Wie ein Opfer eines Schockanrufs heute den Betrug vor Gericht beschreibt.
Prozess um Schockanrufe91-Jähriger sagt aus: „Ich wurde terrorisiert“
Im Prinzip kann jeder ein Opfer von Schockanrufen werden, davon konnten sich Prozessbeobachter am Dienstag im Kölner Landgericht überzeugen. Dort sitzt die Danuta K. (Name geändert) auf der Anklagebank, weil sie, offenbar als Organisatorin, gemeinsam mit mindestens einem Mittäter, mehrere Monate lang ältere Menschen mit dieser Masche um viel Geld betrogen haben soll, unter anderem in Leverkusen und Burscheid.
Der Zeuge, der durch diesen niederträchtigen kriminellen Trick 21.000 Euro verloren hat, ist 91 Jahre alt, gestützt auf seinen Rollator kommt er in den Gerichtssaal. Anfangs spricht der Richter laut, deutlich, auf eine Weise, wie oft mit alten Leuten gesprochen wird, die schlecht hören oder denen man verlangsamtes Denken unterstellt. Aber bei dem Herrn aus dem hessischen Lauterbach bei Fulda ist nichts dergleichen zu bemerken. Er antwortet ruhig, manchmal schlagfertig und mit gutem Erinnerungsvermögen auf die Fragen des Richters.
Betrüger ließen Mann nicht mehr zur Ruhe kommen
Und trotz dieser Eigenschaften sagt er heute: „Ich konnte damals nicht mehr klar denken, ich wurde von den Anrufern terrorisiert.“ Die Betrüger hatten ihm am 17. Mai 2021 am Telefon eine der üblichen Schock-Anruf-Geschichten vorgespielt: Der Enkel habe einen Unfall verursacht, der Unfallgegner sei ein Rechtsanwalt. Die Betrüger gaben sich zuerst als Mitarbeiter eines Mercedes-Autohauses aus, die Reparatur des Autos des Anwalts koste 21.000 Euro, es sei dringend, denn der Anwalt müsse dringend nach Berlin fahren.
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„Danach bin ich x-Mal angerufen worden“, sagt der 91-Jährige. Die Betrüger ließen den Mann nicht mehr zur Ruhe kommen, hielten ihn unter psychischer Hochspannung, immer wieder traktierten sie ihn mit weiteren Anrufen. Sogar den angeblichen Enkel spielten sie ihm am Telefon vor; im Zustand des Schocks habe er dessen Identität gar nicht in Zweifel gezogen.
Opfer fällt bei der Bank nicht auf
„Ich kann mir das im Nachhinein nicht mehr vorstellen, wie blöd ich war“, sagt der Ingenieur, der früher eine Firma geleitet hat. Daher sei er bei der Bank auch nicht komisch aufgefallen, als er im Trainingsanzug die 21.000 Euro in bar abhob. Es sei selten geschehen, aber schonmal vorgekommen, dass er eine solche Summe bei der Volksbank geholt habe, sagt er. Eine Angestellte händigte es ihm ohne Rückfrage in einem Kuvert aus. Kaum wieder zu Hause folgte offenbar das Betrugskapitel Beruhigung: Eine angebliche Volksbankmitarbeiterin rief an, dass die Versicherung die 21.000 Euro schon per Blitzüberweisung auf sein Konto angewiesen habe.
Dann kam es zur Abholung: Der Enkel selbst könne nicht kommen, hatte es geheißen. Dafür war ein adretter, freundlicher Mann aus der Betrügerbande zuständig, ein Bergheimer, der sich Herr König nannte.
Offenbar ließ bei dem 91-Jährigen da der Schock schon etwas nach, denn er forderte, dass der Abholer ihm eine Quittung gegenzeichnen müsse. Er sagt: „Ganz dumm ist man ja nicht.“ Der Abholer unterschrieb mit „König“ und hinterließ einen Fingerabdruck auf dem Papier, anhand dessen die Polizei den Bergheimer später identifizieren konnte. Er wurde als erster aus der Bande rechtskräftig verurteilt, muss sieben Jahre absitzen, das Meiste im offenen Vollzug.
Kurz nach der Übergabe riefen die Betrüger erneut an und forderten weitere 15.000 Euro für die Reparatur, sie wollten das Opfer „leer machen“, wie Ganoven das nennen. Die zweite Geldlieferung habe der 91-Jährige abgelehnt. Als er mit seinem Sohn über die Sache gesprochen habe, sei sofort klar gewesen, dass er hereingelegt worden war.
„Das ist mir zum ersten und letzten Mal passiert“, sagt der Mann, „ich war in den Stunden kein normaler Mensch.“ Er mache sich große Vorwürfe habe sich unheimlich geärgert. Er sei misstrauischer geworden, jetzt habe er eine Kamera an der Tür, die eine Aufnahme macht, von jedem der dort steht.