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Blamage für WerkselfRolfes rechnet nach Debakel in Elversberg mit dem Team ab

Lesezeit 6 Minuten
Leverkusen-Elversberg 300722

Torschütze Kevin Conrad (r) von Elversberg jubelt über das Tor zum 4:2.

Spiesen-Elversberg – Bayer 04 Leverkusen hat der langen Liste seiner peinlichen Pokal-Pleiten eine weitere hinzugefügt. Die Mannschaft von Trainer Gerardo Seoane unterlag am Samstag dem saarländischen Drittligisten SV Elversberg mit 3:4 Toren. Und es war nicht die Art von Pokalsensation, die man normalerweise erlebt, wenn ein Kleiner einen Großen schlägt. Kein Glücksschuss und aufopferungsvoller Kampf.

Der Champions-League-Teilnehmer wurde über weite Strecken der Partie von einem Dorfklub kontrolliert und hätte noch mehr als vier Gegentreffer bekommen können. Und so hat sich ein Saisonziel in Luft aufgelöst, noch ehe die Saison richtig begonnen hat. Im Fußball tut halt jeder Klub für seinen Ruf, was er kann.

Die Tore

Bayer 04 Leverkusen haben noch keinen Zweikampf gewonnen, da öffnen die aggressiv pressenden Elversberger mit einem präzisen Pass das Spielfeld, Jannik Rochelt geht mit dem Ball am Fuß an Odilon Kossounou vorbei, als wäre es nichts. Der Ivorer lässt den Angreifer unbedrängt schießen und der Ball zischt in der dritten Minute unhaltbar für Torhüter Lucas Hradecky ins Netz. Zwei Minuten später erscheint das wie ein Betriebsunfall. Bayer-Neuzugang Adam Hlozek knallt den Ball aus 18 Metern mittig aufs Tor, Keeper Nicolas Kristof verschätzt sich, der Flatterball liegt im Netz. 1:1, der Bundesligist kann wieder bei null beginnen.

Dem Drittligisten ist das aber egal, er gewinnt weiterhin die wichtigen Zweikämpfe im Mittelfeld und reißt mit wenigen Aktionen Räume in den fehlerhaften Defensivverbund von Bayer 04. Und so weiß sich Charles Aranguiz knapp im Strafraum gegen den heranstürmenden Rochelt nur zu helfen, indem er sein Bein stehenlässt. Der Elversberger fällt dankbar darüber, Schiedsrichter Martin Pedersen pfeift Elfmeter. Jean Koffi verwandelt ihn eiskalt. Langsam dämmert den Beteiligten, dass das kein Zufall sein kann.

Der SVR steht weiterhin hoch, läuft Bayer 04 bei Ballbesitz mutig an, die Leverkusen hätten Räume, nutzen sie aber zu selten so, wie nach einer halben Stunde: Sardar Azmoun wird an der Strafraumkante freigespielt, leitet den Ball wunderbar direkt in die Mitte, wo Charles Aranguiz angerauscht kommt und zum 2:2 einschießt.

Für wenige Minuten scheint der hohe Favorit das Spiel im Griff zu haben, Azmoun trifft nach einer Kopfballvorlage von Schick den Innenpfosten. Aber die Grundproblematik im Spiel der Werkself ist immer noch nicht abgestellt. Der Gegner gewinnt viele Zweikämpfe, beherrscht das Spiel gegen den Ball und nutzt Fehler konsequent.

Nach einem Fehlpass von Kossounou wird Koffi in der 37. Minute blitzartig in die Tiefe geschickt, spielt den in die Mitte, wo Luca Schnellbacher keine Mühe hat, zur erneuten Führung einzuschießen. Zum 4:2 genügt den Saarländer nach 74 Minuten ein simpler Eckball: Thore Jacobsen trifft den Kopf von Kevin Conrad, der vermutlich zuletzt in der Jugend so frei zum Kopfball kam. Das 4:3 von Patrik Schick nach Vorarbeit von Moussa Diaby fällt in der 89. Minute. Und damit zu spät.

Das war gut

Bei Bayer 04 nichts. Bei Elversberg alles. Hier muss man nicht weiter differenzieren. Die Mannschaft von Trainer Horst Steffen, im Kalenderjahr noch ohne Niederlage, erwies sich als kompakte, mutige Einheit, die den hohen Favoriten hoch anlief, ihn bei jedem Ballkontakt in Zweikämpfe verwickelt und niemals nachließ, an ihre Stärken zu glauben. Durch ihre extrem offensive Spielweise ermöglichte dieses Team dem Bundesligisten zwar Räume, doch der nutzte sie angesichts seiner individuellen Klasse viel zu inkonsequent.

