Leverkusen – Villa Peill, Villa Rhodius, Villa Wuppermann. Wie das Bauerndorf Schlebusch zur bevorzugten Sommerfrische von Industriellen wurde – das musste jetzt noch einmal im Zusammenhang erzählt werden.
Wer könnte das besser als Denkmalschützer Jochen Simon, der im Namen des Opladener Geschichtsvereins durch die Villa Wuppermann und ihren Park führte? Wobei die ja ursprünglich Villa Andreae hätte heißen müssen. Das war der Name der Vorbesitzer. Die Familie der Stahlindustriellen übernahm das Haus erst 1885. Und vollendete erst Jahrzehnte später, nämlich 1920, die Transformation zu einem Repräsentationsbau mit einem gigantischen Landschaftspark dahinter.
Der Horizont reichte bis an die Dhünn
Der reichte nicht nur zu dem heute sehr versteckten – und in diesem Sommer trockengefallenen – Dhünn-Altarm, sondern auf die andere Seite des Flusses. Die Bäume dort bildeten den Horizont, wenn man aus einem der riesigen Fenster unten oder seitlich von der Terrasse schaute. Wobei der erste Hausherr aus der Stahl-Dynastie, Heinrich-Theodor Wuppermann, noch lieber in die Sterne schaute, wofür eigens ein Observatorium errichtet wurde.
Die normale Aussicht, sie war auch für die anderen Schlebuscher Villenbesitzer wichtig. Mal wurden Türmchen angebaut für einen noch besseren Ausblick; mindestens waren es aber große Erker. Dabei waren die Schlebuscher Villen anfangs viel weniger repräsentativ. Das gilt nicht nur für die spätere Wuppermann'sche Villa, sondern auch die Peill'sche und die Villa Rhodius. Mit deren Bau wurde – eine besondere Pikanterie – zwischen 1870 und 1871 ein französischer Architekt beauftragt. Also genau in den Jahren, in denen sich die „Erbfeinde“ auf dem Schlachtfeld beharkten.
Am Anfang stand die Familie Andreae
Gemeinsamkeiten zwischen der späteren Villa Wuppermann und der Villa Rhodius gibt es auch: Stichwort Familie Andreae. Ehen untereinander waren üblich. Die Andreaes waren ursprünglich Tuchfabrikanten aus der Würzburger Gegend, wurden zunächst im linksrheinischen Köln ansässig, mussten 1714 aber als Protestanten nach Mülheim. Sie übernahmen später das Reifengut, von dem heute immerhin noch das Pförtnerhaus steht. Wer meint, das Gut sei schon ein repräsentatives Anwesen gewesen, wurde von Jochen Simon enttäuscht. Der Denkmalkenner sprach von einem normalen, U-förmigen Hof.
Auch die Villen waren erst einmal nicht spektakulär, das zeigen die ursprünglichen Grundrisse, die sich in der Villa Wuppermann noch abmalen. Erst nach und nach „wurde aus rheinischer Hüttenbauweise Schweizer Landhausstil“, so fasste Simon das zusammen. 1855 ist die spätere Villa noch ein kleiner quadratischer Bau ohne Heizung oder sonstigen Komfort. Dreißig Jahre später werden nach und nach weitere Räume um den Kern angeordnet.
Der verlorene Sohn kehrt zurück
Das war unter der Ägide von Heinrich-Theodor Wuppermann, der 1878 den Betrieb des Pleite gegangenen Kölner Schrotthändlers Wilhelm Heiderich übernommen hatte und so ins damalige Schlebusch gekommen war. Damit kehrte der verlorene Sohn in den Schoß der Familie zurück. Carl-Theodor Wuppermann hatte 1809 das Eisengarn erfunden.
Wozu die Villa gebraucht wurde, lässt sich immer noch gut auch im Innern ablesen: Eine überaus reich verzierte hölzerne Kanzel im Repräsentationsbereich des Hauses lässt erahnen, „wie der alte Wuppermann hier seine Ansprachen gehalten hat“, so Simon. Zum Glück hat diese hölzerne Pracht nicht unter dem Hochwasser im Juli vorigen Jahres gelitten. Im Gegensatz zum alten Parkett, das Wasser und den Restaurierungsversuch danach nicht überstanden hat.
Das zentrale Treppenhaus mutet ebenso verschwenderisch an wie die vielen Balkone. Sie stehen, wie auch die teils geschnitzte Holzvertäfelung für eben jenen an Schweizer Vorbildern orientierten Stil. Die Eidgenossenschaft und Reichtum – das passte schon vor hundert Jahren gedanklich sehr gut zusammen.