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Junger Messerstecher in der WaldsiedlungEs könnte sogar versuchter Mord sein

Lesezeit 3 Minuten
Mordprozess Waldsiedlung

Der Angeklagte (links) vor dem Kölner Landgericht

Leverkusen – Die entscheidende Frage stellt Richterin Ulrike Grave-Herkenrath nach reichlich sechs Stunden: „Könnte so etwas wieder passieren?“ Die Antwort von Psychiaterin Konstanze Jankowski: „Ja.“ Damit zeichnet sich ab, dass der heute 20 Jahre alte Ex-Schüler des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums eine harte Strafe bekommt.

Am 20. April hatte er kurz vor Mitternacht das Haus seiner Mitschülerin in der Waldsiedlung überfallen und ihre Mutter mit drei Dutzend Messerstichen schwerst verletzt. Dass die Frau überlebte, verdankte sich unter anderem dem glücklichen Umstand, dass der Notarzt besonders gut ausgerüstet war. Aus Sicht der Frau, die den Prozess vor dem Landgericht Tag für Tag verfolgt und sich jetzt sogar den Notruf noch einmal anhörte, war es aber auch noch etwas Anderes: „Meine Tochter hat mich am Bein berührt“, sagte sie in einer Verhandlungspause am Mittwoch.

Es war der Tag der Gutachter: Nach der Rechtsmedizinerin erstatteten der Psychologe Hans-Jürgen Kunert und die Psychiaterin Konstanze Jankowski Bericht. Beide hatten den jungen Mann mehrfach getroffen; Kunert hatte ihm mehr als 1000 Fragen vorgelegt, um sich ein Bild von seiner Persönlichkeit machen zu können.

Immens wichtige Gutachten

Das Ergebnis ist in diesem Prozess von immenser Bedeutung. Und es ist ungünstig ausgefallen für den Beschuldigten. Mit einem Urteil nach dem Jugendstrafrecht wird er nicht mehr rechnen können. Und es ist denkbar, dass die grausame Tat sogar als Mordversuch gewertet wird von der 4. Großen Strafkammer.

Beide Gutachter sind überzeugt, dass der junge Mann eine gefestigte, aber eben „deformierte“ Persönlichkeit ist. Mit stark narzisstischen Zügen, mit einem Hang, Andere für sein Elend verantwortlich zu machen. Der, so Kunert, in Teilen „weit, weit überdurchschnittlich intelligente“ Beschuldigte neige zu „erhöhter Aggression, erhöhter Reizbarkeit“ und sei „emotional instabil“. Es habe ihm an sozialen Kontakten gefehlt - und die Frauen-Frage sei ein besonderes Problem für ihn. Das sieht er selbst so. „Er hat große Schwierigkeiten, mit Enttäuschungen umzugehen.“

Eine große Kränkung

Und das, so Kunerts Kollegin Jankowski, biete auch die Erklärung für die unfassliche Tat, die eigentlich der Tochter des Opfers gegolten hatte. Sie habe der junge Mann zunächst idealisiert. Doch als sie auf seine Avancen nicht mehr reagierte, sei das Gefühl umgeschlagen. Entscheidend sei eine Situation gewesen: Als er beschlossen hatte, doch keinen neuen Anlauf auf das Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium mehr zu nehmen, sondern erst einmal eine Ausbildung zu machen, habe sich seine Flamme wenig begeistert gezeigt. Seine Interpretation: Die will lieber einen Arzt oder Chemiker. Letzteres hatte er ursprünglich im Auge. Nun sei er nicht mehr gut genug.

Eine Kränkung, mit der der damals 19-Jährige nicht klar kam.Stattdessen besorgte er sich ein Messer und Einbruchsgerät. Er wollte die junge Frau entführen, erst sie und dann sich umbringen.

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Soweit ist es nicht gekommen. Aber die Wirklichkeit ist fast genauso schrecklich. Ihn selbst habe die Bluttat offenbar in die Realität zurück gerissen: Das sei ja ganz anders als in den Ballerspielen, in die er schon seit der sechsten Klasse immer mehr versenkt hatte. Der Blutgeruch sei „eklig“ gewesen, zitierte ihn die Gutachterin. Er sei „physisch nicht mehr in der Lage gewesen, weiterzumachen“. Anders gesagt: Er hörte auf, auf die Frau einzustechen, weil ihm schlecht wurde.