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Prozess nach SchockanrufenSpezialist der Kölner Polizei ermittelte gegen Angeklagte

Lesezeit 4 Minuten
Der Eingang zum Amts- und Landgericht in Köln.

Der Eingang zum Amts- und Landgericht in Köln.

Seit dem Jahr 2000 hat ein pensionierter Kölner Polizist gegen Enkeltrick-Betrüger ermittelt. Jetzt sagte er als Zeuge im Landgericht aus.

Enkeltrick-Betrüger verbrauchen für ihre Straftaten enorme Mengen an Sim-Karten. Denn nach jeder Tat wird die für die Schockanrufe bei einer Seniorin oder einem Senioren verwendete Karte gegen eine neue ausgetauscht. Auf diese Weise erschweren die Täter den polizeilichen Ermittlern das Handwerk. Diese und viele weitere Details aus der mühsamen Ermittlungsarbeit gegen die Betrüger-Gruppen, die mit ihren erfundenen Horrorgeschichten am Telefon Seniorinnen und Senioren derart verunsichern, dass diese ihnen teilweise fünf- und sechsstellige Summen überlassen, waren am Mittwoch im Kölner Landgericht Thema im Prozess gegen Danuta K. (Name geändert).

Die junge Frau ist angeklagt, in insgesamt acht Fällen die Anrufer und die Abholer für Schockanrufe koordiniert, die Beute von den Abholern übernommen und deren Weitertransport per Kurier nach Polen organisiert zu haben. Dabei erbeuteten die Täter insgesamt 209.000 Euro. In Köln ermittelte ein inzwischen pensionierter Enkeltrick-Experte auch gegen Danuta K. Der 62-Jährige schilderte der Großen Strafkammer detailliert die Besonderheiten dieses Falles.

Enkeltrick-Masche mit Merkwürdigkeiten

Besonderheit 1: Der Ende August 2021 in Kassel festgenommene Mann, der als Geldabholer fungierte, schickte am Tag der angeklagten Taten oder tags darauf jeweils einen Screenshot seiner neuen Handynummer, die er selbst in sein Handy eingetippt hatte, an die Angeklagte. „Die Weitergabe einer neuen Handynummer per Screenshot hatte ich vorher noch nie gesehen“, so der pensionierte Beamte, der sich seit Beginn der 2000er-Jahre mehr als zwei Jahrzehnte lang mit dieser Betrugsmasche beschäftigte.

Besonderheit 2: Nach zwei der angeklagten Taten nahm das Handy des in Polen sitzenden Logistikers für die Tätergruppe mit einem Handy in Köln Kontakt auf. „Ich zog daraus den Rückschluss, dass es in Köln eine Person geben muss, die die Beute in Empfang nimmt“, berichtete der ehemalige Polizist. Tatsächlich wohnte die Angeklagte eine Zeit lang in der Kölner Innenstadt, südlich des Neumarktes.

Der erfahrene Ermittler sah relativ schnell Parallelen zwischen Enkeltrick-Fällen vom 22. April 2021 in Burscheid, vom 27. April 2021 in Wiesdorf und zwei weiteren Fällen in Kerpen und Bergheim, unter anderem weil die Beschreibung des Täters durch die Opfer sehr ähnlich war und der Abholer jeweils mit dem gleichen Namen angekündigt wurde. Weil es zudem vom Abholer bei der Tat in Kerpen eine Videoaufnahme gab, gelang es, den Mann zu identifizieren.

Aussage des Abholers belastet Angeklagte

Als er Ende August 2021 in Kassel auf frischer Tat ertappt und festgenommen wurde, zeigte die Auswertung seiner Handydaten, wie oft der Mann sich mit Danuta K. in der Zeit davor ausgetauscht hatte. „Die beiden hatten täglich per Telefon und Whatsapp Kontakt. Es ergaben sich auch Hinweise auf persönliche Treffen“, so der frühere Ermittler. Ihr Verhältnis sei „sehr intensiv“ gewesen. Sie hätten sich unter anderem über Modeartikel und teure Uhren bis spät in die Nacht ausgetauscht.

Indes: Ob es konkrete Erkenntnisse darüber gab, dass die angeklagte 25-Jährige tatsächlich Beute aus den angeklagten Fällen übernommen und deren Transport organisiert hat, dazu kann der pensionierte Polizist auf Nachfrage des Rechtsanwalts von Danuta K. nichts sagen. Allerdings wird sie durch eine Aussage des in Kassel verhafteten Abholers schwer belastet: „Da hat er im Prinzip das bestätigt, was sich aus den Ermittlungen zur Angeklagten ergeben hatte.“

Auch ob die Frau zum erweiterten Familienkreis von Arkadiusz Lakatosz gehört, der in Ermittlerkreisen als Erfinder des Enkeltricks gilt, blieb in der Verhandlung offen. Sie ist allerdings – Besonderheit 3 dieses Falles – erst die zweite polnische Staatsangehörige, die von den polnischen Behörden nach Ermittlungen in einem Enkeltrick-Verfahren an Deutschland ausgeliefert wurde. „Die polnische Seite sah lange Zeit keine Straftat in Polen bei diesen Fällen. Und wenn es trotzdem mal gelang, die Hintermänner zu identifizieren, lieferten die Behörden dort in der Regel nicht aus“, wusste der pensionierte Beamte zu berichten.

Welche auch psychischen Verheerungen die Schockanrufe und die Erkenntnis, um großen Summen Geld oder teuren Schmuck betrogen worden zu sein, auslösen, zeigten kurze Aussagen eines Polizisten und einer Bankangestellten zu Beginn des Verhandlungstages. Der junge Polizeibeamte berichtete von seinem Einsatz in Wiesdorf Ende April 2021. Dort hatte eine Seniorin gerade 11.000 Euro, die sie für ihre eigene Beerdigung gespart hatte, um ihrer Tochter nicht zur Last zu fallen, an einen Betrüger verloren. „Die Frau weinte und war fassungslos. Und sie hat sich selbst Vorwürfe gemacht, weil im Gespräch mit dem Anrufer den Namen ihrer Tochter preisgegeben hatte“, so der Beamte.

Einige Wochen später konnte eine Bankkauffrau in einem Dorf bei Trier gerade noch verhindern, dass eine Seniorin 20.000 Euro abhob und zu ihrem angeblichen Enkel brachte, der zu Hause auf sie wartete. „Ich wusste, dass Frau S. seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrem Enkel hatte. Außerdem war sie nur in Unterwäsche bekleidet bei uns in der Filiale erschienen.“ Die Bankkauffrau rief die Polizei. Die Beamten fanden die Wohnung der Seniorin verwüstet vor. Ihr Schmuck war gestohlen. „Als Frau S., die bei uns in der Filiale geblieben war, das erfuhr, sackte sie in sich zusammen.“