Geisterspiel in LeverkusenNur Union-Sprechchöre durchbrechen die gespenstische Stille
Leverkusen – Der Anpfiff des ersten Bundesliga-Rückrundenspiels der Werkself ist um 15.30 Uhr außerhalb der BayArena klar und deutlich zu hören. Doch ansonsten herrscht ungewohnte gespenstische Stille: Die Partie Bayer 04 Leverkusen gegen 1. FC Union Berlin ist ein Geisterspiel. Zuschauerinnen und Zuschauer sind bei Großveranstaltungen in NRW seit dem 28. Dezember einmal mehr nicht mehr erlaubt. Vereinzelte Fußballfans hat aber weder diese Regelung noch der mit Spielbeginn einsetzende Regen davon abgehalten, trotzdem mal vorbeizuschauen.
Noch vor Spielbeginn hat sich eine gemischte Gruppe aus Leverkusener und Berliner Fans nach Hause verzogen, um das Spiel im Bezahlfernsehen zu gucken. Bis kurz vor Anpfiff des Spiels haben sie mächtig Krach vorm Stadion gemacht. Die drei Auswärtigen unter ihnen sind dabei gar aus Berlin-Friedrichshagen am Müggelsee nach Leverkusen gekommen.„Die Fahrt war lange geplant, dann haben wir's jetzt auch gemacht“, sagt die Chefin der Truppe. Einer von ihnen läuft trotz einsetzendem Schneeregen in kurzer Hose und T-Shirt vorm Stadion und ruft laut: „Eisern Union“. „Eisern“, das komme von „Eis“, sagt jemand scherzhaft.
Ein Maschendrahtzaun zwischen Dhünn-Radweg und Stadion soll verhindern, dass sich Fans der Arena nähern, davor hat Tomek Otolinski sein Lager aufgeschlagen.
„Ist ja ein Scheißwetter“
Ausgestattet mit Fußballschuhen, Fanschal und einem Kaltgetränk nutzt der Werkselffan aus Leverkusen die Chance, das Spiel auf einem der Fernsehbildschirme zu verfolgen, die unterhalb des Blocks A1 am Stadion hängen. Aus der Entfernung sieht man zwar kaum etwas, aber die Nähe zum Geschehen zählt für ihn: „Ich habe schon gewusst, dass man nicht rein kommt. Eigentlich wollte ich sogar meine Tochter mitbringen und mit ihr zusammen gucken, aber es ist ja ein Scheißwetter.“
Die zahlreichen Ordner rund um das Stadion haben ihn jedenfalls im Auge.
Zwei Männer und ein Junge aus Solingen laufen ebenfalls vorm Stadion herum. „Mein kleiner Sohn musste sich selbst davon überzeugen, dass niemand das Spiel im Stadion gucken darf. Für ihn ist der Tag natürlich gelaufen“, gibt einer der beiden an. Nach einem Selfie vor der BayArena ziehen die drei von ihrem kleinen Ausflug aber direkt weiter nach Hause. Inzwischen fällt Schneeregen.
Außer Trainern, wenigen Betreuern und ausgewählten Journalisten ist wirklich niemand im Stadion. „Ich finde das halt auch schade für die Jungs, dass sie schon wieder spielen müssen, ohne angefeuert zu werden“, sagt Stefanie Wilke. Mit Freund Axel Noack steht sie außerhalb des Gästeblocks, wo sie natürlich hingehören – denn die beiden Kölner sind Union-Berlin-Fans.
Im DDR-Fernsehen die Sportschau geguckt
„Das ist von früher so hängen geblieben“, sagt Noack. „Da habe ich mich immer ins Wohnzimmer geschlichen, um im DDR-Fernsehen Sport zu gucken.“ Neben einigen Kölschflaschen haben die beiden jede Menge gute Laune und vor allem ein lautes Organ mitgebracht: „Eisern! Union! – Eisern! Union! – Unsere Liebe!“, schallt es, wahrscheinlich, bis auf das Spielfeld zu den Spielern.
So reicht ihre Stimme auch bis unter die Regencapes der Order, mit denen sie herumwitzeln und die sie - vergeblich -zu überreden versuchen: „Wir sind dreifach geimpft und ja auch nur zu zweit, das verläuft sich doch im Stadion gut. Dürfen wir denn wirklich nicht herein?“
Später machen einige der Fans an der Südost-Ecke eine Perspektive aus, von der aus man durch den Maschendrahtzaun und ein Gittertor direkt auf das Spielfeld gucken kann – zu sehen ist jedoch nicht viel, auch mit gutem Auge nicht. Und nur wenige Minuten später stellt sich einer der Order, auf eigene Faust, breit mitten in dieses Sichtfeld. Er wolle damit verhindern, dass noch weitere Gruppen angezogen werden und zu dieser Stelle kommen.
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So ziehen die Fans von Bayer 04 und Union Berlin nun zusammen zurück zu dem eingeschalteten Bildschirm, vor welchem sie dann gemeinsam plötzlich dicht gedrängt und ohne Maske nebeneinander stehen. Ins Stadion dürfen sie aus Infektionsschutzgründen nicht – damit genau das verhindert wird.