Mit dem Einsatz für Diversität und Akzeptanz hat sich das Schlebuscher Gymnasium eine Auszeichnung verdient.
Leverkusener GymnasiumWas das Freiherr-vom-Stein zur Schule der Vielfalt macht
Das erste Outing war nicht schwer. „Damals war ich noch als Mädchen unterwegs – verrückte Zeiten!“, sagt Draven. Dass die Tochter eine feste Freundin mit nach Hause bringt, wundert die Eltern nicht. „Dann habe ich das einfach in den Klassenchat geschrieben, da kam auch nur: Ja, ok!“ Echte Diskriminierung spürt Draven aber, als er sich vor einem Jahr als transsexuell outet und nicht mehr mit seinem alten Namen angesprochen werden will. „Das habe ich den Lehrern so gesagt und die waren auch alle ganz toll“, sagt der heute 18-Jährige.
Aber wenn gerade kein Lehrer zuhörte, nutzten einige Mitschüler bewusst den alten Namen. Auch auf den Kleidungsstil gibt es in der Öffentlichkeit negative Reaktionen. „Einmal hat jemand auf mich von außen gegen ein Busfenster gespuckt.“ Alles in allem aber sagt Draven: „Ich bin extrem glücklich mit meiner Schule und sehr stolz auf meine Stufe und die Lehrer.“ Und darauf, dass das Freiherr-vom-Stein-Gynasium jetzt offiziell „Schule der Vielfalt“ ist.
Bevor die neue Plakette am Schlebuscher Schulgebäude enthüllt wird, gibt es einen kleinen Festakt, für den die immer noch in Baugerüste gehüllte Aula schmerzlich vermisst wird. So quetschen sich alle Klassensprecher, viele interessierte Schülerinnen, Elternvertreter und Lehrerinnen in den größten verbliebenen Raum der Schule, um zu feiern, wie es zu dieser Auszeichnung gekommen ist.
Bei einem Sportfest 2017 hat Lehrerin Alexa Mönning, die auch die Sozial-AG leitet, zum ersten Mal eine Aktion ins Leben gerufen und mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam einen riesigen Regenbogen entsprechend der T-Shirt-Farbe aufgestellt. Außerdem gibt es regelmäßige Aufklärungs-Workshops, Schulungen von Schülern für Schüler zum Thema „Vorurteil und Coming-out“.
Aus der Schülerschaft hat sich dann im Schuljahr 2021/22 eine Queer-AG gegründet. „Ich habe in einem queeren Zentrum in Köln erstmals von der Schule der Vielfalt gehört“, berichtet Draven. Daraufhin hat die Queer-AG Lehrerin Mönning ins Boot geholt und die Sache nahm ihren Lauf.
Ihr und Kollegin Christina Schapitz stehen während des Festakts die Tränen in den Augen, als diese den Schülerinnen und Schülern zuruft: „Seid, wie ihr sein wollt, so seid ihr großartig!“ Es gebe „eine Handvoll“ von schwulen und lesbischen Mitarbeitenden an der Schule, sagt Lehrer Kai Wahle. Einige davon blieben lieber im Verborgenen, er gehört zu den offen Homosexuellen.
Und er ist froh, dass sich seit seiner Schulzeit einiges verändert hat: „Ich wusste das schon, als ich fünf oder sechs war, mein Outing hatte ich aber lieber erst nach der Schulzeit.“ Heute solle kein Jugendlicher mehr Angst vor Diskriminierung wegen seines Lebensstils haben. Queere Themen gehören für ihn nicht nur in den Sozial- oder Geschichtsunterricht. Auch in einer einfachen Mathematik-Textaufgabe könne mal eine Regenbogen-Familie vorkommen. Ganz unaufgeregt. Normal.
71 Schulen der Vielfalt in NRW
„Schule der Vielfalt“ ist ein bundesweites Antidiskriminierungsnetzwerk, das sich für eine größere Akzeptanz von LGBTQ+ Menschen in Schule und Bildung einsetzt. In Nordrhein-Westfalen wird das Projekt vom Schulministerium in Kooperation mit Rubicon, Rosa Strippe und SchLAu NRW durchgeführt. Das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium ist die 71. Schule in NRW, die das Label verliehen bekommt, sagt Frank Pohl, Leiter der NRW-Fachberatungsstelle. In Leverkusen trägt seit 2015 auch die Käthe-Kollwitz-Schule diesen Titel.
„Brauchen wir das überhaupt noch?“, fragt Imke, die ebenfalls der Queer-AG angehört, die versammelte Schülerschaft. „Wir haben 2023, ist queer sein nicht total woke?“ Sie selbst hat das nicht so erlebt. Als sie sich mit zwölf als bisexuell outet, wird sie zwar nicht angefeindet, aber belächelt.„Die weiß ja nur noch nicht, was sie will. So ein Quatsch.“
Am Tag vor der Feier schmückte sie mit Mitschülerinnen die Schule mit Regenbogen-Plakaten, malte mit Kreide bunte Herzen auf den Schulhof. „Vielen, die vorbeigegangen sind, war das egal, ein paar haben sich positiv geäußert“, erzählt Imke. „Und dann kamen welche, die haben gesagt: Ey, das könnt ihr unserer armen Schule doch nicht antun.“
Nur ein Spruch im Vorbeigehen. Aber ein Zeichen, dass es immer noch viel zu tun gibt für die Akzeptanz von Vielfalt. An der Schultür steht es ganz deutlich: „Komm rein, wir sind offen.“
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