewesen. Fazit: Kunst könne darüber hinaus nur „einen politischen Impuls“ geben.
Politischen Impuls geben
Womit van den Berg im Einklang mit Thomas Helfrich argumentierte, der betonte, dass eine Wiederholung der Schau nicht geplant sei und der noch einmal konkreter wurde: „Es kann ein Funke zünden, dass sich die Stadt überlegt: Was mache ich mit diesem Raum? Nutzen wir ihn vielleicht auch für den öffentlichen Diskurs?“ Sprich: Könne man an ihm die Menschen auch abseits der Kunst zusammenbringen, um miteinander zu diskutieren? Beispiel: „Der Brückenbau über die A 1. Das ist ein langer Prozess. Sehr kompliziert. Keiner weiß genau, was da passiert. Also: Kann ich diesen Ort hier nutzen, um derlei Dinge sichtbar zu machen?“ Mit Gesprächsrunden sowie Informationsaustausch.
Dass genau das ein nicht leicht umzusetzendes Ziel ist, betonte nicht zuletzt Susanne Wedewer-Pampus: „Wir haben hier in Leverkusen viele städtebauliche Probleme, viele »Lost Places«. Aber wir haben keine wirkliche Stadtgesellschaft, keinen Zusammenhalt.“ Das sei den vielen Stadtteilen geschuldet, aus denen Leverkusen bestehe. Sie machten eine Art von „Patriotismus“ wie es ihn etwa in Köln gebe, unmöglich. Helfrich schloss: „Ich brauche hier vor Ort eine Kultur, die alles trägt. Die Stadt muss dafür sorgen, dass es entsprechende Bildungsangebote an den Schulen gibt. Die Menschen müssen sensibilisiert werden für Kultur.“