Der Mann hat etwas von Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Das zeigt sich im Prozess um das Feuer in der Container-Unterkunft an der Heinrich-Claes-Straße.
Brandstiftung in LeverkusenNachbarin: „Ich habe Angst vor dieser Person“

Das Feuer am 1. August vorigen Jahres in der Küppersteger Container-Unterkunft hat die Bewohner zutiefst verstört.
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„Das ist eigentlich ein lustiger Typ.“ Sagt sein Betreuer. „Ich habe Angst vor dieser Person.“ Sagt eine Nachbarin. Zwischen diesen Aussagen liegt am Mittwoch ungefähr eine halbe Stunde. Sie zeigen: Der 42 Jahre alte Mann, dem vorgeworfen wird, am Morgen des 1. August 2022 seine Bleibe in der Container-Siedlung an der Heinrich-Claes-Straße angezündet und so Dutzende von Nachbarinnen und Nachbarn in Lebensgefahr gebracht zu haben, hat zwei Gesichter.
Sein Betreuer hat ihn in den rund dreieinhalb Jahren, in denen er mal mehr, mal weniger Kontakt hatte, auch als lockeren, fröhlichen Menschen kennengelernt. Ein Eindruck, den der Verteidiger gerne teilt. „Wir lachen auch viel“, sagt Lars Leidinger vor der 10. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts.
Ein schwieriger Fall
Damit ist der Beschuldigte allerdings nur zum Teil beschrieben. „Schwierig zu betreuen“ sei er immer wieder gewesen, sagt der Zeuge. Und benennt einen offenkundigen Kipp-Punkt: Weihnachten 2020 habe sich eine Freundin von dem Beschuldigten getrennt. Danach sei es mit ihm sehr deutlich bergab gegangen. Nachdem er randaliert, Möbel und einen zuvor kaputtgetretenen Fernseher aus dem Fenster seiner Wohnung geschmissen habe, sei ihm gekündigt worden, erinnert sich der Betreuer. Danach habe es immer wieder wahnhafte Äußerungen gegeben: Er habe behauptet, dass jemand anders in seiner Wohnung ein und aus gehe, sein Zuhause mit blauem Licht gescannt werde. Deshalb habe er sich monatelang nicht mehr hingetraut, bei einem Freund Unterschlupf gesucht.
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Von Januar bis Juni 2021 wurde der Angeklagte in der Langenfelder Landesklinik behandelt. Es war nicht das erste Mal, aber so lange hatte sich der psychisch kranke Mann noch nie im Krankenhaus aufgehalten. „Er wollte nicht raus“, beschreibt sein Betreuer die Lage. Was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass er engen Kontakt zu einer Pflegerin der Klinik aufgebaut hatte. Aber auch diese Beziehung ging schief.
Schon früher Spiele mit dem Feuer
Im Dezember 2021 landete der Beschuldigte schließlich in Leverkusen – wohin er, der vorher in Monheim und Langenfeld seinen Lebensmittelpunkt hatte, überhaupt nicht wollte. Schuld daran sei seine Ex aus Langenfeld. Damit sei er immer wieder gekommen, berichtet seine Nachbarin. Die Frau hat den heute 42-Jährigen kaum noch positiv erlebt. Sondern aggressiv. Er habe oft herumgebrüllt, in der Gemeinschaftsküche Chaos hinterlassen, dort auch schon Feuer gelegt. „Mit der Zeit drehte der etwas ab“, fasst sie zusammen.
Am 14. Mai vorigen Jahres habe es dann so etwas wie den ersten Akt dessen gegeben, was am 1. August passierte. Die Küche wurde verwüstet und unter Wasser gesetzt, der Beschuldigte habe seine Tabletten überall im Haus verteilt, einen Feueralarm ausgelöst. Sagt der Mann, der für die Stadtverwaltung Leverkusen ein Auge auf die Container-Wohnanlage und ihre Bewohner hat, wenn nötig Kontakt zum Sozialpsychiatrischen Zentrum herstellt.
Die Nachbarn hatten es längst geahnt
Nach diesem Vorkommnis wurde der Beschuldigte ein weiteres Mal in die Langenfelder Klinik gebracht. Als er im Juli von dort zurückkam, habe sich sein Zustand „nicht verändert“, beschreibt der Kontaktmann seinen Eindruck. Es habe immer wieder Beschwerden von Nachbarn gegeben, weil er nachts laut gewesen sei, gegen Möbel getreten habe. Dem Wachdienst war außerdem aufgefallen, dass er bei offener Tür in seinem Zimmer gesessen und Zigarettenpapier angezündet habe. Auch den Mitbewohnern sei das aufgefallen – was ihm nach dem Brand am 1. August Vorwürfe eingebracht habe, sagt der Kontaktmann: „Jeder hätte das doch kommen sehen.“
Die Nachbarin des Beschuldigten bekräftigt das vor Gericht: Zwei, drei Tage vor dem Brand sei der Mann über den Flur gegangen und habe gebrüllt: „Ich mache euch fertig. Ihr werdet alle in der Hölle schmoren!“ Am Montag, 1. August, war es dann fast soweit. Die Nachbarin bricht in Tränen aus.