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Szenisches HörspielWie sich Heinz Hauns Eltern im Krieg im Saal Norhausen kennenlernten

Lesezeit 4 Minuten
Heinz-D. Haun liest auf der Bühne des Saals Norhausen aus seinem szenischen Hörspiel.

Heinz-D. Haun liest, begleitet von Holger Faust-Peters am Cello, auf der Bühne des Saals Norhausen aus seinem szenischen Hörspiel.

Heinz-D. Haun präsentierte am Sonntag sein Hörspiel „Die Innenseite des Glücks“ in Rheindorf und gewährte einen Einblick in die Liebesgeschichte seiner Eltern.

Liebesbriefe der Eltern vorlesen? Vor hundert Menschen? Ohne deren Einverständnis? Darf man das? Am vergangenen Sonntag erzählte Heinz-D. Haun die Geschichte seiner Eltern und untermalte diese mit privaten Briefen, Bildern und Tagebucheinträgen. „Die Innenseite des Glücks“ spielt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, Haun beschreibt das Kennenlernen, die Hochzeit, die schmerzhafte Trennung während des Krieges. Der Vater war im Krieg als Sanitäter im Einsatz, seine Mutter Zivilistin.

„Stellen Sie sich vor, es ist 1939, wir befinden uns in diesem Lokal“, beginnt das szenische Hörspiel. Haun führt es im Saal Norhausen in Rheindorf auf. Es ist das Lokal, in dem sich seine Eltern kennenlernten. Hier beginnt die Geschichte. Holger Faust-Peters unterstützt Haun musikalisch am Cello. Dieser lässt auch immer wieder Lieder in das Spiel miteinfließen, so zum Beispiel „Tapfere kleine Soldatenfrau“ oder „Wie viel kann ein Mensch ertragen“.

Im Hörspiel bringt Heinz-D. Haun auch Tatsachen zum Ausdruck, die stören, schmerzen, die man lieber verdrängen möchte. „Meine Existenz verdankte ich diesem verdammten Krieg, der so viele Menschen das Leben gekostet hat“ oder „Die Einheit meines Vaters war an den schwersten Kriegsverbrechen beteiligt“, erzählt Haun.

Ich wollte den Boden betreten, der das Blut so Vieler aufgesogen hat.
Heinz-D. Haun

2017 las Heinz-D. Haun die Briefe seiner Eltern zum ersten Mal durch und bemerkte dann laut eigener Aussage, was für einen Schatz er gefunden hatte. „Mir kam schnell die Idee, dass ich etwas Bühnen-Mäßiges damit machen wollte“, so der Hobby-Schauspieler. Also reiste er 2019 nach Belarus, um die Kriegs-Gedenkstätten zu besuchen und mit Menschen dort zu sprechen. „Ich wollte den Boden betreten, der das Blut so vieler aufgesogen hat“, sagt Haun im Hörspiel. „Ich war an einigen Orten, wo Massaker verübt worden waren, an den verrosteten Stacheldrahtzäunen steckten Blumen. Es geht unter die Haut, zu wissen, wie viele Menschen dort grausam umgekommen sind.“

Warum Haun die Geschichte seiner Eltern veröffentlicht

Im Hörspiel teilt Haun neben den privaten Briefen auch andere, sehr intime Momente mit seinen Zuhörern, so gibt es beispielsweise eine Szene, in der er mit seiner verstorbenen Mutter redet. In der Pause erzählt er, dass es für ihn auch Überwindung gekostet habe, die familiäre Geschichte öffentlich zu machen. Letztendlich habe er sich dazu entschieden, die Geschichte zu erzählen, weil er seine Eltern nicht in einem schlechten Licht darstelle. Vielmehr zeige er die unglaubliche Liebe der beiden auf, die über so viele Jahre der Trennung erhalten geblieben sei.

An der Geschichte seiner Eltern fasziniert Haun vor allem das Durchhaltevermögen. „Ich weiß nicht, ob wir heutzutage zu so etwas fähig wären, niemals aufzugeben, auch, wenn die Situation manchmal verzweifelt ist, trotzdem aus der Liebe Kraft zu schöpfen. Ich finde es phänomenal, dass ich das aus ihren Briefen herauslesen konnte“, sagt Haun. Schließlich fügt er noch hinzu: „Es war dieses Durchhaltevermögen, was meinen Vater am Leben gehalten hat.“

Das Publikum in Rheindorf machte ähnliche Erfahrungen

Das Publikum im Saal Norhausen gehört zur selben Generation wie Heinz-D. Haun. „Es ist ein bekanntes Phänomen, dass die Kindergeneration der Kriegsteilnehmer im Ruhestand beginnt, ihre familiäre Geschichte aufzuarbeiten“, weiß Haun. Viele hatten sich zu Lebzeiten ihrer Eltern nicht getraut, Fragen über den Krieg zu stellen. Die Eltern wollten auch oftmals aufgrund von Traumatisierungen nichts dazu erzählen. „Ja, wir haben zu wenig gefragt“, sagt Haun am Ende seines Hörspiels und spricht damit wohl vielen Zuhörern aus der Seele.

„Das was Herr Haun sagte, habe ich auch erlebt. Eltern oder Großeltern sagten ‚Da reden wir nicht drüber!‘ oder erzählten nur das Positive“, erinnert sich Bernadette Kleve, die aus Köln gekommen ist, um das szenische Hörspiel nicht zu verpassen. Durch Hauns Hörspiel habe man die Möglichkeit, hinter die Kulisse zu blicken und etwas mehr von der Wahrheit zu erfahren, sagt sie.

Auch Gertrud Stracke ist aus Köln angereist, sie erfuhr durch Kontakte von der Aufführung. „Das Hörspiel ist beeindruckend, aber es ist auch an der Kippe, zu persönlich zu werden, weil es berührt“, sagt sie. Gerne hätte Stracke noch etwas mehr über die Mutter erfahren, der Vater stehe sehr im Vordergrund. Auch sie gehört zur selben Generation wie Haun. „Wenn man so etwas sieht, kommt alles wieder hoch, es erinnert an die eigene Geschichte. Meine Eltern haben darüber auch nicht gesprochen“, sagt sie und: „Ich finde es sehr mutig, so ein etwas Emotionales zu präsentieren.“

Emotional war das szenische Hörspiel scheinbar für alle Besucherinnen und Besucher. Am Ende der Veranstaltung bleibt kein Auge trocken. Auch Heinz-D. Haun bemerkt: „Es hat mich dann doch emotional gepackt, wegen des örtlichen Bezuges – Rheindorf.“


Weiterer Aufführungstermin

Am 21. Januar 2024 führt Heinz-D. Haun sein Stück erneut im „Theas Theater“ in Bergisch Gladbach, Jakobstraße 103, auf. Nähere Informationen sind auf der Homepage zu finden.

https://hdhaun.de/