Spätestens nach dem 2:3 hätten alle aufhören müssen, die Überlegenheit des Kleinen für einen Zufall zu halten. Dennoch kam er in der zweiten Halbzeit nach den fruchtlosen Wechseln der Werkself weiterhin zu Chancen und hätte mehr als nur das 4:2 machen müssen. Bayer 04 hätte sich über sechs Gegentore nicht zu beklagen brauchen.

Das war schlecht

Alles von Bayer 04. Nichts von Elversberg.

Mann des Spiels

Man hätte jeden Spieler von Elversberg nominieren können, weil alle auf Augenhöhe mit als Top-Spielern anerkannten Fußballern kämpften. Und noch darüber. Besonders auffällig war ein gewisser Jannick Rochelt, der in der Jugend des FC Bayern München ausgebildet wurde und im Sommer aus Ulm ins Saarland kam. Er erzielte sauber das 1:0 und bereitete genau so sauber das 2:1 vor.

Moment des Spiels

Das schlimmste Zeichen gab die Werkself nach dem späten 3:4, das ein Signal für turbulente letzte Minuten der Nachspielzeit hätte sein müssen. Doch die Mannschaft schleppte sich nach dem Tor von Patrik Schick in der 90. Minute in Richtung Wiederanpfiff, als sei die Partie hoffnungslos verloren. Niemand nahm den Ball in die Hand, trug ihn an den Mittelkreis. Niemand sprintete zurück. Stattdessen hängende Köpfe und Schultern. Ein bedenkliches Zeichen.

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Die Stimmen

Bayer-04-Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes

„Ich bin fassungslos. Wir sind hoch verdient ausgeschieden, und dafür gibt es nur einen Grund: Wir haben nicht verteidigt. Jeder hat den anderen alleine gelassen. Wenn man nicht verteidigt, kann man nicht gewinnen, nicht im Pokal und nicht in der Liga. Das geht so nicht. Es gab in der gesamten Vorbereitung keinen Hinweis darauf, dass so etwas passieren würde. Wir haben einen ganzen Wettbewerb verspielt und müssen uns bei unseren Fans entschuldigen, die in Elversberg fantastisch waren. Es war nicht einmal ein Auswärtsspiel. Ich habe keine Emotionalität in der Mannschaft gesehen. Das können wir nicht akzeptieren.“

Bayer-04-Kapitän Lukas Hradecky

„Es ist unglaublich, wie wir dieses Spiel verloren haben. Wir haben uns mit allem beschäftigt, den Fans, dem Platz, den Zuschauern, dem Schiedsrichter, mit allem, außer Fußball. Es ist zum Kotzen, wie uns das passiert ist. Aber es ist ja nicht das erst Mal.“

Bayer-04-Trainer Gerardo Seoane

„Wir haben verdient verloren, wir haben eine schlechte Leistung gezeigt, wir haben dem Gegner viel zu viele Räume gegeben, wir waren in allen Belangen ungenügend, wir hatten Schwierigkeiten mit Wir müssen genau aufarbeiten warum wir physisch und mental gar nicht auf dem Platz waren. Die Mannschaft hat schon viele gute Spiele gezeigt, heute war es ein rabenschwarzer Tag.“

SVE-Trainer Horst Steffen

„Ich bin überglücklich über den Sieg und die Art, wie wir aufgetreten sind. Wir hatten in der zweiten Halbzeit sogar mehr Chancen als Leverkusen. Dennoch war ich mir nie ganz sicher, so habe ich mich nach dem 4:2 nur ein bisschen gefreut und nicht zu viel. Am Ende freue mich, dass uns diese Sensation gelungen ist. Es kann gern so weitergehen.“

Das sagen wir

In 90 Minuten plus Nachspielzeit hat sich der mit großen Ambitionen angetretene Werksklub eines Saisonzieles beraubt. Der DFB-Pokal ist bereits in der ersten Runde verloren. Alle Reden von einem Titelgewinn klingen wie Hohn. Die Stimmen, die in Bayer 04 einen ernsthaften Herausforderer im Kampf um die Meisterschaft sehen, müssen verstimmen. Alles an diesem Spiel zeigte, wie weit das Team, die Organisation, von solchen Ansprüchen entfernt ist. Die Langzeitwirkung dieses peinlichen Debakels sind unmittelbar danach gar nicht richtig zu ermessen. Es war die schlimmste denkbare Niederlage.