Leverkusen – Die Redensart vom „Glück im Unglück“ ist so abgegriffen, dass man sie nicht verwenden sollte. Im Klinikum beschreibt sie die Lage aber besser als jeder andere Satz. Wäre im Krankenhaus nicht in den vergangenen Monaten ein neues Stromnetz gelegt worden, um die Infrastruktur an die fortwährenden Erweiterungen des Komplexes anzupassen, hätte am Mittwoch gar nichts passieren können. „Wir haben das meiste auf das neue Netz aufgeschaltet“, erklärt Robert Bott bei einem Rundgang durch viele Keller unweit der Dhünn, in denen nach wie vor das Wasser steht, während sich der Fluss nebenan schon wieder zum Flüsschen zurückentwickelt hat.
Nur diesem Zufall ist es zu verdanken, dass große Teile des Krankenhauses schon sechs Tage nach der Räumung wieder in Betrieb gehen konnten. Zunächst mit 510 von 750 Betten: In den zwei ältesten Klinikgebäuden sind die Hochwasser-Schäden so groß, dass dort noch nichts geht. Aber auch in den Kellern, in denen die Stromversorgung und weitere für ein Krankenhaus wichtige Versorgungseinheiten stehen – oder wie im Fall zweier vom Wasser aufgetriebener Vakuum-Tanks – standen, sieht es noch wüst aus. Das klebrige Wasser-Schlamm-Gemisch, das seit der Nacht zum Donnerstag Hunderte in der Stadt zur Verzweiflung treibt, steht ein paar Zentimeter hoch.
Auch rund um eines der Diesel-Aggregate, die in der Flut-Nacht zumindest eine Zeit lang die Notstromversorgung sicherten – bis die Dhünn so hoch stand, dass nichts mehr ging und Akkus die fürs Überleben wichtigsten Funktionen auf der Intensivstation übernahmen. Da war aber längst der Entschluss gefasst, das Klinikum zu räumen. 468 Patienten mussten auf Krankenhäuser der Region verteilt werden. Was es heißt, einen an schwere Geräte angeschlossenen Patienten samt Bett aus der ersten oder zweiten Etage über die Treppe zum Ausgang und in den Rettungswagen zu bringen, wissen die Retter jetzt genau.
Für 44 Patientinnen und Patienten war der Weg nicht weit: 31 wurden im Opladener Sankt-Remigius-Krankenhaus aufgenommen, weitere 13 im „Juppes“ in Wiesdorf, wo zudem 16 Bewohner des am selben Abend geräumten Altenpflegeheims Sankt Elisabeth unterkamen. „Für uns war sofort klar, dass die Evakuierung des Klinikums jetzt zur Gemeinschaftsaufgabe wird“, sagt am Mittwoch der Ärztliche Direktor der beiden Häuser, Sascha Wihstutz. Auch in der Opladener Notaufnahme habe es seit vorigen Donnerstag sehr viel zu tun gegeben, ergänzt Wihstutz. Das sei schon eine „enorme Belastung für die Mitarbeitenden“ gewesen. Allerdings sind auch eine Menge Ärzte und Pfleger von Schlebusch nach Opladen gewechselt, um dort zu helfen.
Vier Geburten absehbar
Seit 8 Uhr am Mittwoch ist das vorbei. Die Notfallambulanz des Klinikums ist wieder am Netz und auch gleich gut besucht. Das gilt ebenso für die Geburtshilfe-Station. 38 Minuten nach deren Wiedereröffnung kommt die vierte werdende Mutter dort an, erfährt Sandra Samper Agrelo, die Sprecherin des Klinikums. Was trotz intensiver Aufräumarbeiten und Reparaturen in den Gebäuden an der Dhünn noch nicht klappt, ist die Zubereitung spezieller Krebsmedikamente. Fünf Leute sind dafür aus dem Klinikum in ein Labor nach Köln-Merheim gewechselt, um dort die Infusionen herzustellen. Auch das soll sich schnell ändern.
„Ich finde es immer noch fast unglaublich, dass uns die Wiedereröffnung so kurz nach der Katastrophe gelungen ist,“ sagt Geschäftsführer Hans-Peter Zimmermann. Wäre das neue Stromnetz nicht gewesen, hätte das auch niemals geklappt.