Fußball-EM der FrauenDie große Hoffnung auf den Boom in Leverkusener Vereinen
Leverkusen – Das Wochenende kann stressig oder entspannt, sommerlich oder regnerisch werden – was Jennifer Feister am Sonntagabend macht, das weiß sie jetzt schon: Sie wird Fußball schauen. Frauen-EM in England. Endspiel England gegen Deutschland. In Wembley als symbolischem Olymp dieses Sports. Und das Stadion wird ausverkauft und Jennifer nicht allein sein, denn: Dieses Turnier, das nun endet, hat bereits Millionen von Zuschauenden vor die Fernsehgeräte gelockt. Menschen begeistert. Für Lobeshymnen in klassischen wie sozialen Medien gesorgt.
Und nun sorgt es vielleicht auch für einen Aufschwung des Fußballs der Frauen allgemein, der sich wellengleich fortsetzt von oben, der EM, den Profikickerinnen, bis nach unten. Zu den Vereinen überall. Zum Beispiel in Leverkusen. Zum Beispiel in Hitdorf, wo Jennifer Feister Spielerin beim dortigen SC ist.
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Forderung nach Gleichberechtigung
Seit ihrem 16. Lebensjahr trägt sie dessen Trikot. Heute ist sie 28. Ist Fan von Alexandra Popp, der derzeitigen Tormaschine der DFB-Damen. Und sie sagt über das so rasant gestiegene Interesse an den Fußballfrauen: „Das hat sicherlich auch etwas mit der präsenter gewordenen Emanzipationsbewegung und dieser Welle der Forderung nach Gleichberechtigung zu tun.“
Viele der Profispielerinnen hätten sich zuletzt ja eindeutig zum Thema Bezahlung geäußert. „Aber egal, was der Grund ist: Es ist einfach schön, dass der Fußball der Frauen so viel Anerkennung erfährt und die Menschen glücklich sind über die Leistungen unserer Nationalmannschaft. Und ich hoffe, dass nun mehr Mädchen und Frauen animiert werden, doch mal in einen Verein zu gehen."
Gerade beim SC Hitdorf wäre das wünschenswert, denn: Jennifers Team spielt, wie sie sagt, häufig in Unterzahl, „weil bei uns Spielerinnen in der Pflege arbeiten, schwanger werden oder schlichtweg niemanden haben, der die Kinderbetreuung übernimmt.“ Jennifers Trainerin Susanne Arenz hofft: „Durch die tolle EM werden nun vielleicht manche Männer unter Druck gesetzt in dem Sinne, dass deren Frauen selbstbewusster werden und sagen: Heute habe ich Training oder ein Spiel – und du kümmerst dich mal um die Kinder. Denn ich will das jetzt machen.“
Sprich: Ich betreibe diesen Sport ernsthaft – weil es ein ernst zu nehmender Sport ist. Zudem kämen in Zukunft möglicherweise mehr Eltern auf den Gedanken: „Wenn unsere Tochter Interesse hat, dann soll sie das mal versuchen mit dem Fußballverein.“
„Erfolg macht sexy“
Werner Beginn ist seit 15 Jahren bei Bayer 04 tätig. Er trainierte lange Zeit die Frauen des Vereins und führte deren zweite Mannschaft in die Regionalliga. Er kennt nach eigener Aussage die aktuelle DFB-Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg persönlich. Und er ist ab der kommende Saison für zunächst zwei Jahre Trainer des Frauenteams des SV Bergfried in Steinbüchel. Sprich: Der Mann weiß, was Sache ist.
Und er weiß angesichts der EM in England: „Erfolg macht sexy.“ Der Dienst, den sie drüben auf der Insel, im Mutterland des Fußballs, dem Fußball der Frauen erwiesen, sei nicht zu unterschätzen: „Die Stadien sind voll. Die dortige Profiliga ist beispielhaft. Das Niveau ist enorm. Ich bin ja schon lange im Fußball der Frauen tätig, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Davon werden sich in Zukunft viele andere Länder viel abschauen.“
Frauen stehen über den Männern
Und davon könnten zukünftig auch Vereine wie der SV Bergfried profitieren. Beziehungsweise: Das sei bereits der Fall. „Es gibt wirklich einen Boom.“ Schon jetzt meldeten nämlich mehr und mehr Mädchen ihr Interesse an einem Eintritt an. Und sie seien damit, von einem reinen Frauen-Fußballverein wie dem MSV Opladen einmal abgesehen, gerade beim SV Bergfried gut aufgehoben, denn: „Hier stehen die Frauen sogar ein wenig über den Männern.“
Werner Beginns Team spielt in der Landesliga und peilt unter ihm den Aufstieg in die Regionalliga an – wovon die in der Kreisliga kickenden Männer derzeit noch weit entfernt sind. Sein Vereinskollege David Wendling, koordinierend für die Frauenabteilung zuständig, betont denn auch: „Ich bin seit über zehn Jahren dabei und merke jetzt ein steigendes Interesse. Und auf all das bin ich richtig stolz.“
Die Strukturen verbessern
Bei Bayer 04 – dem Verein, dem Werner Beginn nach wie vor so verbunden ist – kümmert sich Thomas Eichin um die Fußballerinnen. „Wir waren gerade eine Woche mit dem Team in Mexiko und haben dort tollen Anschauungsunterricht bekommen, wie der Fußball der Frauen in der breiten Öffentlichkeit steht.“ Er sagt zur EM: „Das Niveau der Spiele ist hoch. Es macht Spaß, das zu sehen. Da ist viel Leidenschaft. Das ist Fußball pur. Das sollte auch den letzten vor den Fernseher zwingen.“
Er und die anderen Vereinsverantwortlichen „hoffen jetzt alle, dass sich in Zukunft noch mehr Mädels in Vereinen anmelden – und vielleicht auch mal in unserer U17 mit trainieren.“ Ziel müsse es nämlich sein, die Strukturen im Fußball der Frauen – eben auch durch diesen EM-Schub – zu verbessern. Bis hin zum Fall, dass die Spielerinnen irgendwann vom Fußball leben könnten. „Sie müssen sich voll auf ihren Sport konzentrieren können.“
Rauf aufs Profi-Niveau
Und das würde am Ende nicht zuletzt einen wie Christoph Kühl freuen. Der Leverkusener Grünen-Politiker ist nicht nur Politiker, sondern auch Fußball-Fan – sowohl der Bayer-04-(Profi-)Herren als auch der Bayer-Frauen. Für ihn komme es nicht darauf an, „dass die Frauen demnächst genauso viel verdienen und ähnlich hohe Prämien wie die männlichen Profis bekommen“. Das sei eh utopisch, weil der professionelle Männerfußball einfach weit enteilt sei. Allen Sportarten gegenüber.
„Aber diese EM wird hoffentlich mit dazu beitragen, dass die Frauen Fußball nun wirklich auf einem rundum professionellen Niveau ausüben können.“ Als Beruf eben. Als Lebensunterhalt. Und mit viel nachkommenden, jungen Spielerinnen, die den kleinen Vereinen in Städten wie Leverkusen sprichwörtlich die Bude einrennen.